SKM Rhein-Sieg legt Jahresbericht 2022 vor Immer mehr Wohnungslose sind psychisch krank
Rhein-Sieg-Kreis · In seinem aktuellen Jahresbericht blickt der Katholische Verein für Soziale Dienste (SKM) für den Rhein-Sieg-kreis zurück auf seine Arbeit im vergangenen Jahr. Die Wohnungslosenhilfe berichtet von einer steigenden Zahl an Klienten, die psychisch erkrankt sind.
Es ist eine Premiere und die fällt just mit einer Panne zusammen: Zum ersten Mal hat der Katholische Verein für soziale Dienste im Rhein-Sieg-Kreis (SKM) seinen Jahresbericht digital erstellt – und nun ist seine Homepage wegen einer technischen Störung, die mehrere Seiten im Erzbistum Köln betrifft, aktuell nicht erreichbar. „Das Magazin ist aber über einen Link der Facebookseite des SKM Rhein-Sieg aufzurufen“, sagt die Vorstandsvorsitzende Monika Bähr. In alter Gewohnheit fasst der Bericht zusammen, was die 100 hauptamtlichen und rund 500 ehrenamtlichen SKM-Mitarbeiter 2022 in insgesamt sechs Fachbereichen beschäftigt hat. In der Wohnungslosenhilfe etwa zeichnet sich ab, dass immer mehr Hilfesuchende psychisch erkrankt sind.
„Die Zahlen gehen hoch“, hält Bert Becker, der den Fachbereich Wohnungslosenhilfe zusammen mit Dominik Schmitz leitet, bei der Magazin-Vorstellung generell fest. 2021 hätten insgesamt 176 Menschen die Notschlafstelle im Siegburger Don-Bosco-Haus genutzt. Im vergangenen Jahr seien es 200 Personen gewesen, in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres nun schon 134. „Wir haben jetzt schon insgesamt 2000 Übernachtungen, bis zum Jahresende werden es vermutlich 4000 sein“, sagt Becker.
Auffällig sei, dass ein nicht unerheblicher Teil der Hilfesuchenden eine psychische Erkrankung habe. „Als ich angefangen habe, waren noch Alkohol und Drogen das Hauptproblem“, so Becker. Inzwischen sei das Problem nicht mehr so einfach auzumachen. In diesem Jahr seien bislang 35 Prozent der Klienten und Klientinnen offensichtlich psychisch krank und nur schwer krankheitseinsichtig gewesen. Meist sei die Erkrankung eine Folge von gesundheitsgefährdendem Drogenkonsum. Der Seewolf Studie zufolge handele es sich oft um schizophrene Störungen, aber auch um Angststörungen oder Depressionen und Manien.
„Die Arbeit mit psychisch Erkrankten nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und bindet die Mitarbeiter sehr“, schildert Monika Bähr, welche Probleme das für die tägliche Arbeit der Wohnungslosenhilfe mit sich bringt. Vor wenigen Tagen habe ein Klient in der Geschäftsstelle gestanden, erzählt die Vorstandsvorsitzende. Sie habe eine halbe Stunde gebraucht, um herauszufinden, worum es dem Mann überhaupt gegangen sei. „Er hat sehr wirr und für mich unverständlich gesprochen“, sagt Bähr. Erst nach einiger Zeit habe sie erfahren, dass er bislang bei seiner Schwester im Keller gewohnt, diese ihn nun aber vor die Tür gesetzt hatte und er schlicht einen Platz zum Schlafen suchte.
Schwierigkeiten, sich an Regeln zu halten
„Angehörige und Freunde wissen irgendwann nicht mehr mit der Erkrankung umzugehen“, sagt Becker. Deswegen landeten viele Betroffene irgendwann auf der Straße. „In einer Gemeinschaftseinrichtung sind sie aber langfristig nicht tragbar“, sagt Dominik Schmitz. Für die anderen Klienten, aber auch für sich selbst. „Es erfordert ein Höchstmaß an Anstrengung, sich an die Regeln in der Einrichtung zu halten und sich anzupassen“, erklärt er.
Das kann Varressa Lombardi-Boccia aus ihrer Arbeit bestätigen. Sie ist in der aufsuchenden Arbeit der SKM-Wohnungslosenhilfe unterwegs und dabei unter anderem an zwei festen Tagen in den Obdachlosenunterkünften in Lohmar und Hennef anwesend. In einer der beiden Einrichtungen habe zuletzt einer der Bewohner die halbe Einrichtung zerlegt. „Nachher erklärte er, der Teufel habe ihm das befohlen“, sagt die Sozialpädagogin. Der Mann habe in der Folge ein zeitweises Hausverbot erhalten und sei dadurch dann in die Notschlafstelle gekommen. „Das andere Setting hilft kurzfristig“, weiß Bert Becker zu berichten. Sei aber keine Dauerlösung.
Herausforderungen haben sich verändert
„Es gibt nur unzureichend Schnittstellen zwischen den verschiedenen Hilfesystemen“, sagt Dominik Schmitz. Ohne eine Krankheitseinsicht könne etwa ein Arzt nicht viel ausrichten. Und ohne einen Betreuer sei es schwer, nachzuhalten, ob Medikamente regelmäßig eingenommen werden. Die Folge der zunehmenden psychischen Erkrankungen sei eine große Unruhe in den Einrichtungen. „Um eine Lösung zu finden, muss man auf das große Ganze gucken“, sagt Schmitz. Ideal wäre etwa eine neue Anlaufstelle für die schwierigen Fälle.
„Die Herausforderungen haben sich verändert“, hält Monika Bähr fest. Zum einen fehle es nach wie vor an passendem Wohnraum. Hinzu kommt der Fachkräftemangel: „Es gibt gar nicht genug geeignetes Personal, um alle Hilfesuchenden versorgen zu können“, ergänzt Dominik Schmitz. In der Wohnungslosenhilfe sei etwa eine Sozialarbeiterstelle seit drei Monaten unbesetzt: „Bislang haben wir nicht eine adäquate Bewerbung erhalten“, sagt er. „Und es gibt viel zu wenig Therapieplätze“, sagt Monika Bähr mit Blick auf die zunehmende Zahl an psychisch Erkrankten in der Wohnungslosenhilfe. „Früher hieß es immer, die Leute gehen auf der Straße kaputt“, sagt Bert Becker. „Heute landen manche auf der Straße, weil sie psychisch krank sind.“
Das SKM-Jahresmagazin ist auf Facebook aufzurufen. Interessierte können sich auch per E-Mail an skm@skm-rhein-sieg.de wenden.