Siegburger Literaturwochen "meschugge": Miguel Herz-Kestranek gibt Einblick in den jüdischen Humor

SIEGBURG · Zum Finale der Literaturwochen war noch einmal ein großer Name angekündigt. Miguel Herz-Kestranek (M H-K) las aus seinem neuesten Buch "Die Frau von Pollak oder Wie mein Vater jüdische Witze erzählte".

 Miguel Herz-Kestranek bei seiner Lesung im Siegburger Stadtmuseum.

Miguel Herz-Kestranek bei seiner Lesung im Siegburger Stadtmuseum.

Foto: Paul Kieras

Zunächst aber stimmte er das Publikum mit einigen bitterbösen Aphorismen und Schüttelreimen sowie Anekdoten aus der Welt des Theaters und der Oper, die er in früheren Werken gesammelt hat, auf den Abend ein.

Darunter einige bissige Bemerkungen in Richtung des österreichischen Parlaments wie diese: "Die einzige Mülltrennung, die hierzulande tadellos funktioniert, ist die Sitzordnung im Parlament: Rote Flaschen, grüne Flaschen, schwarze Säcke, brauner Restmüll. Nur mit der Entsorgung hapert's noch."

Und in Anspielung auf seine oft "seichten Fernsehrollen" sagte er: "Als Fernsehschauspieler führe ich oft ein Doppelleben: Am Tag drehe ich fürs Fernsehen, am Abend bin ich intelligent." Den Beweis trat er mit seiner Lesung im ausverkauften Stadtmuseum an.

Das Buch

Es handelt sich um eine autobiografische Aufarbeitung seiner Beziehung zur jüdischen Verwandtschaft. Der Autor erzählt darin die Historie der verfolgten und vertriebenen ("das waren keine Emigranten, also Auswanderer"), wieder zurückgekehrten Familien Herz/Kestranek aus Wien.

Kein Witzbuch der gewohnten Art sei es, "vielmehr eine sehr persönlich geschriebene Elegie auf versunkene Welten, auf ausgerottete Lebensformen", heißt es über das Buch. Zur Einführung sagte der 65-Jährige: "Der jüdische Witz ist kein Witz", und ergänzte: "Jüdische Witze sind immer weise und wenn sie nicht weise sind, sind es keine jüdischen Witze, sondern nur Witze.

So sagte es jedenfalls mein Vater und von ihm habe ich gelernt, jüdische Witze ernst zu nehmen." Unter anderem durch Frau Pollak, eine unfreiwillig komische Figur aus seinem jüngsten Buch und leicht "meschugge", vermittelt er den jüdischen Humor, den er zum "normalen" Witz in Relation sieht wie klassisches Kabarett zur Comedy.

Der Autor

Miguel Herz-Kestranek wurde 1948 in St. Gallen, Schweiz, geboren. Sein Vater war Jude, seine Mutter konvertierte vom katholischen zum jüdischen Glauben. Er hat sich als Autor und Herausgeber, ehemaliger Vizepräsident des Österreichischen PEN-Club und derzeitiger Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung ebenso einen Namen gemacht wie als Schauspieler in mehreren Dutzend Theater- und über 160 TV- und Filmrollen, als Kabarettist, Chansonnier, Entertainer, Redner, Diskussionsleiter und Moderator. M H-K lebt in Wien und St. Gilgen am Wolfgangsee.

Das meint das Publikum

Uwe Kippenberg ist überzeugt, dass nur "jemand mit jüdischen Wurzeln in der Lage ist, den jüdischen Humor so 'rüber zu bringen". M H-K habe das in Perfektion geschafft. Das sah auch Dagmar Klein so, die aber nicht ganz sicher ist, "ob das Buch beim Lesen genauso wirkt wie beim Vorlesen".

Das meint der GA

Die Lesung von M H-K lebte von dessen "Jüdeln", eine "Sprechvariante, eine Melodie, eine Wort- und Satzwahl, die eine ganz eigene Dialektik bedingt", wie der Autor selbst eingesteht. Für einen "Nicht-Juden" dürfte es schwer fallen, beim alleinigen Lesen die gleiche Wirkung zu erreichen, wie sie Herz-Kestranek mit seiner Rezitation beim Zuhörer erzielt.

Für wen

Jedem, der mehr über den Mann mit den vielen Gesichtern wissen und vor allem ein Gespür für den jüdischen Humor bekommen möchte, ist das Werk zu empfehlen.

Info: Miguel Herz-Kestranek: "Die Frau von Pollak oder Wie mein Vater jüdische Witze erzählte", Ibera Verlag Wien, 368 Seiten, 24,90 Euro.

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