Spagat zwischen Tradition und Moderne Funken Blau-Weiss Siegburg feiern 160. Geburtstag

Siegburg · Die Siegburger Funken Blau-Weiss blicken auf eine 160 Jahre währende Vereinsgeschichte zurück. Die Anfänge liegen in der heutigen Kolpingsfamilie Siegburg, die im Oktober 1854 als „Katholischer Gesellenverein“ gegründet wurde.

 „Löstige Bröder“ nannte sich die Karnevalsgruppe der Siegburger Kolpingsfamilie, aus der 1900 die uniformierten Stadtsoldaten hervorgingen.

„Löstige Bröder“ nannte sich die Karnevalsgruppe der Siegburger Kolpingsfamilie, aus der 1900 die uniformierten Stadtsoldaten hervorgingen.

Foto: Siegburger Funken Blau Weiß

Wenn die Offiziere des 2. Knubbels in ihren blau-weißen Uniformen in die Säle einziehen, leben sie die Tradition ihrer Gründungsväter: Beim Funkenmarschtanz wibbeln sie statt zu exerzieren, reiben beim „Stippeföttche“ ihre Hinterteile aneinander und lassen tanzend ihre „Zabel“ (Säbel) rasseln und ihre Knabbüß (Knallbüchse) klingen – pure Persiflage auf das preußische Militär. In der liegt der organisierte rheinische Karneval begründet – und der fühlen sich die Siegburger Funken Blau-Weiss auch 160 Jahre nach ihrer Gründung verpflichtet. Zugleich schafft Siegburgs älteste Karnevalsgesellschaft den Spagat zwischen Tradition und Moderne – und hat den Wandel von der reinen Herren- zur Familiengesellschaft gemeistert.

Davon zeugen mehr als 400 Mitglieder im blau-weißen Funkencorps, darunter 280 Uniformierte in den verschiedenen Abteilungen. „Nicht selten haben wir ganze Familien in unserem Corps“, hebt Funkensprecher Klaus Stock hervor. Seine Familie ist ebenfalls seit Generationen mit den Blau-Weißen verbunden: Großvater Josef Stock war das letzte männliche Mariechen, das vor dem Zweiten Weltkrieg für die Funken tanzte. 1934 verboten die Nationalsozialisten diese wie auch die männlichen Jungfrauen im Dreigestirn als „abartig“ – und so sprang Stocks Großtante Elisabeth Poland als erstes weibliches Mariechen in der Geschichte der Blau-Weißen ein. Inzwischen tanzen Stocks Töchter in der Funkenjugend.

Blick zurück auf die Anfänge

Den 160. Geburtstag nutzen die Siegburger Funken für einen Blick zurück auf ihre Anfänge. Die liegen in der heutigen Kolpingsfamilie Siegburg, die im Oktober 1854 als „Katholischer Gesellenverein“ gegründet wurde. Ab 1855 gab es dort einen „Pfeifenclub“, der an den Karnevalstagen humoristische Familienabende und Maskenbälle organisierte. 1859 gründete die Kolpingsfamilie ihre eigene Karnevalsgruppe – die sich zunächst „Dat halt für Dech“ und später „Löstige Bröder“ nannte, Sitzungen veranstaltete und am Siegburger Rosenmontagszug teilnahm.

Aus ihnen entstanden 1900 die in den Stadtfarben blau und weiß uniformierten Stadtsoldaten, aus denen später das Corps der Siegburger Funken Blau-Weiss hervorging. An deren erste Sitzungen und „carnevalistischen Abendunterhaltungen“ erinnern „Protokolle der Narretei“. Zum Jubiläumsjahr 2009 haben die Funken diese zusammen mit Pater Mau (der inzwischen verstorbene Benediktinerpater Mauritius Mittler) aus der Sütterlin- in lateinische Schrift übersetzt.

Die Parodie auf die Obrigkeit behielten die Funken auch während des Dritten Reiches bei, was einen Jeck ins Gefängnis brachte: Er hatte auf der Bühne Adolf Hitler parodiert. „Während des zweiten Weltkrieges ruhte der Karneval in Siegburg“, berichtet Klaus Stock. Den Neuanfang gestalteten nach dem Krieg fünf Funken aus dem alten Elferrat. Und sie mussten ganz von vorne beginnen: Beim Luftangriff auf Siegburg Ende 1944 hatte eine Bombe das Depot der Funken am Herrengarten und damit die Ausrüstung des Corps zerstört.

Viele Anekdoten aus 160 Jahren

Ähnliches widerfuhr den Funken vor zehn Jahren am Ende ihres Jubiläumsjahres. In der Nacht zum Nikolaustag 2009 brannte ihre Halle in den Kaldauer Feldern nieder. Das Feuer zerstörte den fertigen Prunk- wie auch den Imbisswagen, Materialien und Dekorationen. „Es ist dem großen Zusammenhalt unser Gemeinschaft zu verdanken, dass wir den Neuanfang geschafft haben“, sagt Stock. Alle, egal welchen Alters, hätten mit angepackt, einen neuen Wagen und später eine neue Halle gebaut. Zudem sei die Anteilnahme und Unterstützung durch die Siegburger groß gewesen. Eine Erfahrung, die die Funken neben ihren sportlichen Erfolgen bestätigt hat in ihrem ehrenamtlichen Engagement. Dazu zählen auch die „Verhaftungen“ während der Karnevalstage: Die Gefangenen können sich gegen ein Lösegeld freikaufen – Geld, das die Funken für karitative Zwecke spenden.

Anekdoten haben sich in 160 Jahren viele angesammelt. Da ist Hans Klöfer, der es 1960 als letztes männliches Mariechen – seit 1962 sind sie auch bei den Blau-Weißen weiblich – gar in die überregionalen Nachrichten und ins Fernsehen schaffte. Die Funkenhose, die auf der Fahrt zum Auftritt im Bus platzte, genäht wurde – und dazu führte, dass ein Funke am Rastplatz zurückblieb. Die Tatsache, dass die Höhner die Siegburger Funken 1982 in ihrem Lied „Lach doch ens“ erwähnten. Oder auch, dass die Funken sich seit Ende der 1990er Jahre mit ihren Marketenderinnen gewissermaßen selbst parodieren: Mit Frauen, die in Uniformen schlüpfen. Und es werden noch viele weitere hinzukommen, da ist sich Klaus Stock sicher.

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