Überlastete Notfallambulanzen Immer mehr Notrufe wegen Bagatellen im Rhein-Sieg-Kreis

Rhein-Sieg-Kreis · Die Notrufnummer 112 wird immer öfter selbst bei Bagatellen gewählt und überlastet die Notfallambulanzen und die Rettungsleitstelle des Rhein-Sieg-Kreises. Deshalb wirbt die Initiative „Mitten im Leben“ für die Notrufnummer 116117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes.

Überfüllte Notfallambulanzen, steigende Einsatzzahlen – die Arbeitsbelastung von Rettungskräften im Rhein-Sieg-Kreis steigt stetig. Ein Grund: Immer mehr Menschen wählen selbst bei minderschweren Erkrankungen die Notrufnummer 112.

Mit einem Transparent, das künftig an öffentlichen Stellen in den östlichen Kommunen des rechtsrheinischen Kreises zu sehen sein wird, möchte die Initiative „Mitten im Leben“ dieser Entwicklung entgegentreten. Der Arbeitskreis ist eine Initiative des Vereins „kivi“ zur Förderung der Gesundheit im Rhein-Sieg-Kreis. Das Werbebanner soll helfen, die kostenfreie Rufnummer 116117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigungen bekannter zu machen. Unter der Telefonnummer erhalten Patienten medizinische Hilfe, auch wenn die Praxis des Hausarztes geschlossen ist. Sie müssen somit nicht sofort eine Notaufnahme aufsuchen oder den Rettungsdienst rufen, wenn ihre Erkrankung nicht lebensbedrohlich ist oder starke Schmerzen verursacht.

„Wir haben leider unter der Notrufnummer eine beträchtliche Anzahl von Anrufern, zu denen dann eventuell sogar ein Notarzt entsendet wird, obwohl es aufgrund der Schwere der Erkrankung nicht nötig gewesen wäre“, erklärte Christian Diepenseifen, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Rhein-Sieg-Kreis, bei der Vorstellung des Werbebanners im Historischen Ratssaal des Hennefer Rathauses.

Verständnis für die Anrufer

Immer wieder passiere es zum Beispiel, dass Menschen selbst bei einer dicken Erkältung die 112 rufen – eine „klassische Fehlfahrt“, wie Martin Bertram, Chef der Kreisleitstelle, auf GA-Anfrage erklärte. Das Problem: Wenn Erkrankte auf Nachfrage des Einsatzbearbeiters in der Leitstelle zum Beispiel eine Atemnot angeben, ist sofortiges Handeln gefragt. „Das System wird ausgehebelt“, so Bertram. Bagatelleinsätze binden Rettungsmittel. Hinzu komme, dass eine Einsatzfahrt aufgrund der gewachsenen Verkehrsdichte heute länger dauert als noch vor einigen Jahren. Allerdings habe er auch Verständnis für die Anrufer. In ihrer Wahrnehmung schätzten sie ihre Situation als Notlage ein, so Bertram. Zudem fänden Menschen heutzutage weniger sozialen Halt, etwa bei Nachbarn, durch Freunde oder Familie in der nahen Umgebung. Hier springe dann der Rettungsdienst als letzte Instanz ein.

Unter der Rufnummer 116117 informiert medizinisch geschultes Personal bundesweit, welcher Arzt in der Umgebung Bereitschaftsdienst hat und wo sich die nächste Bereitschaftspraxis befindet. Ist es Patienten nicht möglich, den Weg in eine Praxis auf sich zu nehmen, entsenden die Mitarbeiter einen Arzt des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, wie Jacqueline Hiepler, Allgemeinmedizinerin aus Hennef und Mitglied des Arbeitskreises, erklärte. In der Regel könnten sie im rechtsrheinischen Kreis, je nach Einsatzort, in 30 bis 50 Minuten zur Stelle sein. Doch nicht nur eine Entlastung der Rettungskräfte erhofft sich der Arbeitskreis. „Die Rufnummer kann auch Hospitalisierung vermeiden und so die Behandlungsqualität der Patienten zusätzlich verbessern“, sagte Diepenseifen. Unter Hospitalisierung versteht man negative Folgeerscheinungen durch Aufenthalt in einer Klinik.

Bereits seit acht Jahren werde die Rufnummer angeboten, bisher sei sie aber nur rund einem Drittel der Bevölkerung bekannt, so Hiepler. Auch Martin Bertram begrüßt die Werbung für die 116117. Allerdings sieht er noch Verbesserungspotenzial des Angebotes. Seiner Ansicht nach wäre es ideal, wenn sowohl Notrufe unter der 112 als auch Anrufe unter der 116117 zentral in der Leitstelle mit Hilfe des Systems zur Einsatzkoordinierung bearbeitet würden. In Pilotprojekten in Landkreisen in Ostwestfalen werde dies bereits erprobt. Auf diese Weise können Rettungsmittel noch effizienter entsendet werden. Bisher werden die Fälle des ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Rhein-Sieg-Kreis von einem Callcenter in Duisburg bearbeitet.

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