Angebote im Rhein-Sieg-Kreis Kontaktstellen sollen beim Coming-Out helfen

Rhein-Sieg-Kreis · Der Rhein-Sieg-Kreis fördert Jugendeinrichtungen, die schwule, lesbische und transsexuelle Jugendliche beraten. Die Gesundheitsagentur der Aids-Hilfe Rhein-Sieg richtet derzeit eine eigene Anlaufstelle in Troisdorf ein.

 Sebastian Kremer (l.) und Martin Domstreich präsentieren das Logo der Anlaufstelle Q, das demnächst über der Tür prangen soll.

Sebastian Kremer (l.) und Martin Domstreich präsentieren das Logo der Anlaufstelle Q, das demnächst über der Tür prangen soll.

Foto: Inga Sprünken

Bis 1969 stand männliche Homosexualität noch vollständig unter Strafe. Der Paragraf 175 wurde dann reformiert und 1994 ganz abgeschafft. Seither hat sich das Blatt gewendet und es geht darum, Vorbehalte gegen Homosexualität abzubauen. Darum entwickelte Nordrhein-Westfalen 2012 einen Aktionsplan zur Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Unter dem Oberbegriff LSBTTI (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle) wurde die NRW-Fachberatungsstelle „Gerne anders!“ eingerichtet, die sich insbesondere um die Probleme von homosexuellen Jugendlichen kümmert und Jugendhilfeeinrichtungen beim Aufbau von Angeboten unterstützt.

Vor knapp zwei Jahren beantragte die Gesundheitsagentur der Aids-Hilfe Rhein-Sieg in Troisdorf einen Zuschuss beim Rhein-Sieg-Kreis zum Aufbau einer eigenen Kontaktstelle. „Wir haben den Bedarf erkannt und wollen einen Schutzort für Jugendliche in ihrem Coming-out einrichten“, erklärt Martin Domstreich, Leiter der Gesundheitsagentur. Der Jugendhilfeausschuss lehnte dies jedoch ab, weil er kein stationäres Projekt, sondern bestehende Jugendeinrichtungen fördern wollte. 11 000 Euro wurden insgesamt für die Schulung der Mitarbeiter bereitgestellt.

Jugendtreffs in Sankt Augustin und Windeck zertifiziert

So erhielten Windeck für den 1 a-Jugendtreff in Rosbach, die Katholische Jugendagentur Bonn für die Häuser der Jugend in Königswinter, Hennef für den Jugendpark sowie der Verein Hotti, der das gleichnamige Jugendzentrum in Sankt Augustin-Birlinghoven betreibt, in den Jahren 2017 und 2018 Zuschüsse in Höhe von 500 Euro. Es ging darum, sich als Kontaktstelle von „Gerne anders!“ zertifizieren zu lassen, was der 1a Jugendtreff und Hotti auch taten. „Diese werden entsprechend dem Beschluss ab dem Jahr 2019 mit 750 Euro jährlich gefördert“, so Daniela Blumenthaler, Pressesprecherin des Rhein-Sieg-Kreises.

Andere Kommunen kamen nach einjähriger Projektarbeit zu dem Schluss, dass „das Angebot für die dörflichen Strukturen nicht passt, da die Anonymität nicht gegeben ist“, wie Mira Steffan aus Hennef mitteilt. „Wir denken, dass das hier nicht angenommen wird“, sagt die Stadtsprecherin. Dass „das Thema für die Jugend im ländlichen Raum nicht relevant ist“, meint auch Fabian Wilsrecht, Leiter der Abteilung Jugendförderung in Lohmar. Beide vertreten die Meinung, dass die Jugendlichen auch nach Köln und Bonn fahren können, denn dort gibt es bereits Jugendzentren für homo-, bi- und transsexuelle Jugendliche. Allerdings betont Steffan, dass die Mitarbeiter der Hennefer Jugendeinrichtungen für das Thema sensibilisiert worden seien. Das ist auch in Troisdorf der Fall, wie Pressesprecherin Bettina Plugge sagt.

Norbert Lehr, Pädagogischer Leiter der Häuser der Jugend in Königswinter, teilt mit, dass man sich seit dem vergangenen Jahr umfassender mit dem Thema beschäftige und dabei sei, „Ansatzpunkte für die pädagogische Praxis zu finden und umzusetzen“. In Bornheim beschäftigt sich der FDP-Landtagsabgeordnete Jörn Freynick als Sprecher für LSBTTI mit dem Thema. Seine Fraktion stellte eine Anfrage im Jugendhilfeausschuss der Stadt, in der es ebenfalls bereits eine Sensibilisierungsveranstaltung für die Jugendzentrumsmitarbeiter gab. „Es ist wichtig, dass LSBTTI-Jugendliche und deren Familien nicht alleine gelassen werden. Aus diesem Grund freue ich mich, dass dieses Thema bei der Jugendpflege und Jugendarbeit auch im Rhein-Sieg-Kreis stattfindet“, sagt Freynick.

Regenbogen-Fähnchen und Aufkleber

Niederkassel und Meckenheim haben sich bisher nicht mit LSBTTI befasst, sehr engagiert ist indes Windeck. „Wir sind eine Einrichtung der Vielfalt“, betont Markus Fröhling, Leiter des Rosbacher Jugendtreffs. Er erzählt, dass sehr offen mit dem Thema umgegangen werde. Es gibt Regenbogen-Fähnchen und Aufkleber, etwa in der Jungen-Toilette, die besagen, dass es beim Personal kostenlos Kondome gibt. Fröhling leistet zudem an Aktionstagen wie dem Welt-Aids-Tag zusammen mit seinen Mitarbeitern aktive Aufklärungsarbeit. Das tut auch Sankt Augustin in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kinderschutzbund und Hotti am 29. November im Haus Menden.

„Wir wollen das sichtbar machen“, sagt Hotti-Leiter Sebastian Kremer. „Wenn sich Jugendliche melden, bieten wir Beratung an und vermitteln nach Troisdorf“, verweist der 32-Jährige auf den ersten schwul-lesbischen Jugendtreff, den die Gesundheitsagentur in Kooperation mit Hotti derzeit mit Geldern des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) in den ehemaligen Räumen der Caritas Pflegestelle einrichtet. In der „Anlaufstelle Q“, Pfarrer-Kenntemich-Platz 31, arbeitet Kremer ab Anfang nächsten Jahres als Honorarkraft mit und öffnet mittwochs von 17 bis 20 Uhr die Türen. Unterstützt werde das ehrenamtliche Angebot von den Troisdorfer Jusos und „Gerne anders!“, wie Martin Domstreich sagt. Die seit 1. Oktober angemieteten Räume müssen noch möbliert werden, derzeit gibt es nur einen Kicker.

Aufklärung an den Schulen betreibt auch das im vergangenen Jahr gestartete „Schlau Projekt“ der Queere-Jugend-NRW.de. Das Schlau-Team richtete zudem mit Unterstützung des Kinderschutzbundes die Gruppe „Color Fusion“ ein. Geleitet von der ehemaligen Projekt-Studentin der Aids-Hilfe, Lina Pelzer, treffen sich die Jugendlichen freitags von 17 bis 20 Uhr beim Kinderschutzbund Siegburg in der Alleestraße 18. Wie Team-Koordinatorin Nikita Goseberg berichtet, wurde beim Rhein-Sieg-Kreis in der vergangenen Woche ein Antrag auf kommunale Förderung für weitere Angebote gestellt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort