Metzgereien in Bonn und der Region Für die Branche geht es um die Wurst

RHEIN-SIEG-KREIS · Adalbert Wolf ist Obermeister der Fleischerinnung der Region. Sein Handwerk hat keinen leichten Stand: 1998 listete die Innung in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis noch 199 Betriebe auf, aktuell sind es 46.

Es hätte auch alles ganz anders kommen können. Denn neben der durch den väterlichen Betrieb quasi geerbten Leidenschaft fürs Metzgerhandwerk, gab es beim jungen Adalbert Wolf einen weiteren Berufswunsch: Tierarzt. „Das hätte ich geschafft, aber ich habe mich für die sichere Existenz entschieden“, sagt der Mann aus Pech. Sieht man sich das Metzgerei-Sterben allein in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis an, würde er jetzt vielleicht anders entscheiden. 1998 listete die Fleischerinnung, deren Obermeister Wolf ist, 199 Betriebe auf, aktuell sind es 46.

Wer nun glaubt, diese Tatsache habe sich bei dem 54-Jährigen in Verbitterung niedergeschlagen, irrt. Stattdessen sagt er: „Wer heute noch eine Metzgerei hat, hat Ambitionen zu Individualismus.“ So finden sich bei ihm rund 70 eigene Wurstkreationen. Meist tragen sie regionale Namen wie beim Marienforster Hirschbierschinken. Ware vom Discounter ist für ihn nicht vergleichbar, kann qualitativ nicht mithalten. „Ich ordere mir ein Tierchen, der Discounter eine Million Stücke.“ Der passionierte Tischtennisspieler vergleicht den Kauf beim Großkunden mit einer Lotterie. Heißt: Es gibt einige gute, aber auch viele unterdurchschnittliche Fleischstücke.

Beim Metzger sei der Preis höher, dafür könne dieser garantieren, dass das Tier gut aufgewachsen und gut gefüttert worden sei. Selbst geschlachtet im 1961 gegründeten Betrieb haben sein Vater und er übrigens nie. „Anfangs waren wir Kunden in Bad Godesberg auf dem Schlachthof, dann in Bonn, Brühl und jetzt in Gerolstein.“ Bestellte man damals bei ortsansässigen Landwirten, handelt es sich heute um einen Pool von Bauern im Großraum Eifel. Per Telefon wird durchgegeben, welche Handelsklasse und welches Stück vom Tier benötigt wird. Aber was, wenn der Verbraucher anschließend trotzdem nicht zufrieden ist? „Wenn das Fleisch zäh ist, liegt es meistens an zu kurzer Reifezeit. Kommt so etwas öfter vor, fliegt der Bauer aus meinem Pool heraus“, sagt Wolf bestimmt.

Er ist ein Freund klarer Worte. Zum Beispiel beim Thema Vegetarier. „Wir können auch vegetarisch“, schickt er in Bezug auf sich und seine Kollegen vorweg. So gibt es im Pecher Geschäft zur Grillsaison stets Kartoffel-Gemüse-Spieße. Eine vegetarische Ecke schließt Wolf für die Zukunft ebenfalls nicht aus. Doch dann kommt das Aber. „Ich habe Probleme damit, wenn wie bei veganen Schnitzeln oder vegetarischen Schinkenspickern unsere Begrifflichkeiten verwendet werden.“ Was ihm fehlt, ist die Transparenz, die seine Kollegen und er bei jeder Produktion vorweisen müssen. „Wie kann es sein, dass in unserer Kalbsleberwurst mehr als 50 Prozent Kalbsleber enthalten sein muss, auf der anderen Seite aber vegane Kalbsleberwurst in den Verkauf gelangen darf?“ Er wäre da beim veganen Schnitzel eher für Lupinenhappen.

Jeder Schritt wird penibel dokumentiert

Die Bürokratie, die er hier vermisst, macht seinen Kollegen und ihm im Alltag dagegen das Leben schwer. „Wissen Sie, die Fleischwurst produziere ich heute wie früher gleich, aber sie ist gläsern.“ Was der Ur-Wachtberger damit meint, liegt vor ihm auf dem Küchentisch der Metzgerei. Ordner um Ordner, in denen jeder Schritt penibel dokumentiert wird.

Da wäre zum Beispiel die Prüfung der Kerntemperatur, die ihn nur müde lächeln lässt. „Ich nehme die Wurst doch nicht mit einem weichen Kern aus dem Topf, das würde eine Hausfrau bei einem Kuchen ja auch nicht machen“, ärgert er sich. Oder die ständigen Ladenkontrollen, bei denen ein Maßnahmenkatalog von 120 Punkten abgearbeitet werden muss. „Wehe, sie haben da auch nur einen sauberen Lappen auf der Theke liegen“, kritisiert er in seinen Augen unsinnige Vorgaben der EU. Wie das wohl die Kollegen in anderen EU-Ländern handhaben, möchte er lieber unkommentiert lassen. Wolf ist zwar seit Kurzem auch Landesinnungsmeister und steht als solcher in ständigem Kontakt zu Verbraucherminister Johannes Remmel. Einfluss auf Gesetze aber gibt es nicht. Wobei es ihm schon reichen würde, wenn nicht immer nur Theoretiker an entscheidenden Stellen säßen. „Die kommen direkt aus dem Studium in den Job und wollen mir als Praktiker sagen, was richtig ist“, sagt er nun doch etwas verbittert. Wobei es schon die eigene Branche schwer hat, Nachwuchs zu finden. In puncto Ausbildung, so gesteht er, habe man die Zeichen der Zeit nicht erkannt. „Uns haftet das Image 'dumm, stark, Tiere totmachen' an, dabei braucht es für den Fleischerjob eigentlich mindestens einen mittelmäßigen Realschüler“, so Wolf.

Dass er selbst vor allem in Sachen Kalkulation als gutes Beispiel herhalten darf, zeigt sein Betrieb mit immerhin sieben Angestellten. Er hat ihn auf viele Füße gestellt, um Ausfälle ausgleichen zu können. Neben dem, was man beim Metzer erwartet, gibt es noch Partyservice, Lieferung und Fertigprodukte oder solche, die Leute mit wenig Zeit einfach vorgewürzt in die Pfanne werfen.

Wolf selbst setzt aufs Selbermachen, ist begeisterter Koch. Wäre man eingeladen, könnte zum Beispiel Drachenfelsschinken mit Kruste, Kartoffelgratin und Krautsalat auf dem Tisch stehen, gefolgt von einem kalten Bier. Zehn Jahre will er trotz mancher Widrigkeiten noch weitermachen. Ob sein Sohn Christian in seine Fußstapfen tritt, weiß der Vater nicht. Den sechsjährigen Nachwuchs interessieren momentan eher Fußball und Gesellschaftsspiele.

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