Literaturwochen in Siegburg Johann von Bülow rezitiert aus "Loriot – Der ganz offene Brief"

SIEGBURG · Gleich zum Auftakt der Siegburger Literaturwochen, die bereits zum 37. Mal stattfinden, durften sich die Besucher auf ein erstes Highlight freuen und wurden nicht enttäuscht.

Am Donnerstagabend las der Schauspieler Johann von Bülow im Stadtmuseum aus dem Buch „Loriot – Der ganz offene Brief“, in dem 115 ungewöhnliche Mitteilungen des Satirikers Vicco von Bülow alias Loriot enthalten sind.

Alle begannen mit „Sehr geehrte Quick“ und endeten meist mit „Hochachtungsvoll Loriot“. Obwohl Johann und Vicco den gleichen Namen tragen, sind beide nur entfernt verwandt. In den Jahren 1957 bis 1961 erschien in der Zeitschrift Quick die Kolumne „Der ganz offene Brief“. Der Autor war Loriot, der erst später als einer der bedeutendsten und beliebtesten Satiriker bekannt werden sollte und bis heute nichts an seiner Po­pu­la­ri­tät verloren hat.

„In Text und Bild zeichnete der junge Autor ein Sittengemälde der jungen Bundesrepublik zwischen Wirtschaftswunder, Verordnungsdschungel und Moralinsäure. Von Hosenkauf und Geschlechterkampf über die Methoden der Werbewirtschaft, den Massentourismus und Fragen der Innen- wie der Außenpolitik bis hin zum deutsch-deutschen Verhältnis und dem von Herr und Hund“, heißt es im Vorwort des Buches. Loriots Briefe drehten sich um das aktuelle Zeitgeschehen, kuriose Meldungen in den Medien, private Ärgernisse und alltäglichen Irrsinn, den er satirisch ad absurdum führte.

Beißender Spott

Mit schwarzem Humor, mit beißendem Spott oder auch, indem er Personen genüsslich vorführte. Kein Alltagsereignis war für Loriot zu gering, um es nicht zu thematisieren. Wie seine Ausführungen über das „niederträchtige Doppelspiel der Hemdindustrie“. In dem Schreiben beklagt er: „Ein Stecknadelsystem von genialer Kompliziertheit verbindet das Hemd mit einer Pappe, die man unter keinen Umständen mit anzuziehen wünscht.“

Da viele Personen, Meldungen und Ereignisse nach weit über 50 Jahren in Vergessenheit geraten sein könnten, gab Johann von Bülow zu einigen Briefen erläuternde Kommentare ab. Andere erklärten sich von selbst und erinnerten sogar an Phänomene der heutigen Zeit. Etwa Loriots Gedanken zum Massentourismus, der damals noch nach Rimini, „die Perle der Adria“, führte.

„Der erste urlaubstrunkene Blick fällt auf ein Schild mit den Worten Deutsches Bier“, schrieb Loriot 1959 und fuhr fort: „Die Speisekarte empfiehlt mit Nachdruck frisches westfälisches Bauernbrot.“ Solche Absurditäten gibt es auch 2016 noch.

Ein brillanter Schauspielerbeweist sein Können

Ausgesucht hatte von Bülow auch einige Antwortschreiben von Lesern, die mit Loriots Humor gar nichts anfangen konnten und zeigen, wie die Gesellschaft Ende der 1950er bis Anfang der 1960er Jahre tickte.

Der Protagonist des Abends konnte das Publikum mit seiner Artikulation, dem Vortrag in verschiedenen Dialekten und seiner Fähigkeit, sich in den Urheber der Texte einzufühlen, vollends begeistern. „Er bringt die Texte überzeugend rüber und beweist, was für ein brillanter Schauspieler er ist“, waren sich Erika Potratz und Kati Schenk einig. Und Lothar Muhlack ergänzte: „Man sieht beim Zuhören Loriot förmlich an seinem Schreibtisch sitzen.“

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