Urteil im Bonner Landgericht Freispruch nach Messerattacke auf Rentner

Bonn/Siegburg · Ein Senior aus Siegburg wurde zum Opfer von Gewalt, als er einen Mann auf der Straße ansprach, der an Autotüren rüttelte. Der Angeklagte hat für die Tatzeit jedoch ein Alibi, das zu einer Videoaufzeichnung passt.

 Der Prozess fand im Bonner Langericht statt.

Der Prozess fand im Bonner Langericht statt.

Foto: dpa/Oliver Berg

„Wir wissen nicht, ob Sie die Tat begangen haben“, sagte die Vorsitzende Richterin und sprach den Mann auf der Anklagebank am Donnerstag direkt an. Wenige Minuten zuvor hatte Claudia Gelber den 39-jährigen Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Letztendlich war die Faktenlage für eine Verurteilung deutlich zu dünn – die Indizien dafür, dass es sich bei dem Angeklagten nicht um den Täter gehandelt haben könnte, überwogen.

Es ging um einen Vorfall, der sich am frühen Abend des 12. November 2019 in Siegburg vor dem Balkon eines heute 65-jährigen Rentners ereignet hat. Der Senior hatte beobachtet, wie ein dunkel gekleideter Mann die Straße entlanglief und immer wieder an den Türen verschiedener Autos rüttelte. Es entwickelte sich ein Wortgefecht, an dessen Ende der Rentner zu dem Mann hinunterlief und und wenig später Opfer einer Messerattacke wurde.

Besonders schmerzhaft war die Verletzung offenbar zunächst nicht, der Rentner versuchte sogar noch, den Täter zu Fuß zu verfolgen. Die rund zehn Zentimeter tiefe Wunde musste später im Krankenhaus operiert werden.

Angeklagter ist psychisch krank

Die Tat wurde zunächst vor dem Amtsgericht Siegburg angeklagt, das den Fall aber wegen einer mögliche Unterbringung in der Psychiatrie – der Angeklagte leidet an einer psychischen Erkrankung – an das Bonner Landgericht verwiesen hatte. Dort wurde das Verfahren zunächst nicht eröffnet, weil die Beweislage zu dünn schien. Dagegen wehrte sich die Anwältin des als Nebenkläger auftretenden Opfers vor dem Oberlandesgericht erfolgreich.

Der Rentner hatte den Angeklagten nie eindeutig identifizieren können. Das stärkste Indiz für eine Verwechslung ist der Zeitpunkt des Verbrechens: Exakt um 19.51 Uhr hatte die Ehefrau des Opfers den Notruf der Polizei erreicht. Nach Angaben des Rentners lag die Messerattacke da allerhöchstens eine gute halbe Stunde zurück.

Auf 19.51 Uhr ist allerdings auch der mehrfach überprüfte Zeitstempel am Ende einer Videosequenz datiert, die in einer rund 350 Meter Luftlinie entfernten Tankstelle entstanden war: Seit rund einer Viertelstunde hatte sich der Angeklagte dort mit Sicherheit aufgehalten und auch für die dem Video vorausgegangene Zeit hat er ein Alibi. Er war nämlich erst am Vortag aus einer psychiatrischen Klinik entlassen worden und auf der Suche nach einer Bleibe.

Im nahegelegenen Don-Bosco-Haus in Siegburg war er als Bonner mehrfach abgewiesen worden und der Hausmeister hatte die Polizei eingeschaltet. In diesem Zusammenhang war der Mann, bevor er die Tankstelle betreten hatte, kontrolliert worden. Der Angeklagte hätte die Tat folglich nur begehen können, wenn sie sich deutlich vor dem vom Opfer angegebenen Zeitpunkt ereignet hätte.

Wahrscheinlich hatten die Beamten den jetzt Freigesprochenen nach der Meldung des Messerangriffs schnell im Visier. Tatsächlich könnte der Angriff aber auch von einer anderen Person begangen worden sein. Die Ermittler fanden weder die Tatwaffe noch DNA-Spuren bei dem Angeklagten. Der 39-Jährige hatte zu den Vorwürfen stets geschwiegen.

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