Buch- und Ausstellungsprojekt "Heimatrunde" Klaus Strack wandert auf den Grenzen des Rhein-Sieg-Kreises

RHEIN-SIEG-KREIS · Was macht ein Wanderer, der schon alle Routen in der Region kennt? Er sucht sich eine neue, die noch nie jemand abgelaufen ist. Der Siegburger Klaus Strack wandert auf den Grenzen des Rhein-Sieg-Kreises - 360 Kilometer, 17 Etappen.

Der Tag ist noch jung, aber die Sonnenstrahlen pieksen schon kräftig. Klaus Strack steht an diesem Sommermorgen an Bord der Mondorfer Rheinfähre und genießt den sanften Fahrtwind. Der Blick geht nach Westen, wo sich am Himmel Wolken auftürmen. Er werde eine Stunde lang Sonnenschein haben, schätzt er. Immerhin. Die Wettervorhersage deutete Regen an. Strack bricht gerade zu einer Wanderung auf. Es ist eine ungewöhnliche Tour: Sie steht in keiner Karte, ist in keiner App abrufbar. Der Siegburger umwandert den Rhein-Sieg-Kreis entlang seiner Grenzen. „Heimat-Runde“, so nennt er sein Projekt, das er in einer Ausstellung und einem Buch dokumentieren will.

Plonk! Die Fähre dockt auf Bonner Seite an. Der 57-Jährige ersetzt den Pulli durch ein Kurzarmhemd. Sein Ziel ist der Kottenforst, wo Bonn und Meckenheim aneinander liegen. Die Heimat-Runde umfasst insgesamt 328 Kilometer Grenze. Das sind 360 Wanderkilometer, verteilt auf 17 Etappen. Wo fängt man da an? Geografisch im Osten des Kreises, bei Windeck-Leuscheid, wo Strack im Januar ein makelloses Winterwunderland durchschritt. Philosophisch könnte man bei Goethe beginnen: „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“, sagte der. Strack hat sich dieses Motto zu eigen gemacht. Er ist erfahrener Wanderer, der alle Routen vom Rheinburgenweg bis zum Natursteig Sieg kennt. Mit dem Rhein-Sieg-Kreis ist er vertraut, schließlich ist er Sprecher der Kämmerer. Sein Schreibtisch steht im Eitorfer Rathaus.

Abseits der populären Routen

Warum diese Tour? Strack erzählt von dem Buch, das er gelesen hat: „Ein deutscher Wandersommer“. Autor Andreas Kieling berichtete über seine Erlebnisse an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Das, aber auch die offenen europäischen Grenzen zur Zeit der Flüchtlingsströme, brachten Strack dazu, sich dem Thema „Grenze“ zu widmen. Wandernd.

Federnden Schrittes bewegt er sich entlang der Nahtstelle zwischen Bonn-Buschdorf und Bornheim-Hersel. Obstanbau, Wohngebiete, Landstraßen, Bahnlinien, Autobahn, Felder: alles unscheinbar, wenig spannend. Aber genau das mag er. Wenn die Expedition ins Nirgendwo zu führen scheint, wird es interessant. Weil es den Blick schärft. „Vor ein paar Jahren galt Wandern als uncool“, sagt er. „Heute liegt es im Trend. Es ist eine Rückbesinnung in einer Zeit, in der sich alles immer schneller dreht.“ Digitalisierung, Globalisierung, ständige Erreichbarkeit, Arbeit 4.0 und so weiter. Klar, dass immer mehr Menschen ihr Heil in der Natur suchten.

Auch der Kreis wird zunehmend touristisch erschlossen. Doch Strack tummelt sich lieber abseits der Steige und Erlebniswege. Lediglich mit Wanderkarten ausgestattet, entwarf er seine Tour möglichst genau auf den Grenzen. „Das hat nicht immer exakt geklappt“, sagt er. „Besonders in der Wahner Heide.“ Dort verläuft die Kreisgrenze durch den Flughafen und im Wald, was ihn zu Umwegen zwang. Start und Ziel sind immer so geplant, dass er sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann.

Einsam im Osten des Kreises

Es geht auf Alfter zu. Die Landwirtschaft ist an der Grenze zu Bonn noch aktiv, aber nicht mehr so stark ausgeprägt wie früher. Gut möglich, dass die Bundesstadt und der Kreis hier in Zukunft weiter zusammenwachsen. Bonn benötigt Gewerbeflächen, Alfter hat welche. Strack zückt immer wieder seine Kamera. Flüchtig ist nichts auf seinen Grenzgängen. Er kommt mit einer Blumenpflückerin ins Gespräch, mit einem Angler an einem alten Kiesloch. Er fotografiert den Bauern auf dem Traktor, die Männer, die einen der vielen Hochspannungsmasten lackieren.

An der Alanus Hochschule trinkt er einen Kaffee. Am Campus II tummeln sich die Jungen, die Hippen, die Progressiven – ein Hauch von Urbanität. Strack grüßt freundlich. Es sei das erste Mal, dass er unterwegs einen Kaffee bekomme. Auf der zwölften Etappe! „Auf den bisherigen Abschnitten gab es einfach keine Gelegenheit.“ Denn gerade im Osten des Kreises ist es einsam, an den Rändern bröckelt die Infrastruktur. Aber er war oft überwältigt von den Naturschönheiten, im Bergischen, vor allem aber im Siebengebirge. Die alten Steinbrüche, die Vulkane am Eulenberg und am Dachsberg, Leyberg, Menzenberg – herrlich. Nun aber weiter.

Grenze inmitten einer Wohnstraße

Bei der heutigen Tour ist die Gegend dicht besiedelt. Duisdorf, Oedekoven und Witterschlick sind längst miteinander verwachsen. Die Kommunalreform 1969 zog die Grenze inmitten von Wohnstraßen. Die Farben der Mülltonnen unterscheiden sich je nach Straßenseite. Am Haus von Ursula und Helmut Wolter in Oedekoven macht Klaus Strack spontan Station. Der Garten gefällt ihm, der muss in die Kamera. Mit dem ihm fremden Paar kommt er schnell ins Gespräch. Schon sitzt er bei einem Espresso auf der Terrasse und unterhält sich angeregt über Bildungspolitik. Als Verwaltungsmann, sagt er, interessiere ihn, was die Menschen bewegt.

Strack setzt seine Tour über den Hardtberg nach Witterschlick fort, von dort geht er noch bis zum Bahnhof Kottenforst. 22,1 Kilometer hat er am Ende zurückgelegt, ganz ohne Regen. Mit der Bahn fährt er zurück. Abends sitzt er zufrieden auf dem Siegburger Markt am Museumscafé, wo er seiner Frau von den Erlebnissen des Tages erzählt. Im Herbst will er die Heimat-Runde abschließen. Nur die Kreisstadt, in der er seit seiner Jugend lebt, wird er dabei nicht bewandern. „Siegburg ist die einzige Kommune, in der der Kreis keine Außengrenzen hat.“

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