Platzmangel in Bonn Neues Gebäude in Siegburg für Cum-Ex-Strafverfahren

Siegburg · Am Bonner Landgericht mangelt es an ausreichend Platz für die insgesamt zehn erstinstanzlichen Strafkammern, die die Cum-Ex-Verfahren verhandeln. Abhilfe soll ab März 2024 ein neues Prozessgebäude in Siegburg schaffen.

 Auf dem Parkplatz hinter dem Siegburger Amtsgericht soll ein neues Prozessgebäude nur für die Cum-Ex-Verfahren entstehen.

Auf dem Parkplatz hinter dem Siegburger Amtsgericht soll ein neues Prozessgebäude nur für die Cum-Ex-Verfahren entstehen.

Foto: Nadine Quadt

Die ersten drei Cum-Ex-Verfahren hat das Bonner Landgericht bereits geführt. Bei insgesamt 1350 Beschuldigten, die die Staatskasse um mehrere Milliarden Euro erleichtert haben, werden noch viele weitere Prozesse folgen. Doch dafür reicht der Platz am Bonner Landgericht nicht aus. Deswegen soll nun auch Siegburg Schauplatz der Strafverfahren im Steuerskandal werden. Auf dem Parkplatz hinter dem Siegburger Amtsgericht soll dafür ein neues Prozessgebäude entstehen. Die Pläne präsentierten Landgerichtspräsident Stefan Weismann und Architekt Frank Kaldewei dem Siegburger Planungsausschuss.

Warum ein Neubau in Siegburg unabdingbar ist, verdeutlichte Stefan Weismann. „Es geht um sehr komplizierte Geschäfte, für einen Fall hat man manchmal bis zu 100 Transaktionen“, sagte er. „Wir setzen daher im Schnitt etwa 40 Verhandlungstage pro Verhandlung an“, so Weismann. Angesichts der hohen Anzahl an Beschuldigten rechnet er mit einer Gesamtprozesszeit von bis zu 15 Jahren. „Wir haben die Zusage für zehn Strafkammern für Cum-Ex“, sagte der Präsident. Bonn habe vorher acht erstinstanzliche Strafkammern gehabt. Damit werde der Strafbereich mehr als verdoppelt. „Das können wir in Bonn selbst im Schichtbetrieb nicht darstellen“, sagte er. Mangels Fläche für eine Erweiterung in Bonn habe man nach einer Alternative gesucht – und neben dem Siegburger Amtsgericht gefunden.

„Mit dem Bau des Prozessgebäudes ist auch der Standort Siegburg des Amtsgerichts gesichert“, erklärte der Landgerichtspräsident. Wenn der Neubau stehe, werde daher auch mit der Sanierung des Gebäudes aus den 1970er-Jahren begonnen werden. Für die sei der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW in Aachen (BLB) zuständig. „Es wird kein reiner Zweckbau entstehen“, versicherte Weismann. Man wolle ein städtebauliches Wahrzeichen schaffen.

Wie das aussehen könnte, zeigte der Architekt Frank Kaldewei von der Assmann Gruppe. Um möglichst viele der derzeitigen Stellplätze auf dem Parkplatz hinter dem Amtsgerichtsgebäude zu erhalten, sitzt der Neubau auf Stelzen. Er grenzt direkt an die Bahnhofstraße an und soll sich in seiner Höhe an die bestehende Bebauung anpassen. Im ersten Obergeschoss ist ein größerer Sitzungssaal mit einer Fläche von rund 300 Quadratmetern vorgesehen. Zwei kleinere Verhandlungssäle liegen im zweiten Obergeschoss. „Sie können aber zu einem großen Saal zusammengeschaltet werden“, so Kaldewei. Mit dann 400 Quadratmetern erhalte man dann eine Größenordnung, die er von keinem Gericht in NRW kenne.

Neubau soll 2024 stehen

Abgesehen von den Sitzungssälen sind Fluchtwege, andienende Räume und zwei Treppenhäuser vorgesehen – ein repräsentatives und der sogenannte Vorführweg für Delinquenten. „Der Bau wird vom Raumvolumen nicht so wahnsinnig groß“, sagte der Architekt. Gleichwohl verleihe ihm die prominente Nutzung Gewicht. Und es sei auch ein anspruchsvoller technischer Inhalt, den man realisieren müsse. Die Realisierung übernimmt indes nicht das Büro des Architekten. „Wir begleiten nur das Vergabeverfahren“, erklärte er. Die Planungs- und Bauleistung werde ausgeschrieben. Ein Investor soll das Prozessgebäude planen, bauen und 15 Jahre finanzieren und instand halten. „Deswegen ist das, was ich Ihnen zeige, nur ein möglicher Weg“, so der Projektsteuerer. Ziel sei es aber in jedem Fall, die alten Bäume an der Bahnhofstraße weitestgehend zu erhalten.

Sportlich nannte Stefan Weismann die zeitliche Schiene des Vorhabens. Denn schon im März 2024 sollen die ersten Cum-Ex-Prozesse in Siegburg verhandelt werden. Kaldewei zeigte die Terminplanung auf und verdeutliche damit den Zeitdruck. Demnach steht Ende August die Vergabe an, im März 2023 der Baubeginn und ein Jahr später dann die schlüsselfertige Übergabe.

Amtsgericht wird saniert

In der Siegburger Politik stieß die Planung überwiegend auf Wohlwollen. „Wir sind uns der Ehre bewusst“, sagte der Planungsausschussvorsitzende Jürgen Becker (CDU). Das Projekt werde zudem die Zentralität der Stadt stärken. Dem stimmte Michael Keller (SPD) zu, auch wenn seine Fraktion sich auch eine andere Nutzung der Fläche hätte vorstellen können. Was nach Ende der Prozessjahre mit dem Gebäude geschieht, wollte Peer Groß (Grüne) wissen. „Wir gehen davon aus, dass es vor 2045 nur wenig andere Nutzungsmöglichkeiten geben wird“, sagte Weismann.

Wenn das Prozessgebäude bezogen ist, beginnt die Sanierung des benachbarten Amtsgerichts. „Das soll sehr konzentriert in mehreren Bauabschnitten bei laufendem Betrieb geschehen“, so Weismann.  Das BLB habe allein dafür vier Bauingenieursstellen vorgesehen, das verdeutliche die Priorität, die den Arbeiten eingeräumt werde. Im Amtsgericht soll sich einiges ändern, besonders mit Blick auf elektronische Akten und Bürgerfreundlichkeit. Und ganz konkret etwa mit der Verlagerung der Kantine nach unten. „Wir schaffen Neues“, so Weismann. Der Technische Beigeordnete Stephan Marks hielt für die Stadt Siegburg fest: „Wir begleiten das sehr gern.“

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