Lossprechung der Tischler Bonn-Rhein-Sieg Ein „Bulli“ ganz aus Holz

Siegburg · Die Tischlerinnung Bonn-Rhein-Sieg präsentierte die Gesellenstücke des Nachwuchses im Siegburger Stadtmuseum. Junge Gesellen haben gute Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt.

 Eine Belobigung erhielt Nora Nallinger für ihren T1, hinter dessen Fassade sich ein Sekretär verbirgt.

Eine Belobigung erhielt Nora Nallinger für ihren T1, hinter dessen Fassade sich ein Sekretär verbirgt.

Foto: Paul Kieras

Ein Fahrrad aus Holz habe es schon einmal gegeben, nämlich im vergangenen Jahr. „Aber ein Auto hat noch nie jemand gebaut“, sagte Tischlerobermeister Thomas Radermacher bei einer Führung durch die Ausstellung mit Gesellenstücken des Tischlernachwuchses unter dem Titel „Die gute Form“ im Stadtmuseum. Gemeint war ein Volkswagen T 1, besser bekannt als „Bulli“.

Den hat Nora Nallinger aus Bonn-Beuel kreiert und sich gleichzeitig einen Traum erfüllt. „Ich sammle Modelle des T1 und wollte schon immer selbst einen fahren“, gab die 20-Jährige als Begründung an, ein solch ausgefallenes Möbelstück zu bauen, das die Funktion eines Sekretärs hat.

Hinter der Fassade verbirgt sich "ein Raumwunder“, wie Radermacher anerkennend feststellte. Zwei Wochen war Nallinger mit der Planung beschäftigt, je zwei Wochen mit der Anfertigung von zwei Zeichnungen und rund sechs Wochen mit der Umsetzung.

Damit lag sie deutlich über den zur Verfügung gestellten 100 Stunden ihres Betriebes. Aber auch ihre 44 Mitbewerber investierten weit mehr Zeit, wie Radermacher berichtete. „Die Betriebe haben aber ein eigenes Interesse daran, dass ihre Gesellen ein gutes Ergebnis erzielen“, so der Obermeister.

Allen Prüflingen bescheinigte er sehr viel Kreativität. „Sie haben viel Arbeit und Schweiß investiert.“ Oft seien sie auch noch bis spät in die Abendstunden und an den Wochenenden mit ihren Gesellenstücken beschäftigt gewesen, so Radermacher. Mit dem ersten Preis wurde Benedikt Stiegler-Olthoff aus Bonn für sein Sideboard ausgezeichnet, dessen „Klarheit und Sicherheit der Gestaltfindung auf Anhieb überzeugt“, wie es in der Begründung der vierköpfigen Jury heißt.

Über den zweiten Platz konnte sich Jan Merten aus Much freuen. Mit seinem Schreibtisch, der „vom messerscharfen Kontrast zwischen dem weißen Corian und der dunklen Räuchereiche lebt“, beeindruckte er die Juroren. Ihr Lowboard, das laut Jury „auf Effekthascherei vollständig verzichtet und auf zeitlose Qualität setzt“, brachte Katharina Lange aus Rheinbach auf den dritten Platz.

Eine Belobigung erhielt Nora Nallinger für ihren Sekretär, eine weitere gab es für Jan Hennen aus Bornheim-Hemmerich für sein Retromöbel mit deutlichen Anleihen in den 1950er Jahren sowie für Fridolin Dold aus Bonn-Beuel. Der präsentierte eine Sitzbank aus Eiche mit blau lackiertem Gestell.

Zu sehen waren in der Ausstellung auch sogenannte kleine Gesellenstücke, die Auszubildende nach dem zweiten Lehrjahr angefertigt haben. „Damit haben sie Gelegenheit, sich schon einmal darauf vorzubereiten, was auf sie zukommt“, sagte Radermacher.

Das vorgegebene Thema „Mobile Möbel für Stadtnomaden“ setzte Anna Schmideder aus Bonn mit einer Klappbank so gut um, dass auch sie eine Belobigung erhielt. Die Zukunftsperspektiven für Tischler sind bestens, Nachwuchsprobleme gibt es laut Radermacher nicht.

An die frisch gebackenen Gesellen wandte sich der Obermeister bei der Lossprechung mit den Worten: „Sie haben nicht nur beste Perspektiven am Arbeitsmarkt, Sie können auch von einer Entwicklung profitieren, die Ihnen riesige Chancen öffnet. In den nächsten zehn bis 15 Jahren stehen etwa 40 Prozent der Unternehmen in Deutschland zur Übergabe an die nächste Generation an, ohne dass es diese Generation wie früher in den Familien der Unternehmen überhaupt gibt.“

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