Einmal um den Rhein-Sieg-Kreis Der Grenzgänger Einmal um den Rhein-Sieg-Kreis mit Klaus Strack

Rhein-Sieg-Kreis · Der Siegburger hat seit Januar den gesamten Rhein-Sieg-Kreis auf seinen Grenzen umwandert. Dort gab es meist keine ausgeschilderten Wege, er hat sich die Routen selbst zusammengestellt. Insgesamt war er 390 Kilometer unterwegs, auf denen er sich Zeit für Land und Leute nahm.

 Klaus Strack auf seiner Kreisumwanderung im Naafbachtal bei Lohmar.

Klaus Strack auf seiner Kreisumwanderung im Naafbachtal bei Lohmar.

Foto: Klaus Strack

Nass, kalt, dunkel: So hatte sich Klaus Strack das Ende seiner langen Wanderung gewiss nicht ausgemalt. Als der Siegburger das Rheinufer bei Bornheim-Widdig erreichte, war er im ersten Moment einfach nur froh, dass es vorbei war. Die 17. und letzte Etappe seiner Heimatrunde war reich an Pannen und Verzögerungen. „Ein Hochgefühl wollte sich nicht einstellen“, sagt Klaus Strack.

Doch allmählich wich der Frust, schließlich hat er sein Ziel erreicht. Er hat seit Januar den gesamten Rhein-Sieg-Kreis auf seinen Grenzen umwandert. Dort gab es meist keine ausgeschilderten Wege, er hat sich die Routen selbst zusammengestellt. Insgesamt war er 390 Kilometer unterwegs, auf denen er sich Zeit für Land und Leute nahm.

Zu seinen Beobachtungen und Erlebnissen plant er eine Ausstellung, die er 2019 zum 50-jährigen Bestehen des Kreises zeigen will. Dazu ist er im Gespräch mit dem Kreis und einigen Kommunen. „Ich muss jetzt erst einmal alles sacken lassen“, sagt der 58-Jährige.

Wandern liegt im Trend, aber auch der Begriff „Heimat“ erlebt gerade eine Renaissance. Zugleich steht in Zeiten der Flüchtlingskrise das Thema „Grenzen“ wieder im Fokus. All das brachte den passionierten Wanderer Strack auf den Gedanken, die äußeren und inneren Ränder des Kreises abzuschreiten – eine Idee, die vor ihm sehr wahrscheinlich noch niemand hatte.

„Ich kannte schon alle möglichen offiziellen Wanderwege in der Region“, sagt er. „Nun wollte ich mal schauen, was abseits davon los ist.“ Die Neugier war nicht zuletzt beruflicher Natur. Strack ist Sprecher der Kämmerer im Rhein-Sieg-Kreis, sein Schreibtisch steht im Eitorfer Rathaus. Er wollte der Frage nachgehen, wie die Kreis-Bürger ticken, wie ihre Lebenswirklichkeit aussieht, welche Sorgen und Nöte sie umtreiben. Draußen, an den dünn besiedelten Rändern, ebenso wie in den Speckgürteln von Bonn und Köln.

Strack durchwanderte menschenleere Winterlandschaften in Windeck ebenso wie das Naafbachtal bei Lohmar, er stand auf der Drabender Höhe bei Much ebenso wie an den Kiesgruben der Rheinebene. Er erlebte landschaftlich Reizvolles wie die alten Vulkane Eulenberg und Dachsberg im Siebengebirge, die Wahner Heide und das Drachenfelser Ländchen.

Strack lernte viele Gesichter des Kreises kennen

Der Siegburger achtete bei seiner Routenplanung darauf, dass er den Grenzen möglichst nah kam. Relativ einfach war das auf der Tour zwischen Bonn und Alfter. Dort verläuft die Grenze seit der Kommunalreform 1969 mitten durch Wohnstraßen. Schwierig wurde es zwischen Troisdorf und Köln, wo die Trennlinie den Flughafen kreuzt. So musste der Wanderer ein ums andere Mal Umwege in Kauf nehmen.

Das, was er unterwegs zu Gesicht bekam, war oft überraschend und kurios. So wie zum Beispiel die Steinfiguren, die in einem einsamen Winkel des Bergischen Landes den Weg weisen. In einer rheinland-pfälzischen Exklave in Windeck stieß er auf ein Buddhistenkloster. In einem Voreifeldorf hinter Rheinbach machte gerade ein rollender Bäcker Station, der die wichtigsten Artikel des täglichen Bedarfs verkaufte. Vor allem an ältere Bewohner, die nicht mehr mobil sind. „Der hatte neben Brot und Tiefkühltorten auch Beileidskarten im Sortiment“, berichtet Strack.

Auf dem Land fand er verödete Dörfer, aber auch landwirtschaftliche Großbetriebe, Pferdekliniken, Hundepsychologen und – im beschaulichen Wachtberg-Pech – ein Fachgeschäft für Einbruchsschutz. Er sah Villenviertel, begegnete osteuropäischen Erntehelfern und kam mit Einheimischen ins Gespräch, die ihn auf einen Kaffee einluden.

Arm und reich, stinknormal und verblüffend: Strack lernte viele Gesichter des Kreises kennen. „Es ergab sich kein einheitliches Bild. Das Kreisgebiet ist landschaftlich, kulturell, sozioökonomisch und wirtschaftlich total heterogen.“ Und doch gibt es Gemeinsamkeiten. „Die Gegenden entlang der Bahnlinien und überregionalen Straßen prosperieren. Doch wenn man sich sechs, sieben Kilometer davon entfernt, wird es manchmal ziemlich einsam.“

Die letzte Etappe führte über 29 Kilometer von Weilerswist vorbei an Brühl und Wesseling nach Widdig. Sie dauerte viel länger als geplant: zwölf Stunden mit Hin- und Rückfahrt. Wie bei jeder Tour nutzte Klaus Strack den Öffentlichen Nahverkehr. Von Siegburg fuhr er mit seinem Begleiter Paul Schede über Köln nach Weilerswist.

Doch der Karnevalsauftakt und Baustellen ließen den Zugverkehr kollabieren, und der Zeitplan war dahin. Zwischendurch musste auch noch eine verirrte kenianische Cop23-Delegation mit Händen und Füßen zur Klimakonferenz nach Bonn gelotst werden. Auch Strack hatte diesmal Probleme, den Weg zu finden. „Was schief gehen konnte, ging schief“, berichtet der Grenzgänger, der über den chaotischen Trip inzwischen lachen kann. Aber selbst diese letzte Etappe war charakteristisch für die Region. Brauchtum, Internationalität, Verkehrsprobleme: Alles floss an diesem Tag hoch dosiert zusammen.

Meistgelesen
Hier sehen Mieter rot
Neues Luxus-Quartier in Bonn Hier sehen Mieter rot
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort