Von Hamburg ins Rheinland Dieter Schmitz ist Steuermann der Siegburger Kreisverwaltung

RHEIN-SIEG-KREIS · Seit März ist Dieter Schmitz Sozialdezernent des Rhein-Sieg-Kreises. Er ist kein Verwaltungsmann, hat kein Parteibuch und ist kein Volljurist. Für den neuen Job zog der gebürtige Kölner von Hamburg nach Siegburg.

 Quereinsteiger mit neuen Konzepten: Dieter Schmitz in seinem Büro im Siegburger Kreishaus. FOTO: DOMINIK PIEPER

Quereinsteiger mit neuen Konzepten: Dieter Schmitz in seinem Büro im Siegburger Kreishaus. FOTO: DOMINIK PIEPER

Foto: Dominik Pieper

Sein Gang ist federleicht, der Händedruck zur Begrüßung kräftig. Sportler, das merkt man gleich. Dieter Schmitz ist ein drahtiger Mittfünfziger. Kürzlich hat er beim Bonn-Triathlon teilgenommen: 60 Kilometer Radfahren, 15 Kilometer laufen und vier Kilometer Schwimmen. „Im Rhein – das war schon ein besonderes Erlebnis“, erzählt er. Nun sitzt er in seinem Büro im Siegburger Kreishaus, umgeben von einem ellenlangen Ausdruck des Bundesteilhabegesetzes, bunten Schaubildern, komplexen Diagrammen und einem vollgeschrieben Flipchart. Das alles hat mit Sport nichts zu tun. Dieter Schmitz ist der neue Sozialdezernent des Rhein-Sieg-Kreises.

Diese Funktion war lange mit dem Namen Hermann Allroggen verbunden. Er ging Anfang 2017 nach gut 20 Jahren im Amt in Ruhestand. Danach übernahm Kreisdirektorin Annerose Heinze übergangsweise den Bereich, bis sie im Februar in den passiven Teil der Altersteilzeit wechselte. Zum 1. März kam Dieter Schmitz und erhielt ein neu zugeschnittenes Dezernat, zu dem neben dem Sozial-, dem Versorgungs- und dem Gesundheitsamt auch das Kommunale Integrationszentrum gehört – insgesamt rund 230 Mitarbeiter.

„Controlling“ lautet das Zauberwort

Sein erster Eindruck: positiv. „Die Führungskräfte sind gut und motiviert, es herrscht Aufbruchstimmung. Es ist der Wille da, neue Wege zu gehen, die sich zum Beispiel durch die Digitalisierung bieten“, sagt Schmitz. Er ist gebürtiger Kölner, war aber zuletzt mehr als 20 Jahre beruflich im hohen Norden verankert. Er ist kein Verwaltungsmann, hat kein Parteibuch und ist auch kein Volljurist. Letzteres war in der ursprünglichen Ausschreibung der Stelle gefordert. Weil die Bewerbungen aber hinter den Erwartungen zurückblieben, änderte Landrat Sebastian Schuster im Herbst die Vorgaben und holte schließlich Schmitz. Der 55-Jährige hat Betriebswirtschaft und Sozialwirtschaft studiert, ist zugleich aber auch ein Praktiker, der den sozialen Bereich aus verschiedenen Perspektiven kennt. So war er in der Behindertenarbeit tätig, und er zog Pflegekinder groß. „Ich weiß, was Pflege bedeutet“, sagt Schmitz, der selbst drei Kinder hat und geschieden ist.

Zwar war er nie in öffentlichen Verwaltungen angestellt. Aber er arbeitete als Berater eng mit ihnen zusammen, zuletzt über 13 Jahre in der Hamburger Beratungsfirma „con_sens“. In dieser Funktion war er deutschlandweit unterwegs. So lernte er auch die Siegburger Kreisverwaltung kennen, die sich zwischen 2015 und 2017 einer Organisationsuntersuchung unterzog. Dort bewarb er sich. Nicht zuletzt, weil ihm der Rhein-Sieg-Kreis gefiel, wie er erzählt, mit seinen Landschaften und den kurzen Wegen in die Zentren Bonn und Köln.

SPD übte Kritik am Bewerbungsverfahren

Für die SPD-Kreistagsfraktion war Schusters Vorgehen im Bewerbungsverfahren seinerzeit juristisch zweifelhaft und zudem ein Affront, weil es über Jahrzehnte üblich war, dass der Sozialdezernent im CDU-dominierten Kreishaus Sozialdemokrat ist. Mit dieser Kontinuität wurde nun gebrochen. Inzwischen ist der Ärger verraucht. Schmitz zog von Hamburg nach Siegburg und nahm seine Arbeit auf.

Etwas mehr als 100 Tage ist er nun im Amt. Zeit für eine erste Bestandsaufnahme. Schmitz ist schnell in seinem Element: Er erzählt vom dichten und sich ständig wandelnden Dschungel der Sozialgesetze und von den „multiplen Bedarfen“ derer, die Leistungen beanspruchen. Er berichtet von den Herausforderungen, die sich daraus für eine Verwaltung ergeben. Und von der Notwendigkeit, durch gezielte Steuerung die Oberhand zu behalten und Strategien zu entwickeln.

„Controlling“ lautet das Zauberwort. Controlling für Finanzen, für Prozesse, für die Wirksamkeit von Leistungen. Das sind Themen, die den 55-Jährigen umtreiben, er will modernisieren. „Verwaltungen sind traditionell durch ihren Aufbau bestimmt, der sich aus Rechtskreisen ergibt“, sagt er. Sie müssten „prozessorientierter“ arbeiten, also zum Beispiel Themen aus Sicht des Bürgers denken, der mit Anliegen und Ansprüchen an den Kreis herantritt. „Früher gab es für einen Menschen bis zu vier oder fünf Fallakten zu verschiedenen Maßnahmen“, so der Sozialdezernent. Solche Verfahren müssten transparenter, effizienter und ganzheitlicher gestaltet werden. Auf Dauer gelinge das durch die Einführung der elektronischen Akte, die alle Informationen bündelt.

Solche Neuerungen sind nicht bloß Selbstzweck. Letztlich geht es um die Kostenentwicklung. Die Sozialhilfeleistungen machen den Löwenanteil des Kreishaushalts aus. Sie wachsen Jahr für Jahr, trotz insgesamt günstiger Vorzeichen. So lag die Arbeitslosenquote im Mai kreisweit bei nur 4,8 Prozent. 2016 rechnete der Rhein-Sieg-Kreis mit Transferaufwendungen von 186 Millionen Euro. Dieses Jahr sind im Etat bereits 222 Millionen veranschlagt, für 2021 bereits knapp 250 Millionen Euro vorgesehen.

Demografische Entwicklung

Ein Trend, der viele Ursachen hat. Eine davon ist die demografische Entwicklung. Die Menschen werden immer älter, und sie erfreuen sich dabei relativ guter Gesundheit. Es nimmt damit aber auch die Zahl derer zu, die nach dem Sozialgesetzbuch Ansprüche geltend machen können – Stichwort Hilfe zur Pflege. Für 2017 und 2018 sah der Kreishaushalt rund 30 Millionen Euro für die Hilfe zur Pflege und das Pflegewohngeld vor, Tendenz steigend. Dabei kostet den Kreis eine Heimunterbringung freilich mehr als die häusliche Krankenpflege.

„Ziel muss es sein, dass die Menschen so lange wie möglich in den eigenen Räumlichkeiten leben“, sagt Schmitz. Dafür müsse das Umfeld stimmen: Familien, professionelle Dienstleister, Ehrenamtliche, Kommunen – sie alle müssten bei diesen Anstrengungen mitgenommen werden. Da ist der neue Dezernent wieder bei seinem Lieblingsthema, dem Steuern. „Ich möchte, dass wir als Kreis eine aktive Haltung einnehmen, anstatt nur durch das Tagesgeschäft getrieben zu werden.“

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