"Eine Stunde mit" Karosserie- und Fahrzeugbaumeister Heinz Decker-Conradi Erinnerungen auf vier Rädern

TROISDORF · Eintönigkeit kennt Heinz Decker-Conradi nicht, auch keine Routine und schon gar keine festen Arbeitsabläufe. Die einzige Regelmäßigkeit in der Karosserie- und Fahrzeugbauwerkstatt des 47-Jährigen in Spich ist die morgendliche Absprache, wer welche Aufgaben übernimmt.

 Nackt bis auf die Karosserie ist der Käfer, Baujahr 1953, den Heinz Decker-Conradi Schritt für Schritt wiederaufbaut.

Nackt bis auf die Karosserie ist der Käfer, Baujahr 1953, den Heinz Decker-Conradi Schritt für Schritt wiederaufbaut.

Foto: Holger Arndt

Denn außer ihm kümmern sich noch Kfz-Meister Bernhard Schulz und Mechaniker Stephan Kind um die Restaurierung von Oldtimern und Youngtimern, die Kunden aus der ganzen Welt dem kleinen Spezialbetrieb anvertrauen.

"Die kontaktieren uns, weil sie beispielsweise über Internetforen oder durch Mund-zu-Mund-Propaganda von uns erfahren haben", berichtet Heinz Decker-Conradi während er mit einer Schablone die Rückleuchte an einem VW "Ovali", Baujahr 1953, einpasst.

Der Wagen ist bis auf die Karosserie völlig "nackt". Der Firmeninhaber baut ihn Schritt für Schritt originalgetreu wieder auf. Einmal, erinnert er sich, sei eine Frau in Tränen ausgebrochen, als sie ihr "Familienmitglied" in ähnlichem Zustand erblickte: Einen VW-Cabrio, vollkommen entkernt und zerlegt.

"Das sind Kunden, die ihr Fahrzeug nicht als Wertanlage sehen, sondern ein besonderes Verhältnis zu ihnen haben", erklärt Heinz Decker-Conradi.

Durch Erinnerungen an das Auto selbst, den besonderen Geruch und die Geräusche oder an Erlebnisse mit dem jeweiligen Auto, das sie vielleicht als Jugendlicher selbst gefahren hätten. Jetzt wollten sie das Gefühl wiederbekommen und mit dem Oldtimer "entschleunigen und cruisen".

Viele Oldtimer, die in der Spicher Werkstatt landen, wirken desolat. Wie etwa der Wagen, der völlig zugemüllt, mit Wachs überzogen, aufgrund einer Fahrt im Karnevalszug mit Konfetti verklebt war und außerdem einen Unfallschaden erlitten hatte. "Wie komme ich aus der Nummer wieder raus", beschreibt Decker-Conradi seine erste Reaktion beim Anblick des Vehikels. Aber als der vermeintliche Schrotthaufen erst einmal gesäubert war, sei sein Zustand besser gewesen als erwartet.

Auf eine wahre Herausforderung ließ sich das Trio von der Autowerkstatt auch bei einem 1952er Chevrolet Pickup ein, der per Schiff aus den USA geliefert wurde. "Der stand auf einer Farm und diente als Zielscheibe. Wir mussten sämtliche Schusslöcher entfernen", erzählt der Chef, der fasziniert ist von der Geschichte der Fahrzeuge. Daher hat er sich auch vor 20 Jahren auf das Aufmöbeln alter Schätzchen spezialisiert.

Er geht zu seinem Mechaniker, der am Rückfenster eines Porsches 911, 1966er Baujahr, ein Blech einsetzt. Weniger zur Kontrolle, mehr um zu schauen, wie alles nach und nach Form annimmt. Der 911er ist ihm vertraut. Drei Stunden lang hat er an ihm geschweißt, ehe er sich dem VW-Käfer zugewandt hat. "Das ist ein echtes Schnäppchen", weiß Decker-Conradi. 10 000 Euro habe der Kunde für den heruntergekommenen Porsche gezahlt. "Wenn das Auto die Werkstatt verlässt, hat es einen Wert von rund 150 000 Euro."

Allerdings nur nach möglichst Original-Wiederherstellung. Ein Gutachter kontrolliere jeden Arbeitsschritt. Daher verwenden Decker-Conradi und seine Kollegen sogar Werkzeug, mit dem ursprünglich gearbeitet wurde. Auch wenn man das nach der - ebenfalls originalen - Lackierung, die extern erfolgt, gar nicht erkenne. Für die Besitzer, die ihr Auto als Anlageobjekt restaurieren ließen, sei das aber enorm wichtig.

Bernhard Schulz (67), der gerade jedes einzelne Teil der Porsche-Fahrwerktechnik aufarbeitet, kennt das Werkzeug noch aus eigener Lehrzeit: "Früher reichte eine Werkzeugkiste, heute gibt es für alles Spezialwerkzeuge", bemerkt er und Decker-Conradi ergänzt: "Mit einem Schlüssel konnte man damals fast einen kompletten Käfer auseinander- und wieder zusammenbauen."

Wenn Originalteile nicht mehr zu restaurieren sind, geht der Karosserie- und Fahrzeugbaumeister auf Internetsuche oder fertigt neue Teile in Handarbeit an. Zur Demonstration zeigt er den neuen Kotflügel für einen Jaguar XK 150, der langsam wieder so aussieht wie in seinem Baujahr 1959.

Drei bis vier Vollrestaurationen und etwa zehn Teilrestaurationen führt das Team pro Jahr aus. Das dauert und erfordert viel Zeit, auch bei der Teile-Recherche. Deshalb lässt Heinz Decker-Conradi seine Mitarbeiter jetzt allein und setzt sich an den Computer. "Mails checken, Angebote erstellen, recherchieren. Auch das Organisieren macht mir riesigen Spaß", sagt er und wirft einen letzten Blick auf einen abholbereiten Karmann-Ghia, 1974. Silberfarben, aufgemotzt und mit allen Schikanen. "Da hat sein Besitzer eine Menge reingesteckt", weiß der Fachmann und nickt anerkennend. Wohl auch aus Stolz über die eigene Leistung und die seines Teams.

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