Interview mit Klaus Hardung "Nie nach Schema F gehandelt"

SIEGBURG · Im Interview spricht Klaus Hardung über die Siegburger Literaturwochen, die er weit über die Grenzen der Stadt bekannt gemacht hat.

In 29 Jahre hat er die Siegburger Literaturwochen geprägt, lokale Größen und internationale Stars verpflichtet, insgesamt 540 Autoren begrüßt und vorgestellt. Zum Ende des Jahres geht Klaus Hardung, Leiter Fachbereich Museum, Theater- und Kulturprojekte, in den Ruhestand und hinterlässt für seine Nachfolgerin, die Siegburger Kulturdezernentin Gundula Caspary, große Fußspuren, denn er hat die Literaturwochen auf höchstem Niveau fest im Siegburger Kulturleben verankert und ihnen weit über die Stadtgrenzen hinaus Anerkennung verschafft. Hardung sprach mit dem GA darüber, wie alles begann, über das Konzept und natürlich über seine Erlebnisse mit den Gästen.

Welche Bedeutung hatten für Sie persönlich die Literaturwochen?
Klaus Hardung: Die Veranstaltungsreihe war mir ebenso wichtig wie die von mir initiierte "Begegnung mit dem Ausland". Mit beidem wollte ich den Bürgern ein Fenster zur Welt öffnen, das sie informiert, sie in einer bestimmten Weise beeinflusst und weltoffen macht.

Wie haben Sie sich vorbereitet?
Hardung: Ich habe zumindest das entsprechende Buch des jeweiligen Schriftstellers gelesen und danach die Lesung geplant. Bis heute habe ich keine nach "Schema F" abgewickelt, sondern so individuell wie möglich. Man hat mir "von oben" übrigens immer freie Hand gelassen.

1984 übernahmen Sie als Schul- und Kulturamtsleiter auch die Verantwortung für die Literaturwochen. Was haben Sie damals geändert?
Hardung: Es gab schon einige Jahre lang eine Literaturwoche, allerdings lasen damals eher "Lokalmatadoren" aus ihren Werken. Eingeladen haben wir in Cafés, Kneipen und Galerien. Ich habe den Veranstaltungszeitraum auf zwei Wochen verdoppelt und kontinuierlich die Anzahl der Autoren aufgestockt, um eine größere Bandbreite bieten zu können. Mit der Attraktivität der Namen stieg auch die Nachfrage, das Forum und die Aula des Museums wurde immer häufiger zum "Lesesaal".

Wer war der erste bekanntere Name, an den Sie sich erinnern?
Hardung: Das war Ludwig Soumagne, ein Mundartdichter aus Neuss-Norf und prominenter Vertreter der sogenannten Neuen Deutschen Dialektdichtung.

Haben Sie die Literaturwochen unter ein Motto oder Thema gestellt?
Hardung: Anfangs schon. Beispielsweise "Die Frau im Mann" oder "Dritte Welt". Ich habe aber schnell erkannt, dass Lesungen zu nur einem Thema über 14 Tage zu eintönig sind und mich entschieden, die Vielfalt aktueller Literatur zu präsentieren, dabei streitbare Autoren zu Wort kommen zu lassen, mit denen man über Standpunkte, Missstände und Botschaften diskutieren kann. Mir ging es nie um eine Show, sondern immer darum, eine Begegnung zwischen Publikum und Autor zu ermöglichen.

Gab es einmal Ärger wegen eines Autors?
Hardung: Als Uta Ranke-Heinemann mit ihrem Buch "Eunuchen für das Himmelreich" angekündigt war, sprach die Kirche von "Moralischer Entgleisung des Kulturamtes". Gelesen hat sie dennoch.

Fällt Ihnen spontan eine besondere Begebenheit ein?
Hardung: Sogar mehrere. Zum Beispiel wie Eginald Schlattner, rumänischer Pfarrer und Autor, bei einem Rundgang durch das Museum auf die Knie fiel, als er in der Humperdinckabteilung den Abendsegen hörte. Ich muss immer noch darüber schmunzeln, dass der große Otto Sander bei seinem Ringelnatz-Abend ganze fünf Flaschen Rotwein geleert hat und Lotti Huber mir nach der Lesung ihr Parfüm, einen Herrenduft, der nach Wacholder roch, schenkte. Aber natürlich sind mir auch wirklich "bedeutende" Dinge im Gedächtnis geblieben.

Zum Beispiel die Verleihung des Jugendliteraturpreises an Henning Mankell 1993 innerhalb der Literaturwochen. Den Preis überreichte die damalige Bundesministerin für Frauen und Jugend - Angela Merkel. Bill Morrison, Zeichner der Simpsons, führte in die Comiczeichnungen ein und erstellte mehrere Versionen, die er anschließend im Publikum verloste. Für viel Aufsehen sorgte die türkische Autorin Arzu Toker bei der Lesung aus ihrem Buch "Die Frau im Islam". Sie saß nämlich zunächst tief verschleiert mit Burka vor dem Publikum. Und so weiter und so weiter ...

Mussten Sie mal eine Lesung absagen?
Hardung: Nur ein Mal. Bettina Röhl, Tochter von Ulrike Meinhof, sollte über die Lebensgeschichte ihrer Eltern sprechen, in der Nacht davor schickte sie mir eine E-Mail, "Habe gerade eine gesunde Tochter geboren." Das war es mit der Lesung.

Was macht Klaus Hardung im Ruhestand?
Hardung: Unter anderem werde ich weiter für den Erhalt des Buches in Papierform kämpfen und natürlich als Gast an den nächsten Literaturwochen teilnehmen. Darauf freue ich mich jetzt schon.

Zur Person

Klaus Hardung, Diplom Verwaltungswirt, Jahrgang 1948, ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. 1965 trat er bei der Stadt Siegburg in den Dienst, ab 1984 war er Schul- und Kulturamtsleiter, seit 2007 Leiter der Fachbereiche Museum, Theater- und Kulturprojekte

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