Mittelalterlicher Markt in Siegburg Leben in einer anderen Welt

SIEGBURG · In unserer Serie "Eine Stunde mit ..." diesmal: Wolfgang Struchtrup, Büttel Mollinarius auf dem mittelalterlichen Markt

 Büttel Mollinarius alias Wolfgang Struchtrup führt Besuchergruppen über den mittelalterlichen Markt in Siegburg.

Büttel Mollinarius alias Wolfgang Struchtrup führt Besuchergruppen über den mittelalterlichen Markt in Siegburg.

Foto: Holger Arndt

SIEGBURG. "Seid gegrüßt, Ihr Kinderlein und Ihr, holde Schulmeisterin!" Mollinarius (Molly) bereitet der Klasse 2 a der Gemeinschaftsgrundschule Stallberg und ihrer Lehrerin Stefanie Rottländer einen herzlichen Empfang zur ersten Führung an diesem Morgen, der ersten von insgesamt acht über den ganzen Tag verteilt. Kurz zuvor hat er sich im Keller des Stadtmuseums "gewandet" und die aktuelle Führungsliste studiert. Denn neben Schulklassen werden heute auch wieder verschiedene Gruppen mit Erwachsenen persönlich begrüßt und über den Markt begleitet.

Zunächst lernen die Grundschüler Molly und seine Funktion kennen, erfahren ein paar Benimmregularien: "Damals machten die Mägdelein einen artigen Knicks, die Junker verbeugten sich und entrichteten den Gruß", belehrt sie der "Presse- und Kulturbüttel", wie er sich selbst aufgrund seiner Aufgaben bezeichnet. Seit 2004 nimmt das optische Schwergewicht die offiziellen Pressetermine für "Kramer, Zunft und Kurtzweyl" wahr, ist für die Programmerstellung und die Buchung der verschiedenen Künstler verantwortlich.

Einmal üben die Mädchen einen Knicks, die Jungs die Verbeugung, erwidern dem Büttel das "Seid gegrüßt", dann geht es zur ersten Station. Auf der Bühne wartet bereits Oleander, der ebenfalls mit einer Schulklasse einen Ausflug ins Mittelalter unternimmt. Beide stoßen ins Horn und heißen "die Zöglinge der örtlichen Bauern" willkommen. Als Missmut im Publikum aufkommt, wechselt Mollinarius Horn gegen Bassfanfare und lässt ein Signal ertönen, das "Königen gebührt". Er zeigt auf ein kleines Mädchen mit einer roten Strähne im Haar: "Schaut nur, die Tochter des Färbermeisters!" Die Schüler haben sichtbar Spaß, lachen aus vollem Hals.

Molly liebt die Arbeit mit Kindern. Für ihn sei es "das Schönste", so die imposante Erscheinung, wenn sie strahlten, an seinen Lippen hingen und mit großen Augen spontan auf das Rollenspiel eingingen. Die Bilder trage er in sich.

Der Markt ist offiziell eröffnet, jetzt erfolgt eine Unterweisung zu mittelalterlichen Instrumenten. Oleander spielt die Drehleier, Molly begleitet ihn auf der Trommel. Da kommt Lupus, der Jongleur, vorbei und fordert die "Schar der Kinderlein" auf, heftig mit den Händen zu klappern, um das Trommeln des Mannes mit der kleinen Brille zu beenden. Er selbst zeigt einige Kunststückchen.

Weiter geht es zum Stand des Schmiedemeisters. "Seid gegrüßt, Schmiedemeister", rufen die Mädchen und Jungen auf die Aufforderung Mollys hin, und natürlich fehlen weder Knicks noch Verbeugung.

"Ich bringe euch wissbegierige Kinderlein!", kündigt Mollinarius an. Thomas Siebel, von Beruf Kunstschmied, führt sein Handwerk vor, anschließend dürfen einige Freiwillige mit dem Hammer auf ein glühendes Eisen einschlagen, das unter Mithilfe des Schmieds zu einem "Glückshaken" gebogen wird. Wer daran morgens vor dem Unterricht seine Kleider aufhänge, habe Glück für den ganzen Tag, erklärt der 60-jährige Büttel, der auf einem Bauernhof - sein "Zufluchtsort zum Erholen und Sammeln" - in der Nähe von Oelde lebt. Jetzt wüssten alle, woher der Begriff "jeder ist seines Glückes Schmied" kommt, erklärt der Schwertträger, den vor allem die kleinen Marktbesucher immer für einen Ritter halten, obwohl er stets geduldig darauf hinweist, er sei nur der Büttel, mit einem heutigen Polizisten vergleichbar.

Molly hat darüber hinaus noch den Job als "Moderator" und "bespaßt" auch heute Nachmittag Gäste eines Kindergeburtstages, der im Weinkeller des Stadtmuseums gefeiert wird. Zuerst erfolgt gleich die Einkleidung von Königin Angelique, die ihr achtes Wiegenfest begeht, sowie von deren Hofstaat. Dann reicht man "feines Gebäck, füllt das Becherlein mit gutem Trank". Besonders begeistert sind erfahrungsgemäß immer alle, dass eine Anstandsregel außer Kraft gesetzt wird: Jeder darf nämlich nach Herzenslust schmatzen, schlürfen und rülpsen, erzählt der gelernte Industriekaufmann und Tischler, der seit 1990 bei der mittelalterlichen Truppe ist und die ersten sieben Jahre Narrenzepter aus Holz für den damaligen Holzspielzeugmacher "unter das Volk brachte". Der Haken wird von der Klassenlehrerin in Verwahrung genommen, bevor noch ein Besuch bei weiteren Handwerkern auf dem Programm steht. Dann ist die Führung fast beendet. Zum Abschluss gibt es noch eine Überraschung. Alle dürfen eine Runde auf dem mittelalterlichen Karussell drehen, das von Hand angetrieben wird.

Mollinarius ist zufrieden und bedankt sich bei der Klasse 2 a. "Wenn es Euch gefallen hat, dann jubelt dem Büttel zu!" Und natürlich erschallt "Jubel, Jubel", alle klappern mit den Händen. Der Gelobte winkt noch einmal und ruft "Gehabt euch wohl", dann wartet schon die nächste Klasse.

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