Flutkatastrophen verhindern Experte befürchtet „Hochwasser-Demenz“

Hennef · Die in Hennef ansässige Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) berät Kommunen, wie sie sich auf Starkregen und Hochwasser vorbereiten können. Ein Experte erklärt, was künftig getan werden muss. Und befürchtet, dass viele Verantwortliche die Flutkatastrophe schnell vergessen.

 Kommunen müssen sich auf Überflutungen besser vorbereiten, sagt Friedrich Hetzel.

Kommunen müssen sich auf Überflutungen besser vorbereiten, sagt Friedrich Hetzel.

Foto: Polizei Thüringen

Vor wenigen Wochen noch war Friedrich Hetzel im Ahrtal wandern. Dementsprechend geschockt war er, als er die Bilder der Flutkatastrophe gesehen hat. Hetzel leitet die Abteilung Wasser- und Abfallwirtschaft bei der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA). Die politisch und wirtschaftlich unabhängige Organisation mit Sitz in Hennef setzt sich für eine nachhaltige Wasserwirtschaft ein, bildet fort, erarbeitet technische Regeln und berät die Politik.

Hetzel befürchtet, dass es nicht lange dauern wird, bis eine „Hochwasser-Demenz“ eintritt, wie er es nennt. Das heißt: Sobald die Schäden repariert und die Leute zurück in ihren Häusern sind, denkt niemand mehr an das Hochwasser. „Das Vergessen geht verdammt schnell“, sagt er, „das war in der Vergangenheit leider häufig so.“

Weiterbildung für Kommunen nötig

Dabei gäbe es viel zu tun: „Die Verantwortlichen müssen sich überlegen, wie sie wasserbewusste Siedlungsentwicklung endlich angehen“, sagt Hetzel und betont dabei das Wort endlich. Denn die Lösungen lägen schon lange vor. Es gebe genügend Vorreiter, insbesondere in Städten anderer Länder, etwa Utrecht in den Niederlanden oder der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Naturkatastrophen ließen sich nicht vermeiden, doch Schäden könnten reduziert und Zeit kann gewonnen werden, die bei der Evakuierung Leben retten kann.

Ganz konkret könnte das damit beginnen, dass Kommunen Angestellte auf dem Gebiet Starkregen und Überflutung weiterbilden. Dann könnte über Starkrisikokarten und Computermodelle simuliert werden, was bei einer bestimmten Niederschlagsmenge passiert: Wo sucht sich das Wasser seinen Weg? Wo sind die neuralgischen Punkte?

Manche Täler sind nicht für Siedlungen geeignet

„Das könnten Krankenhäuser, Kindergärten oder Altenheime sein“, erklärt Hetzel. „Oft sind es schon kleine bauliche Maßnahmen, die das Wasser zum Beispiel in einen Park leiten und so die Situation verbessern.“ Dabei dürfe es jedoch nicht darum gehen, den Regen nur abzuleiten. „Wasserbewusste Planung heißt, das Wasser im Kreislauf zu halten“, erklärt er. „Das schützt vor Starkregen und vor Trockenheit“ – denn auch die wird künftig zunehmen.

Schließlich müsse man sich auch überlegen, ob manche Täler überhaupt für Siedlungen geeignet sind. „Ja, das klingt hart, und vor 30 Jahren hätte sich auch noch niemand diese Frage gestellt.“ Die Verantwortlichen müssten nach diesen Erfahrungen überlegen, welche Baugebiete sie künftig noch ausweisen können. In manchen Regionen müsse hochwasserangepasstes Bauen zwingend vorgeschrieben werden.

„Erst zu reagieren, wenn die Katastrophe da ist, ist zu spät“

Der Experte bezweifelt jedoch, dass bei den Kommunen flächendeckend mehr Bewusstsein für das Thema einkehren wird. „Es ist ja immer dasselbe. Die Kommunen sind knapp bei Kasse und setzen andere Prioritäten.“ Dabei gibt es viele Angebote, wie Städte und Gemeinden sich besser vorbereiten könnten.

Die DWA etwa bietet eine Überflutungsvorsorge an, die unabhängig von einer konkreten Bedrohung Hochwasserkonzepte überprüft. „Wir bringen da alle Akteure an einen Tisch: Feuerwehr, THW, städtische Ämter sowie Bürgerinnen und Bürger“, erklärt Hetzel. Diese abteilungsübergreifende Zusammenarbeit sei oft noch keine gelebte Praxis. „Aber am Ende sind alle glücklich, weil sie Bescheid wissen und konkrete Handlungen mitnehmen.“

Eigentlich, sagt Hetzel, müssten Kommunen der DWA genau wie anderen Organisationen auf diesem Gebiet „jetzt die Bude einrennen“. Doch das passiere bislang nicht. „Es ist unglaublich, dass da nichts passiert.“ Er ist gespannt, ob sich das in den kommenden Wochen noch ändert. „Erst zu reagieren, wenn die Katastrophe da ist, ist zu spät.“

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