Eindrücke aus Insul Ein Tag als Helfer im Kreis Ahrweiler

Siegburg/Insul · GA-Leser Horst Wältring aus Siegburg war als Helfer im von der Flut schwer getroffenen Ort Insul im Kreis Ahrweiler. Er hat Möbel und Wände vom Schlamm befreit und schildert rückblickend die Situation vor Ort.

 Insul in Rheinland-Pfalz zwei Wochen nach der Flut.

Insul in Rheinland-Pfalz zwei Wochen nach der Flut.

Foto: dpa/Thomas Frey

Wir waren gut vorbereitet. Sandra, sie hatte mal in der Eifel gewohnt, kannte Ute. Ute ist eine der Betroffenen. Somit hatten wir eine direkte Ansprechpartnerin vor Ort. (Namen geändert)

Wir wussten, was wir mitnehmen mussten, für die Aufgaben, die uns erwarteten. Also Hochdruckreiniger, Tauchpumpe, Nasssauger und Reinigungswerkzeug eingepackt. Stiefel, Gummiwischer und Schrubber sind unabdingbar. Mit fünf Personen geht es los nach Insul, eine Nachbargemeinde von Schuld. Wir wissen nicht, was auf uns zu kommt. Wie sieht es dort aus? Kommen wir überhaupt an? Es ist zu vermuten, dass sich viele auf den Weg machen. Aber die Infos von Sandra über den besten Weg helfen uns weiter. Wir fahren auf der A 61 bis zum Abzweig Wehr. Dann Adenau. Von da aus nach Insul. Kein Stau. Kein Hindernis. Durch die Eifellandschaft über Berg und Tal. Etwas lang. Aber durchweg befahrbar. Dann aber kommen wir an ein Einfahrtverbotsschild. Wir erinnern uns an die Adresse, zu der wir unterwegs sind. Die ist nun mal in Insul. Also weiterfahren. Problemlos. Wir erreichen das Ahrtal. Erste Müllstapel werden sichtbar. Unglaublich, wie hoch das Wasser gestanden haben muss.

Feuerwehr-Einsatzwagen kommen uns entgegen. Wir sehen alle möglichen Kennzeichen. Osnabrück, Pinneberg, Landshut und, und, und. Wir fahren in den Ort. Sehen ein Schild: P für Helfer. Da weiß man doch, wo man hin muss. Wir gehen zu Fuß zu unserem Einsatzort. Das Chaos auf der Straße ist grandios. THW, Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr, Bagger, Transporter kreuzen unseren Weg. Auf der Straße ein brauner Schleier. Der Rest des Schlamms. Staub wirbelt auf.

Das hilfsbedürftige Haus steht offen. Tür herausgerissen. Einige Fensterscheiben geborsten. Wir telefonieren mit der Hausherrin. Die steht im Stau. Da sie im Haus nicht mehr bleiben kann, ist sie woanders untergekommen. Es kommen nur einige kurze Anweisungen und wir sollen schon mal anfangen, das Haus steht ja offen. Im Parterre empfängt uns ein vom Schlamm freigelegter Boden. Maschinen und Reinigungsgeräte stehen herum. Auf dem gefliesten Boden gibt eine braune Schicht nur ansatzweise die Sicht auf die Fliesen frei. Keine Möbel mehr, vermutlich alles hin. Wir betreten die Terrasse, die zur Ahr hin liegt. Wir sehen eine in Trümmern liegende Brücke. Wir sehen ein zur Hälfte eingestürztes Haus. Später sagt mir die Hausherrin, dass an der anderen Uferseite vier Häuser komplett fehlen. Sind einfach nicht mehr da. Weggespült mit allem, was darin war.

Wir sind darauf eingestellt, dass weder Strom noch Wasser ins Haus geliefert werden können. Zwei Stromaggregate und zwei Benzinkanister finden wir. Also zurück zum Parkplatz, unsere Geräte in ein Fahrzeug gepackt und samt Auto zum Einsatzort zurück. Inzwischen ist das Straßenchaos etwas abgeebbt und wir können das beladene Auto direkt vor dem Haus parken. Wir haben 60 belegte Brötchen mitgebracht. Gespendet. Die werden im provisorischen Versorgungszentrum gerne angenommen und im Laufe des Tages verteilt.

