Nacht der Fledermäuse im Rhein-Sieg-Kreis Lautloses Konzert in der Dunkelheit

Rhein-Sieg-Kreis · Am Samstag ist europäische Fledermausnacht. Aus diesem Anlass finden vielerorts Führungen statt. Expertin Heidrun Brieskorn spürt den Tieren an der Sieg nach.

 Das Große Mausohr gehört mit einer Spannbreite von 40 Zentimetern zu den größeren Fledermausarten. Hunderte Exemplare leben im alten Eitorfer Pfarrhaus.

Das Große Mausohr gehört mit einer Spannbreite von 40 Zentimetern zu den größeren Fledermausarten. Hunderte Exemplare leben im alten Eitorfer Pfarrhaus.

Foto: picture alliance / dpa

So träge wie in Windeck-Stromberg erlebt man die Sieg ganz selten. Wie ein stummer See liegt sie dort in der Abenddämmerung. Direkt am Ufer nimmt Heidrun Brieskorn auf einem Steintreppchen Platz. „Die Sieg hat gerade Niedrigwasser“, stellt sie fest, während sie ihren Detektor einschaltet. Mit dem Gerät fängt die 75-Jährige Geräusche ein, die das menschliche Ohr nicht wahrnimmt: die Rufe der Fledermäuse. Am Samstag ist europäische Fledermausnacht. Aus diesem Anlass finden vielerorts Führungen statt, auch in Stromberg. Heidrun Brieskorn leitet sie für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Termine siehe Infokasten).

Dieser Tage ist die Eitorfer Fledermausexpertin des öfteren am Siegufer anzutreffen. 21.07 Uhr – diese Uhrzeit ist hier und heute wichtig. „Dann setzt die bürgerliche Dämmerung ein – Civil Twilight.“ Der Begriff stammt aus der Nautik, lässt sich aber auch auf die Beobachtung von Fledermäusen übertragen. Um diese Zeit werden die Tiere aktiv und gehen auf die Jagd. Besonders gern an warmen Sommerabenden.

Der Detektor ist auf 40 Kilohertz eingestellt. Damit lassen sich die Ultraschall-Laute kleiner Arten wie Wasser-, Zwerg- und Bartfledermäuse wahrnehmen. Die erste lässt nicht lange auf sich warten. „Tok-tok-tok“, macht es in kurzen Abständen, gefolgt von einer eigentümlichen Mischung aus Zwitschern und Rufen. Im fahlen Schein der Taschenlampe tanzen Tausende Mücken. Ein Festmahl für die scheinbar lautlosen Jäger, die sie direkt auf oder oberhalb der Wasserfläche abgreifen. Fledermäuse können durchaus sehen, doch arbeiten sie in erster Linie mit einem Echo-Ortungssystem. „Und das seit 45 Millionen Jahren“, sagt Heidrun Brieskorn. „Den Menschen gibt es gerade einmal seit drei Millionen Jahren.“

Mensch und Fledermaus: Lange Zeit war das ein schwieriges Kapitel. Die Flattermänner waren als Blutsauger verschrien, als Boten des Teufels, ihre Flugkünste im Dunkeln galten lange als rätselhaft. Viele Arten sind heute gefährdet, auch weil ihr Lebensraum eingeschränkt ist. Im Rhein-Sieg-Kreis sind mindestens 13 Arten vertreten. Sie leben in abwechslungsreichen Landschaften, aber auch in Städten. „Die Fledermäuse kommen nicht damit klar, wenn ihre Quartiere verschwinden“, sagt Heidrun Brieskorn. Die Säugetiere, die sehr ortsbezogen sind, schätzen beispielsweise alte Bäume und Ritzen in Häuserwänden. Werden Fassaden – etwa durch Sanierung – geschlossen, finden die Fledermäuse keinen Platz mehr.

Umgekehrt lief es beim alten evangelischen Pfarrhaus in Eitorf. Dort fand das Große Mausohr – mit 40 Zentimetern Spannbreite eine der größeren Arten – Gefallen am Dachgeschoss. Die dortige Zweizimmerwohnung „gehört“ seit 2011 komplett den Fledermäusen. Heidrun Brieskorn beobachtet und dokumentiert das Treiben in der Wochenstube, wo die Jungtiere großgezogen werden. Die Öffentlichkeit hat keinen Zutritt. „Dieses Jahr ist dort oben kein gutes“, sagt die Fledermausexpertin. „Wir haben im Pfarrhaus vielleicht noch 140 Mausohren.“ Es seien schon bis zu 500 gewesen. Das kühle, feuchte Frühjahr führte dazu, dass es nicht genug Nahrung gab.

Die Wohnung hat Heidrun Brieskorn mit ihrem Mann in Kooperation mit BUND, NABU und Kirche fledermausgerecht eingerichtet. Mit Abfluglöchern, frei liegenden Balken und Rillen, wo sich die Tiere kopfüber hängen lassen können. Egbert Brieskorn, ein renommierter Bonner Mathe-Professor, starb 2013. Geprägt durch Friedens- und Umweltbewegung setzte sich das Paar seit den 80er Jahren für den Naturschutz in Eitorf ein. Eines Tages saß eine Fledermaus im Keller, und fortan begeisterten sich die Brieskorns für die Nachtjäger. Einmal päppelten sie ein schwaches Jungtier auf. Zwischen Bücherregal und Gardinenstange kam es zu Kräften und wurde schließlich ausgewildert.

Es ist dunkel geworden. Heidrun Brieskorn ist voller Energie. Sie ist Abendmensch, vielleicht liegt das an ihrem früheren Beruf als Bratschistin im WDR-Sinfonieorchester. Drüben, die Stelle am Eichenhain – die muss sie noch zeigen. Sie marschiert los und stellt den Detektor neu ein. Dieser klackert und pfeift in einer Tour. Es ist das Konzert der Zwerg- und Bartfledermäuse. „Bei denen herrscht jetzt Jubel, Trubel, Heiterkeit“, sagt Heidrun Brieskorn.

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