Straßenverkehrsamtsleiter Harald Pütz im Interview Kreis droht Rasern mit Führerschein-Entzug

Rhein-Sieg-Kreis · Das Thema Raserei steht nach dem Tod einer Fußgängerin in Mönchengladbach gerade bundesweit im Fokus. Was der Rhein-Sieg-Kreis gegen Raser ausrichten kann, sagt Straßenverkehrsamtsleiter Harald Pütz im GA-Interview.

 Gedenken an ein Opfer der Raserei: Zuletzt kam in Mönchengladbach ein Fußgänger bei einem illegalen Autorennen ums Leben. Der Fall sorgte bundesweit für Entsetzen.

Gedenken an ein Opfer der Raserei: Zuletzt kam in Mönchengladbach ein Fußgänger bei einem illegalen Autorennen ums Leben. Der Fall sorgte bundesweit für Entsetzen.

Foto: picture alliance / Roland Weihra

Herr Pütz, der Rhein-Sieg-Kreis hat Rasern den Kampf angesagt. Wie definieren Sie den Begriff „Raser“?

Harald Pütz: Vielleicht sollte man zunächst sagen, wer kein Raser ist. Keine Raser sind Verkehrsteilnehmer, die in einer Zone 30 oder in einer geschlossenen Ortschaft ein paar Stundenkilometer zu schnell fahren. Das ahnden wir natürlich. Aber das ist nicht die Gruppe, bei der man besonders wachsam sein muss. Als Raser bezeichnen wir vor allem diejenigen, die sich ihr Auto zum Lebensinhalt gemacht haben, die viel Geld in die Aufrüstung investieren und die sich verabreden, um sich auf öffentlichen Straßen zu messen.

Hat das zugenommen?

Pütz: Nach unserer Beobachtung ja. Ich erinnere nur an das Urteil aus Berlin, wo zwei Todesfahrer wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden sind. In den Medien ist immer wieder die Rede davon, dass sich in Köln eine illegale Autorennszene etabliert hat, wo es auch wiederholt zu tödlichen Unfällen gekommen ist. Die Polizei hat dort die Kräfte gebündelt und zuletzt auf einer Tagung die Arbeit einer eingerichteten Projektgruppe vorgestellt. Dabei hat sie erläutert, wie sie verstärkt gegen Raser vorgeht. Abgesehen davon gibt es allgemeine Entwicklungen: Fahrzeuge werden technisch aufgerüstet, man kann sich für kleines Geld ein hoch gezüchtetes, PS-starkes Auto mieten, man prahlt mit Filmchen im Internet – all das hat es früher nicht gegeben. Zudem wird einem die Finanzierung beim Autokauf nachgeworfen, so dass sich junge Burschen teure Marken leisten können. Es sind ausschließlich Männer, die diesem Kreis zuzurechnen sind.

Haben Sie häufiger mit solchen Fahrern zu tun?

Pütz: Im Rhein-Sieg-Kreis gibt es zum Glück keine Szene. Doch das kann sich jederzeit ändern. Bereits jetzt erfahren wir über die Polizeibehörden, wer sich außerhalb des Kreisgebiets an Rennen beteiligt.

Was machen Sie mit diesen Autofahrern?

Pütz: Die überprüfen wir. Ein Beispiel: Die Polizei hat in Bonn zwei Fahrzeugführer angehalten, die mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs waren - mit über 100 Stundenkilometern im 50er Bereich. Die Zwei wollten sich auf einer langen, geraden Strecke messen. Einer von den beiden wohnt im Rhein-Sieg-Kreis. Also hat uns die Bonner Polizei nach Paragraf 2.12 des Straßenverkehrsgesetzes gemeldet, dass Zweifel an der Eignung als Fahrzeugführer bestehen. Wir haben den jungen Mann zum Gespräch geladen und dann zu einem medizinisch-psychologischen Gutachter geschickt.

Sie verfahren wie bei Alkoholsündern oder Drogenkonsumenten?

Pütz: Ja, wobei diese Untersuchungen zum Teil langwierig sind. Bei Rasern muss der Gutachter der Frage nachgehen, ob in der Zukunft die Teilnahme an weiteren illegalen Autorennen auszuschließen ist.

Ist es verpflichtend, sich dieser Untersuchung zu unterziehen?

Pütz: Wenn jemand nicht erscheint, müssen wir auf fehlende Eignung schließen. Dann ist der Führerschein sofort weg - einfach für uns, schwerwiegend für den Fahrzeugführer. Aber das ist nicht die Regel. Die meisten stellen sich der Untersuchung.

Wie ist es für den Raser ausgegangen, der in Bonn auffällig geworden ist?

Pütz: Der konnte am Ende seinen Führerschein behalten. Er war einsichtig und konnte beim Gutachter glaubhaft machen, dass die Raserei für ihn der Vergangenheit angehört. Zudem hatte er eine günstige Sozialprognose, da er geheiratet und ein kleines Kind hat. Die Lebensverhältnisse sind ein nicht unwichtiges Kriterium.

Bietet Ihnen das Gesetz ausreichend Möglichkeiten, um der Raser Herr zu werden?

Pütz: Das muss man von zwei Seiten sehen. Die eine ist die Ahndung von Verstößen. Die Teilnahme an illegalen Autorennen gilt als Ordnungswidrigkeit. Hier ist derzeit aber Bewegung. Ich begrüße es, dass der Gesetzgeber prüft, ob künftig in bestimmten Fällen von einer Straftat auszugehen ist und die Rechtslage verschärft werden sollte. Die andere Seite betrifft die Gefahrenabwehr: Da kommen wir als Führerscheinstelle ins Spiel. Das Recht gibt uns ausreichende Möglichkeiten, bis hin zum Führerscheinentzug. Voraussetzung ist aber, dass wir von der Polizei präzise Informationen erhalten. In der Meldung sollte mehr stehen als „...hat sich aggressiv verhalten“.

Wir sprechen jetzt über extreme Fälle. Sehen Sie allgemein den Trend zur Verrohung auf der Straße – oder zu einer Missachtung von Regeln?

Pütz: Pauschal würde ich das nicht sagen. Aber wir müssen uns immer häufiger mit Anwälten auseinandersetzen, weil Autofahrer Verwarn- und Bußgelder nicht akzeptieren. Die suchen teilweise wegen 15 oder 20 Euro die Auseinandersetzung mit uns. Da sind wir schon aufgefordert worden, Bedienungsanleitungen oder Eich-Protokolle von Mess-Anlagen offenzulegen oder die Schulung unserer Mitarbeiter nachzuweisen. Vor Gericht bekommen wir dann in der Regel Recht.

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