Neues Projekt des Siegburger Vereins Theaterschatz Auf der Bühne sollen Funken sprühen

Siegburg · Das Bürgertheater bietet Laien professionelle Unterstützung bei der Umsetzung von Ideen für eigene Stücke. In zwei Workshops können sie nun erstmals Theaterluft schnuppern.

 Bardia Rousta (vorne) startet den Workshop mit einem Warm-up, dann folgen erste schauspielerische Übungen.

Bardia Rousta (vorne) startet den Workshop mit einem Warm-up, dann folgen erste schauspielerische Übungen.

Foto: Paul Kieras

Der Verein Theaterschatz bietet neben dem Kinder- und Jugendtheater Tollhaus, der Schauspielschule Siegburg und der Studiobühne ab sofort auch ein Theater für Laien ab 18 Jahren – das Bürgertheater. Ganz neu sei die Arbeit mit Laien nicht: „Von 2010 bis 2012 gab es bereits eine Bürgertheatergruppe unter dem Namen KunstMachtNarren, die allerdings aufgrund von zeitlichem und personellen Mangel aufgelöst werden musste“, erklärt die Geschäftsführerin der Studiobühne, Claudia Böttcher. Seit 2015 kooperiere man aber mit der Seniorentheatergruppe Spätausgabe des Awo-Ortsvereins Siegburg, die auch in der Studiobühne probt und auftritt.

„Die Studiobühne möchte mit dem Bürgertheater eine breite Verankerung in der Bürgerschaft erreichen und Laien die Möglichkeit geben, sich auszudrücken, sich weiterzubilden und zu inspirieren“, so Böttcher. „Es ist unser Anspruch, Bürgertheater zu zeigen, das sehenswert ist und gleichzeitig von Relevanz“, ergänzt der Leiter des neuen Projektes, Bardia Rousta. Der erfahrene Regisseur und Schauspieler betont, man wolle aus Laien keine Schauspieler machen und auch keine Stücke zum x-ten Mal aufführen, sondern den Teilnehmern vielmehr dabei helfen, ihren Weg zu finden, eigene Sachen zu entwickeln.

Training in Bewegung, Sprache, Präsenz, Interaktion und Improvisation

Ziele des Bürgertheaters seien, „sich gegenseitig zu bereichern und Stücke zu erarbeiten, die künstlerisch und inhaltlich sehenswert und überzeugend sind.“ In dem Kursus würden die Grundlagen für die Verwandlung auf der Bühne gelegt und Kompetenzen in Bewegung, Sprache, Konzentration, Präsenz, Wahrnehmung, Aktion und Reaktion, Interaktion, Impulstraining sowie Improvisation vermittelt. Voraussetzung für das Mitmachen sei, dass jeder etwas zu sagen habe. „Wenn nicht, dann ist er im Zuschauerraum besser aufgehoben“, stellt Rousta unmissverständlich klar.

Um dies herauszufinden, lud der Verein am Samstag die ersten 16 von insgesamt 30 gemeldeten Interessenten zum Vorsprechen im Rahmen eines Workshops ein. Der Anspruch an die Kandidaten war hoch, denn: „Wir suchen Mitspielende, die lieber schreien als flüstern, die nicht gefallen müssen und etwas zu sagen haben. Die nicht nur zündeln, sondern ein Inferno entfachen wollen“. Sie sollten neugierig, kritisch und wissbegierig sein, Lust auf einen Ausgleich zu Arbeit und Familie haben und Gemeinschaft schätzen, bringt Rousta es auf den Punkt.

Vor allem Letzteres sei enorm wichtig, denn wenn jemand sich nicht integriere, könne er eine ganze Gruppe sprengen. Selbstdarsteller könne man deshalb nicht gebrauchen. Die Messlatte lag demzufolge hoch. Warum also hatten sich die Teilnehmer angemeldet? „Ich möchte einmal meine Komfortzone verlassen, sehen, wie weit ich gehe und meine Grenzen austesten“, gab Arnd Sünner an. Der 49-Jährige räumte ein, zwiegespalten zu sein: einerseits glücklich, das herauszufinden, andererseits ängstlich und „von Fluchtgedanken getrieben“ – im Hinblick auf das, was ihn erwarte.

Ähnlich äußerte sich Sonja Lohmar. Ihr sei etwas mulmig bei dem Gedanken, auf der Bühne angestarrt zu werden. Sie hoffe aber, etwas vom Erlernten auch im Alltag anwenden zu können, sagte die 57-Jährige. Und Monika Mechsner (64) liebt es nach eigenen Worten, in Rollen zu schlüpfen, möchte Extremsituationen erleben und „so richtig was raushauen“, was man im Alltag nicht könne.

Gruppen mit eigenen Schwerpunkten bilden

Aufgabe für den Kursleiter wird es nun sein, die verschiedenen Charaktere und Interessen nach Schwerpunkten in zunächst zwei – auf lange Sicht sogar fünf – eigenständige Gruppen zu fassen, die aber später auch gruppenübergreifend agieren sollen. Schwerpunkte sind beispielsweise Migration, Integration, Soziales, Mehrsprachigkeit und Menschen mit Behinderung. Die werden zunächst in einer eigenen Gruppe ihre Erfahrungen sammeln.

„Das hat aber nichts mit Ausgrenzung zu tun“, betont Rousta ausdrücklich. In seiner mehr als 40-jährigen Tätigkeit als Theaterpädagoge habe er die Erfahrung gemacht, dass diese Menschen einen Schutzraum suchten, in dem sie keine Ängste hätten, zu scheitern; in dem sie die Möglichkeit bekämen, selbstsicherer zu werden und ihr Selbstwertgefühl aufzubauen.

Die erste Gruppe wird unter dem Namen „Ensemble attidüde“ arbeiten, die zweite unter dem Namen „anders Art“. Bei einer kurzen Vorstellungsrunde im Workshop kündigte Rousta gleich ein „Hardcore-Programm“ an. „Ich hoffe, ihr habt Spaß – ich habe ihn“, ließ er die Teilnehmer mit breitem Grinsen wissen. Nach einem Warm-up mit Konzentrations- und Lockerungsübungen mussten sie zum Thema „In der Fremde“ ein Einzelstandbild einnehmen, sich dann zu einem Gruppenbild formieren und wieder zurück.

Um das Ganze noch anspruchsvoller zu machen, ließ Rousta die Männer und Frauen darüber hinaus eine kurze Passage aus „Die Hamletmaschine“ – ein Theaterstück des deutschen Dramatikers Heiner Müller mit völlig absurdem Text – einstudieren.

So lernten sie, wie aus einem starren Bild eine Szene wird. „Wir haben viel geschafft, tolle Szenen entwickelt und es hat Spaß gemacht“, berichtete Rousta nach dem Workshop. Er glaubt, dass die Teilnehmer dabei bleiben. Das versicherte auch Arnd: „Es war, wie ich es erhofft hatte. Man musste sich aber auch auf das Ganze einlassen“, so sein persönliches Fazit.

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