Wir suchen die Toiletten auf und stellen überrascht fest: Es gibt Wasser. Super. Dann entfällt das Installieren einer Schlauchleitung und der mitgebrachten Tauchpumpe, um Wasser direkt aus der Ahr zu pumpen. Dieses, in der Katastrophen-Nacht zu einem reißenden Strom angewachsene Flüsschen, fließt wieder sehr zahm in seinem angestammten Bett. Als wenn nichts gewesen wäre.

Im Haus finden wir den ziemlich neuen Kohleherd, den wir bitte vom Schlamm befreien sollen. Wir schieben ihn auf die total verdreckte Terrasse. Der Schlamm ist überall im Herd. Ich halte den Hochdruckstrahl minutenlang in alle Nischen. Es kommt immer noch braune Brühe heraus. Vielleicht ist es doch besser, den Schlamm erst heraus zu kratzen, um dann mit dem Hochdruckstrahl nachzuarbeiten. Gesagt, getan. In allen Ecken immer noch Schlamm. Erneut den Hochdruckstrahl in alle Ecken gehalten. Allmählich kommt klares Wasser aus dem Herd. Endlich. In den Heizkörpern sind auch noch Unmengen von Schlamm. Der braune Schlamm wandelt sich unter dem Strahl der Pumpen zu einer braunen Schlammbrühe. Mit dem Nasssauger wird diese Brühe aufgesaugt. Welch hilfreiche Werkzeuge. Eines der Stromaggregate streikt manchmal. Unsere Bemühungen, es wieder in Gang zu setzen scheitern letztendlich.

Plötzlich stehen zwei Männer in der Tür. In schwäbischem Dialekt hören wir: „Wir sind Elektriker, könnet mir irgendetwasch tun? Mir koschten nix.“ „Typische Schwaben“, denke ich, „erst mal die Kostenfrage klären.“ Wir verweisen sie an die inzwischen eingetroffene Hausherrin. Dann machen sie sich ans Werk, prüfen hier und schalten dort. Das Wunder geschieht: Wir haben Strom. Jetzt können wir auch den zweiten Hochdruckreiniger anschließen. Denn draußen liegen gut erhaltene Gegenstände, die voll sind mit braunem, lehmigem Schlamm. Die Heizkörper sind endlich schlammfrei. 

Der Hunger deutet auf die Mittagszeit. Wir gehen zum Versorgungszentrum. Da können wir uns an einen Tisch setzen und den mitgebrachten Nudelsalat und Brötchen essen. Wir bekommen Wasser und Kaffee – gut organisiert. Die Mittagspause ist kurz. Weiter geht es mit der Schlammentfernung. Allmählich kommt der Glanz der Fliesen wieder zum Vorschein. An den Wänden sieht man: Das Wasser stand schulterhoch im Raum. Auch dort ist der Hochdruckstrahl hilfreich.

Immer wieder erscheinen Leute, einfach um zu fragen, ob sie helfen können. Wir verweisen sie an die Hausherrin. Wir sehen Menschen, die anpacken, denen nichts zu viel ist. Sie sind freundlich und bieten Hilfe an. Welch ein Segen, denke ich. Es erscheint eine Gruppe von der Polizei. Auf dem Einsatzfahrzeug prangt ein Nummernschild aus Osnabrück. „Können wir helfen?“, fragen sie. Die Hausherrin spannt sie für das Ebnen der Gartenfläche vor der Terrasse und für das Ausräumen eines Schuppens ein. Die Polizei wird dem Spruch gerecht „dein Freund und Helfer“.

Wir arbeiten bis 17 Uhr. Dann fangen wir an, unsere Werkzeuge und Geräte ebenfalls vom Schlamm zu befreien und ins Auto zu packen. Am Boden und an den Wänden im großen gesäuberten Raum kann man unser vollbrachtes Werk sehen. Die Hausherrin ist sehr dankbar. Wir packen unsere Autos und fahren den gleichen Weg zurück, den wir gekommen sind. Froh über den sinnvollen und gut gelaufenen Einsatz kommen wir zu Hause an. Total erschöpft. Aber erfüllt.

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