Siegburgs Bürgermeister Franz Huhn "Jedes Jahr eine schwarze Null"

Siegburg · Hier die Haushaltskonsolidierung, dort die Weiterentwicklung der Innenstadt mit neuem Einzelhandel und Wohnungen - in diesem Spagat bewegt sich Siegburg im Jahr 2015. Mit Bürgermeister Franz Huhn sprachen Anna Maria Beekes und Dominik Pieper.

 Baukran des neuen "Huma" und Siegburg: Die Kreisstadt klagt gegen die vorgesehene Größe der Textil-Verkaufsflächen.

Baukran des neuen "Huma" und Siegburg: Die Kreisstadt klagt gegen die vorgesehene Größe der Textil-Verkaufsflächen.

Foto: Arndt

Die vergangenen Monate standen im Zeichen der Haushaltskonsolidierung, es wurde viel über Einsparungen und Gebührenerhöhungen debattiert. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Franz Huhn: Wann immer Sie an der Steuer- und Gebührenschraube drehen, reagieren die Bürger sensibel. Das habe ich selbst zu spüren bekommen. Nehmen wir mal die Kita-Gebühren. Da gab es natürlich die Sorge, dass die von uns vorgesehene Anpassung für die Familien zu teuer wird. Wir haben das Ganze dann noch einmal überdacht und die bisherige Geschwisterkindregelung (Beitragsfreiheit ab dem zweiten Kind, Anm. d. Red.) beibehalten. Das Gros der Eltern ist damit beruhigt. Stärker belastet werden nur die höheren Einkommensgruppen.

Gibt es noch Unzufriedene?
Huhn: Augenblicklich haben wir bei insgesamt 1300 Kindergartenkindern 17 Einwendungen vorliegen - alles Bürger, die alleine oder im Doppelverdienst mehr als 100.000 Euro bekommen. Diese Beschwerden sind hinnehmbar. Wenn mir jemand sagt, dass er infolge der Erhöhung der Kita-Gebühren nur noch zwei statt drei Urlaube im Jahr machen kann, dann wird da auf hohem Niveau geklagt.

Wie ist die Resonanz auf die Erhöhung der Grundsteuer B von 460 auf 790 Prozentpunkte?
Huhn: Die Bescheide sind angekommen: Uns erreichen teilweise fragende Anrufe, aber auch solche, die Unverständnis und deutliche Kritik zum Ausdruck bringen. In diesem Zusammenhang hilft dann zumeist unser Hinweis, dass wir auch an vielen Stellen deutlich einsparen und unsere Lebensqualität in Siegburg besonders ist.

Nun haben Sie für den Haushalt 2015 11,2 Millionen Euro benötigt, um zum Ausgleich zu kommen. War das ein einmaliger Kraftakt?
Huhn: Wir haben in den letzten Jahren Haushalte gefahren, die immer irgendwie funktionierten. Und wir haben uns in Siegburg immer viel geleistet - auf allen Gebieten. Es ist nun an der Zeit, alles auf den Prüfstand zu setzen und sich zu fragen, wie man sich für die nächsten Jahre aufstellt. Unser Ziel ist es, dass wir in dieser Wahlperiode jedes Jahr eine schwarze Null schreiben. Wir werden uns also weiter über Einsparungen und Nicht-Ausgaben unterhalten.

Inwieweit hat das Auswirkungen auf große Investitionen?
Huhn: Wir werden 2015 nicht mit der Erneuerung der Grün- und Freiflächen am Michaelsberg anfangen, und wir werden in diesem Jahr auch nicht mit dem Rathaus loslegen. Ursprünglich hatten wir für das Rathaus 2015 eine Million Euro vorgesehen. Die werden jetzt nicht mehr im Investitionsplan stehen, sondern lediglich 100.000 Euro für Planungskosten. So können wir den Prozess zur Bürgerbeteiligung auf den Weg bringen, in dem es um Sanierung oder Abriss des Rathauses geht. Wenn wir wieder ausreichenden finanziellen Spielraum haben, schauen wir, in welche Reihenfolge wir die Dinge bringen. Wir müssen eben insgesamt einen Gang zurückschalten.

Warum forcieren Sie erst jetzt diesen Sparkurs?
Huhn: Bislang lief es ja gut. Die jetzige Situation ist nicht durch das Handeln in den Vorjahren zustande gekommen, sondern allein wegen des Ergebnisses 2014. Da hatten wir mit einem Minus von 6,5 Millionen Euro gerechnet. Das hätten wir über die Ausgleichsrücklage aufgefangen. Doch dann kam der große Einbruch bei der Gewerbesteuer. Von den geplanten 32 Millionen Euro haben wir nur 25 Millionen bekommen. Selbst das wäre noch verkraftbar gewesen, wenn nicht noch zusätzlich Gewerbesteuer-Rückbuchungen und die geringeren Schlüsselzuweisungen vom Land dazugekommen wären.

Sind Sie 2015 vor solch bösen Überraschungen gefeit?
Huhn: Nach menschlichem Ermessen müsste es so sein, dass wir die prognostizierten 27 Millionen Euro an Gewerbesteuern einnehmen. Das ist der Mittelwert der vergangenen sechs Jahre.

Sehen Sie noch die Möglichkeit, weitere größere Gewerbesteuerzahler anzusiedeln?
Huhn: Das ist schwierig, weil wir insgesamt wenig Fläche haben. Es gibt das Gewerbegebiet "Zange 2", wo aber zunächst Aufschüttungen vorgenommen werden müssten - wegen der Überschwemmungsgefahr. Das Gebiet müsste aber in einem Rutsch erschlossen werden. Kleinere Möglichkeiten haben wir noch auf dem Seidenberg.

