Arbeit am Gericht Amtsgerichte in der Region suchen wieder Schöffen

Region · Juristische Vorbildung ist nicht notwendig, dafür Lebenserfahrung und Menschenkenntnis: Die Land- und Amtsgerichte in der Region suchen Schöffen. Wie kam es überhaupt dazu, dass es Schöffen gibt?

Vor Gericht entscheiden Schöffen mit. In diesem Jahr steht die Wahl für die nächste Amtsperiode an.

Vor Gericht entscheiden Schöffen mit. In diesem Jahr steht die Wahl für die nächste Amtsperiode an.

Foto: dpa-tmn/Friso Gentsch

Die Bilder aus Filmen wie „Die Jury“ oder „Die zwölf Geschworenen“ sind vermutlich den meisten präsent: Zwei Reihen mit normalen Bürgern, von Anwälten ausgewählt, entscheiden über das Schicksal der Angeklagten. Der Realität in Deutschland entspricht das aber nicht. Ehrenamtliche Richter gibt es allerdings auch hierzulande: Schöffinnen und Schöffen sollen den Blick der Berufsrichter ergänzen. Gemeinsam mit ihnen entscheiden sie über Schuld und Strafmaß.

Sie werden von den Kommunen vorgeschlagen und vom Schöffenwahlausschuss des jeweiligen Gerichts gewählt. Fünf Jahre dauert eine Wahlperiode, die nächste beginnt 2024. Derzeit sind die Kommunen auch in der Region deshalb bereits auf der Suche nach geeigneten Kandidaten für das Schöffenamt an Erwachsenen- und Jugendgerichten.

Grundsätzlich kann sich jeder als Schöffe oder Schöffin bewerben oder seinen Nachbarn oder die beste Freundin vorschlagen. Die Voraussetzungen: Mindestens 25 und höchstens 69 Jahre sollen die potenziellen Schöffen am 1. Januar 2024 alt sein, schreibt die Stadt Siegburg. Außerdem müssen sie deutsche Staatsbürger sein und die deutsche Sprache beherrschen. Es gibt auch nur wenig Ausschlusskriterien: Verurteilte Straftäter oder Menschen, gegen die wegen einer Straftat ermittelt wird, können sich ebenso wenig bewerben wie diejenigen, die in der Justiz arbeiten, beispielsweise als Richter, Rechtsanwälte, Bewährungshelfer oder Vollzugsbeamte. Auch wer für eine Religionsgemeinschaft arbeitet, kann nicht gewählt werden.

Lebenserfahrung ist wichtig

Juristische Kenntnisse sind nicht nötig, dafür Lebenserfahrung und Menschenkenntnis. Die Schöffen sollen dafür sorgen, dass der Blick der allgemeinen Bevölkerung in die Beurteilungen mit einfließt, deshalb sollen möglichst viele Berufsgruppen von der Hausfrau über den Handwerker bis hin zum Akademiker unter ihnen vertreten sein. Schöffinnen und Schöffen haben bei gravierenden Entscheidungen ein gleichberechtigtes Mitspracherecht. Theoretisch können sie den Berufsrichter oder die Berufsrichterin beim Urteil überstimmen.

13 männliche und 13 weibliche Schöffen gibt es derzeit am Amtsgericht Siegburg. Die Kommunen im Kreis stellen jedoch auch Schöffinnen und Schöffen für das Landgericht Bonn, für beide Gerichte schlagen die Kommunen im Kreis Kandidaten je nach Größe vor.

Genug Schöffen gibt es im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler. „Wir haben Glück“, sagt Direktorin Susanne Dreyer-Mälzer. An der ländlich geprägten Ahr gebe es etwa Pensionäre, die sich einbringen und Menschen, die sich mit der Region verbunden fühlen. Ein Gremium, dem eine Richter-Kollegin von Dreyer-Mälzer, ein Vertreter des Landkreises und sieben vom Kreistag bestimmte Vertrauenspersonen angehören, wählt dort die neuen Schöffen im Herbst aus einer zuvor aufgestellten Vorschlagsliste aus. Acht Plätze sind für Erwachsenen-Strafsachen zu vergeben und noch mal acht für Jugend-Strafsachen. Dazu kommen 16 beziehungsweise bei den Jugend-Strafsachen zwölf Vertreter. Dabei gibt es laut Dreyer-Mälzer in der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler immer mehr Bewerber als Schöffen-Plätze. Abgehalten werden soll die Wahl zwischen dem 16. September und 15. Oktober.

Karl der Große setzte erstmals Schöffen ein

Dass auch Laien über das Schicksal von Menschen entscheiden, die einer Straftat beschuldigt werden, ist keine Entwicklung der Neuzeit. Bis zum achten Jahrhundert war die Rechtsprechung eine Angelegenheit des Volkes – zu dem zählten damals allerdings nur die wehrfähigen, waffentragenden, also „freien“ Männer. Mit der Gerichtsverfassung Karls des Großen ging zwischen 770 und 780 das Recht, Urteile vorzuschlagen und abzustimmen, von der Gemeinschaft der waffentragenden Männer auf gewählte scabini („Schöffen“) über. Der König setzte damals einen Richter ein, der die Verhandlung leitete, jedoch kein Stimmrecht hatte. Die freien Schöffen wurden mit Beginn der Neuzeit dann durch Richterbeamte verdrängt, die vom jeweiligen Landesherrn abhängig und in römischem Recht ausgebildet waren.

Mit der Constitutio Criminalis Carolina oder der „Peinlichen Halsgerichtsordnung“ Kaiser Karls V. gab es 1532 das erste allgemeine deutsche Strafgesetzbuch. Gleichzeitig wurde damit die Stellung des Richters weiter gestärkt – er erhielt Stimmrecht. Der Absolutismus beseitigte dann auch die letzten Schöffengerichte. Bis ins 19. Jahrhundert hinein regierte der Wille des Monarchen die Gerichte. Die demokratischen Bewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts hatten daher zur Begrenzung richterlicher Macht die Beteiligung des Volkes an der Rechtsprechung auf ihre Fahnen geschrieben. Nach der Errichtung des Deutschen Kaiserreichs 1871 formulierte die „Amtliche Denkschrift über die Schöffengerichte“ von 1873, „dass kein Strafurteil ohne die Mitwirkung von Laien gefällt werden kann“.

Aber schon die Emminger-Notverordnung von 1923 schaffte das klassische Jury-Schwurgericht ab und führte gleichzeitig den Einzelrichter beim Amtsgericht ein. 1933 wurden die in der Republik gewählten Schöffen umgehend abgesetzt und von den Nationalsozialisten Neuwahlen angeordnet, bei denen vorwiegend linientreue Personen ins Amt kamen.1939 mit Kriegsbeginn wurde die Schöffenbeteiligung vollständig beseitigt. Die Bundesrepublik kehrte zum System der Beteiligung von Schöffen zurück. Der Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter beklagt jedoch, das die Zahl der Verfahren mit Schöffenbeteiligung über die Jahre eingeschränkt wurde.

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