Bürgermeister üben Kritik Ist der Kreis bei der Verfolgung von Corona-Kontakten zu langsam?
Rhein-Sieg-Kreis · Die Corona-Kontaktverfolgung durch das Kreisgesundheitsamt dauert aus Sicht der Rhein-Sieg-Kommunen zu lange. Landrat Sebastian Schuster sieht aktuell jedoch weder einen Personalengpass noch Rückstände in der Kontaktverfolgung.
. Der Rhein-Sieg-Kreis hat 120 Vollzeitkräfte aus den kommunalen Verwaltungen angefordert, aber bisher nicht abgerufen. Was dahinter steckt: Schon vor zwei Wochen hatten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der 19 Kommunen dem Kreis Personal im Umfang von 120 Vollzeitstellen zur Verfügung gestellt, um dem Kreisgesundheitsamt bei der Ermittlung von Kontaktpersonen von Coronavirus-Infizierten zu helfen, die zurzeit besonders wichtig ist.
Die Bezirksregierung hatte in ihrem Lagebericht vom Dienstag zunächst ein Organisationsverschulden des Kreises vermutet, sich dafür aber inzwischen entschuldigt. Am Mittwoch meldete der Kreis für den neuen Lagebericht, dass es aktuell keine Bearbeitungsrückstände bei der Nachverfolgung von Kontaktpersonen gebe. Die Bezirksregierung bezeichnete ihre Formulierung aus dem Lagebericht am Mittwochnachmittag als „irrtümliche Schlussfolgerung“. Auch gegenüber den Bürgermeistern stellt Schuster in einer Rundmail fest, „dass – entgegen einer Meldung über einen angeblich bestehenden Personalengpass in der Kontaktverfolgung – derzeit ein solcher Personalengpass in der Kreisverwaltung nicht besteht. Ferner gibt es aktuell keine Rückstände in der Kontaktverfolgung.“
Für Stefan Raetz, Bürgermeister von Rheinbach und Sprecher der Bürgermeister im Kreis, ist es trotzdem nicht nachvollziehbar, warum das Personal aus den Kommunen bisher nicht abgerufen wurde und weiter auf seine Einweisung wartet. „In der Kontaktpersonenverfolgung sind wir noch nicht optimal aufgestellt“, sagte Raetz dem GA. Auch sein Kollege Klaus Schumacher ist verwundert: „Die Stadt Sankt Augustin hat entsprechend der Vorgaben des Landes dem Kreis in einer Telefonkonferenz zugesichert, zwölf Vollzeitäquivalente zur Verfügung zu stellen. Diese wurden bisher nicht abgerufen.“ Bad Honnef benannte fünf Mitarbeiter, die auf ihren Einsatz warten.
Quarantäneverfügungen teils erst nach Ablauf der Quarantäne
Raetz berichtete von einem ähnlichen Fall wie kürzlich in Sankt Augustin, wonach das Rheinbacher Ordnungsamt eine Quarantäne-Verfügung erst zustellen konnte, als die Quarantäne des Betroffenen schon fast abgelaufen war. Dem GA liegen weitere Beispiele vor, wo die Quarantäneverfügung die betroffenen Personen erst erreichte, nachdem die 14-tägige Zeit schon abgelaufen war.
„Die Bürgermeister sind stinksauer, weil sie die Daten vom Kreisgesundheitsamt zu spät bekommen“, sagte Raetz. Das müsse schneller klappen, „dafür stellen wir auch gerne das Personal zur Verfügung“. Aktuell seien 16 Mitarbeiter des Kreisgesundheitsamtes mit der Verfolgung von Kontaktpersonen der Kategorie 1 – also Personen, die engen Kontakt zu einem Infizierten hatten, – beschäftigt. „Jeder Tag ist entscheidend, ob wir den Kampf gegen Corona gewinnen oder nicht. Wir sehen die Probleme des Kreises und wir sehen den Bedarf, den Kreis zu unterstützen“, sagte Raetz. Es gehe jetzt darum, in der Kontaktverfolgung besser und schneller zu werden.
