Schicksal der Jüdin Ilse Fröhlich Eine Zeugnisliste ergänzt den Fundus im Siegburger Stadtarchiv

SIEGBURG · "Wenn ihr diesen Brief bekommt, dann haben Rudi und ich uns erschossen." Mit diesen Worten, die den Leser erschaudern lassen, begann Ilse Fröhlich (1919-1939), einstige Schülerin des städtischen Lyzeums mit Frauenschule in Siegburg, ihren Abschiedsbrief, bevor sie im Juni 1939 mit ihrem Freund Rudolf Marx Selbstmord beging.

 Das Dokument aus dem Leben von Ilse Fröhlich...

Das Dokument aus dem Leben von Ilse Fröhlich...

Der 2007 entdeckte Brief ist seitdem im Siegburger Stadtmuseum ausgestellt. Nun ergänzten der Troisdorfer Heimatforscher Norbert Flörken und Eberhard Crueger, Archivar des Gymnasiums Alleestraße, das Puzzle dieser tragischen Lebensgeschichte um ein weiteres Stück. Sie überreichten Bürgermeister Franz Huhn eine Zeugnisliste von Ilse Fröhlich.

"Die Frau hat aber Top-Noten gehabt", sagte Huhn nach einem Blick auf die Zeugnisliste, die ins Stadtarchiv aufgenommen wird. Mit dem Schicksal von Ilse Fröhlich, die auf dem jüdischen Friedhof an der Heinrichstraße beigesetzt ist, beschäftigt sich der ehemalige Gymnasiallehrer Norbert Flörken seit 1983. Bereits in einem am 9. November 1985 im General-Anzeiger veröffentlichten Artikel nannte Flörken Details.

"Allerdings konnten mir die Behörden in der damaligen DDR nicht wirklich weiterhelfen. Es gab nur ein Blatt eines Polizeiberichtes aus Usedom," erzählte Flörken. Bald fand er heraus, dass Ilse Sara Fröhlich am 11. Februar 1919 als Tochter eines Siegburger Modehausbesitzers in Bonn geboren wurde und die Mutter bei der Geburt starb.

Die Schülerin des Lyzeums mit Frauenschule, dem heutigen Gymnasium an der Alleestraße, und später des Clara-Schumann-Gymnasium in Bonn lernte ihren Freund Robert Marx vermutlich in der heutigen Bundesstadt kennen. Der Wehrmachtsoldat gab sich als Arier, obwohl er einen jüdischen Vater hatte und somit nach Nazi-Vorstellungen "Mischling ersten Grades" war.

Da die Verbindung zwischen ihm und der Jüdin Ilse Fröhlich nach damaligen Gesetzen verboten war, sahen die beiden keinen anderen Ausweg als den Freitod. "Heute lässt sich sagen, dass zwar zwei Pistolen bei den Leichen gefunden wurden, aber wohl Robert zunächst Ilse und dann sich selbst erschossen hat", berichtete Flörken.

Den Abschiedsbrief schrieb Ilse Fröhlich im Ostseebad Ahlbeck und sandte ihn am 12. Juni 1939 an ihren Vater nach Siegburg. Tags darauf, am 13. Juni 1939, fand ein Polizist die Leichen in einem Strandkorb.

Auf die Zeugnisliste seien sie zufällig gestoßen, so Crueger: Eigentlich waren alle Vorkriegsakten der Schule beim Bombenangriff auf Siegburg am 28. Dezember 1944 vernichtet worden. Auf Flörkens Bitte habe er noch einmal gesucht und sei auf das Dokument gestoßen.

Als "Zeugnis der Nazi-Schreckensherrschaft" bezeichnete Huhn das Schicksal der Fröhlichs. Ilse Fröhlichs Vater wurde nach Russland deportiert und am 24. Juli 1942 mit anderen Troisdorfer und Siegburger Juden in Minsk erschossen.

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