Wie sieht es mit dem Lüghausen-Areal aus?
Huhn: Da geht es voraussichtlich im März mit dem Bau der Wohnhäuser los. Dort entstehen 44 Wohneinheiten - eines von vielen laufenden Neubauprojekten, die insgesamt 200 neue Wohneinheiten bringen. Was den geplanten Fachmarkt auf dem Lüghausengelände betrifft, müssen wir noch mal mit "Lidl" sprechen.

Was ist der Knackpunkt?
Huhn: "Lidl" bekommt die Fläche für den Fachmarkt nicht voll, nachdem ein Interessent abgesprungen ist. Von den 7000 bis 8000 Quadratmetern sind 2000 nicht belegt, das führt zu Finanzierungsproblemen. "Lidl" könnte alleine bauen, aber das ist aus städtebaulichen Gründen nicht gewünscht. Wir müssen uns da in irgendeiner Weise einigen. Ich kann mir auch andere Lösungen vorstellen, etwa reine Wohnbebauung, speziell mit altersgerechtem Wohnen. Wir brauchen für die Lebensmittelversorgung nicht mehr zwingend einen "Lidl", da zwischenzeitlich "Edeka" auf dem Brückberg und "Kaiser's" in der Innenstadt eröffnet haben.

Stichwort Innenstadt: Wie sehen Sie die Entwicklung?
Huhn: Positiv. Der Bau von "H & M" am oberen Markt läuft, die Eröffnung ist zum Weihnachtsgeschäft vorgesehen. Aber auch an der Bahnhofstraße tut sich was. Im Dezember hat "Liebeskind" eröffnet, außerdem kommen dieses Jahr "Hunkemöller" und "Swarovski". Auch für die Kaiserstraße wünsche ich mir, dass attraktive Ketten kommen. Darin liegt die Zukunft. Auch durch "Peek & Cloppenburg" würde die Kaiserstraße belebt, da bin ich mir sicher. Allerdings wird sich da dieses Jahr noch nichts tun, weil der Mietvertrag von "Reno" im Altbau bis Mitte 2016 läuft.

In Sankt Augustin herrscht die Auffassung, dass die namhaften Ansiedlungen gerade durch den Huma-Neubau bedingt seien. Trotzdem klagen Sie dagegen.
Huhn: Sicher wird uns die Entwicklung in Sankt Augustin auch helfen. Ich rechne aber damit, dass uns spätestens 2016 die volle Breitseite des neuen Huma treffen wird. Gerade durch die geplanten 17 000 Quadratmeter Textil-Verkaufsfläche, gegen die wir vorgehen. Aber auch unser Einzelhandel muss sich besser wappnen, am besten noch vor Fertigstellung des Huma.

Inwiefern?
Huhn: Die Einzelhändler müssen dazu übergehen, noch mehr gemeinsam zu machen. Ein gemeinsames Standortmarketing beispielsweise. Aber auch einheitliche Öffnungszeiten, wie sie in Einkaufszentren wie Huma üblich sind. Gerade in den Abendstunden kann noch Potenzial ausgeschöpft werden. Denken Sie nur an die Doppelverdiener, die nicht vor 19 Uhr zum Einkaufen kommen. Aber das sind schwierige Diskussionen.

Ein Thema, das Sie aktuell beschäftigt, sind die Flüchtlinge. Haben Sie genug Unterbringungsmöglichkeiten?
Huhn: Wir haben zurzeit 200 Flüchtlinge. Das Gebäude an der Brückbergkaserne und das ehemalige Hotel "Waldesruh", das wir vorübergehend bis zu seinem Abriss nutzen können, sorgen für eine gewisse Entlastung. Dann gibt es ja noch das seit Jahren leerstehende Waldhotel Grunge. Ich bin mal gespannt, ob auch das zur Verfügung gestellt wird.

Wie reagieren die Siegburger auf die Flüchtlinge?
Huhn: Ganz toll. Neulich saßen wir am runden Tisch - das war für mich persönlich wie Weihnachten. Die Hilfsbereitschaft und die Kreativität sind enorm. Man darf eines nie vergessen: Da kommen Menschen, die oft nicht mehr als einen Pappkarton mitbringen und von ihren Kriegserlebnissen traumatisiert sind. Es sollte selbstverständlich sein, dass wir ihnen mit offenen Armen begegnen.

Zur Person

Franz Huhn (63) ist seit 2004 Bürgermeister der Kreisstadt Siegburg. Er kommt gebürtig aus Niederpleis. Nach dem Studium (Wirtschaftswissenschaften, Germanistik) arbeitete er als Lehrer und war später Leiter des Siegburger Berufskollegs. Seit 1983 ist er in der Siegburger CDU aktiv. 1989 wurde er Ratsmitglied, 1994 zusätzlich Vizebürgermeister und 1999 CDU-Vorsitzender. 2004 wurde er zum Nachfolger von Bürgermeister Rolf Krieger gewählt und seither bei zwei Kommunalwahlen im Amt bestätigt - zuletzt im vergangenen Mai. Er ist bis zum Jahr 2020 gewählt. Franz Huhn lebt mit seiner Frau Conny, mit der er zwei erwachsene Söhne hat, in Siegburg-Kaldauen.

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