Traditions-Kneipe Jeder Siegburger trat im "Fass" an
SIEGBURG · Seit 120 Jahren besteht das Gasthaus "Zum Fass" an der Siegburger Luisenstraße. Es hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich und eine lange Besitzer-Tradition. Zum Jubiläum gibt es nun ein großes Fest.
Jeder ältere Siegburger ist sie herauf- und wieder heruntergelaufen. Und in den 50er Jahren musste die Treppe in den ersten Stock der Gaststätte "Zum Fass" erneuert werden. Zu ausgetreten waren die Stufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg residierten in dem Prachtbau an der Siegburger Luisenstraße nämlich die Amerikaner.
Und in deren Büros musste sich nach dem Zweiten Weltkrieg jeder Bürger Siegburgs melden. Da hatte das Haus schon gute fünf Jahrzehnte auf dem Buckel. Nun sind es gar 120 Jahre. Am Samstag, 27. Juli, wird der runde Geburtstag rund um das "Fass" an der Luisenstraße 1 gefeiert.
"Die Stufen waren komplett abgelaufen", sagte Bernd Ilbertz, Enkel von Karl und Mathilde Bleifeld, die nach Siegburg kamen in jenen Zeiten, als Mann noch mit Schlips und Hut in die Kneipe ging. Als in gutbürgerlichen Gaststätten Hochzeiten und Taufen gefeiert wurden. Als die ganze Familie mithalf, wenn es darum ging, aufs Beste zu bewirten. Zu jener Zeit, 1927, hatte der Bleifeld, Buchhalter einer großen Zeche im Ruhrgebiet, seine kohleschwere Heimat verlassen, weil seine Tochter unter Asthma litt.
Er kaufte das Gasthaus "Zum Fass" an der Luisenstraße vom ehemaligen Schulrektor Ferdinand Becker. Dieser hatte das Haus 1893 bauen lassen, als Gaststätte für die Reisenden auf der damaligen Provinzialstraße zwischen Köln und Altenkirchen. Heute sind Bleifelds Enkel, Bernd Ilbertz, und Stefan Gajzi, dessen Schwiegermutter eine geborene Bleifeld ist, für den Betrieb verantwortlich.
"Wir sind tatsächlich in der dritten Generation Wirte im Fass", sagte Ilbertz nicht ohne Stolz. Das Haus hat einiges mitgemacht in den vielen Jahren seines Bestehens, war Wehrmachtsquartier, danach Kommandozentrale der Amerikaner. Zu dem Zeitpunkt war Karl Bleifeld bereits acht Jahre tot, seine Witwe heiratete den Obst- und Gemüsehändler Jean Müller.
"Für unser Gasthaus war das natürlich genau der richtige Mann, gerade in der Nachkriegszeit. Hier wurde viel gemaggelt, aber dafür stand die Küche auch immer unter Dampf", erinnert sich Ilbertz. Aber es wurde auch viel gefeiert: Die Fußballweltmeisterschaft 1954 zum Beispiel. "Wir hatten im Fass den ersten Fernseher in Siegburg. Als das Endspiel in Bern übertragen wurde, platzte das Haus aus allen Nähten."
Mathilde und Jean gingen nach dem WM-Sommer in Rente. Ein Pächter war für das bekannte Haus schnell gefunden. 17 Jahre blieb der Wirt dem Fass treu, danach kamen schwierigere Zeiten für die Mutter des jetzigen Eigentümers Ilbertz. Pächter und Publikum wechselten, lieblose "Verschönerungen" wurde durchgeführt.
"Aber der Betrieb ging weiter. Als mir das Haus 2003 übertragen wurde, haben wir es zum ersten Mal geschlossen, für fast ein Jahr. Ich habe mir ein Herz gefasst, viel Geld in die Hand genommen und das Fass wieder in das verwandelt, was es immer gewesen ist: Ein traditionsreiches Gasthaus mit hohem Niveau."
Dass mit Stefan Gajzi der passende Koch dazu quasi in der eigenen Familie zu finden war, schließt den Kreis. "Seit 2008 bin ich in Siegburg", erklärte der gebürtige Slowene, der sein Handwerk an renommierten Herden in der Schweiz und in Österreich erlernte. "Aus Österreich lasse ich mir die Panade für unser Wiener Schnitzel kommen. Vielleicht waren die Siegburger auch deshalb anfangs ein bisschen skeptisch. Aber im Fass gibt es halt mehr als Frikadellen und Kartoffelsalat." Mittlerweile ist er akzeptiert. "Es schmeckt halt", sagt er lachend.