„Ordnungsämter arbeiten praktisch rund um die Uhr“
„Wir können die Ordnungsverfügungen ja erst rausschicken, wenn wir durch das Gesundheitsamt informiert werden. Da gibt es Fälle, wo dies erst kurz vor oder auch erst kurz nach Ablauf der Quarantänezeit geschehen ist“, sagte auch Bad Honnefs Bürgermeister Otto Neuhoff. „Wenn beispielsweise das Gesundheitsamt und die Heimleitung die Kommune nicht unmittelbar informieren, können wir auch nicht unterstützend tätig werden. So haben wir dank der schnellen Meldung aus dem Franziskus-Haus entsprechend schnell reagieren und ehrenamtliche Helfer für die Pflege vermitteln können. Ich bin zwar als Bürgermeister formal nicht zuständig, fühle mich aber in der Pflicht, Schaden von meinen Bürgern abzuwenden.“
Zudem hätten die Kommunen ihre Ordnungsämter praktisch sieben Tage die Woche rund um die Uhr besetzt, heißt es. Die Mitarbeiter des Rheinbacher Ordnungsamtes sind laut Raetz auch am Wochenende im Dienst und können Ordnungsverfügungen binnen Stunden zustellen. Das bestätigen auch Schumacher und Neuhoff. „Die Stadt Sankt Augustin hat eine Übersicht über alle Quarantäneanordnungen. In dieser Liste ist vermerkt, wann die Mitteilung vom Kreis kam, für welchen Quarantänezeitraum eine Quarantäne anzuordnen ist und wann die Quarantäneverfügung von uns erstellt wurde“, sagte Ali Dogan, Operativer Leiter des Krisenstabs bei der Stadt Sankt Augustin. Die Stadt könne festhalten, dass in der Regel zwischen Meldung vom Kreis und Zustellung der Ordnungsverfügung maximal ein Tag liege. „Die Zustellung erfolgt durch den Ordnungsaußendienst, der diese Botengänge übernimmt“, so Dogan.
Neuhoff hat durchaus Verständnis dafür, dass zu Beginn der Krise nicht alles rundgelaufen sei. „Das war eine Phase der Orientierung. Richtig ist, dass wir alle unvorbereitet mit der Pandemie konfrontiert wurden. Die Warnungen des Robert Koch-Instituts von 2012 sind offenbar von niemandem in Deutschland ernst genommen worden. Das war der eigentliche Urknall der Versäumnisse. Und da mag die Organisation nicht nur beim Kreis tatsächlich auch überfordert gewesen sein“, so der Bürgermeister. „Für uns Kommunen ist schwierig, dass nicht gewährleistet ist, dass wir frühzeitig über aktuell auftretende Corona- und Verdachtsfälle informiert werden.“
Kreis: Krisenmanagement und Kommunikation zufriedenstellend
Laut Kreissprecherin Rita Lorenz führt der Landrat wöchentlich intensive und detaillierte Telefonkonferenzen mit allen Hauptverwaltungsbeamten im Rhein-Sieg-Kreis durch. „Wenn es derartige Probleme geben würde, dann würden sie in diesem Gremium besprochen, und es würde Abhilfe geschaffen“, so Lorenz. Und weiter: „Wir gehen davon aus, dass wir ein alle zufriedenstellendes Kommunikations- und Krisenmanagement haben.“
Unterdessen hat der Landrat in einer internen E-Mail an die Bürgermeister im Kreis angekündigt, dass eine für die dezentrale Nachverfolgung einsetzbare Software beschafft wird. Sobald diese installiert sei und das Personal der Kreisverwaltung erste Erfahrungen gesammelt habe, „werden wir die von Ihnen benannten Mitarbeiter darin schulen. Ein Umsetzungskonzept ist in Arbeit, damit wir alle zusammen auch bei möglicherweise bald wieder steigenden Zahlen handlungsfähig bleiben“, so der Landrat in dem Schreiben.
Insgesamt ist der Sprecher der Bürgermeister Stefan Raetz mit der Zusammenarbeit untereinander und mit dem Kreis zufrieden. „Wir stimmen uns sehr gut und regelmäßig ab“, sagte Raetz und nannte das einheitliche Vorgehen bei der Öffnung der Rathäuser als Beispiel.