Feuerwehr-Praktikum in Lissabon Portugiesischen Kollegen über die Schulter geschaut

NIEDERKASSEL/LISSABON · Einmal die gewohnte Umgebung verlassen, sich in einem fremden Land mit fremder Sprache behaupten: Das waren die Hauptgründe, die den Niederkasseler Gerhard Voosen dazu bewogen, ein Praktikum bei der Lissabonner Berufsfeuerwehr zu absolvieren. Im Gespräch mit dem General-Anzeiger schwärmt er von der Lebensart und alten deutschen Feuerwehrautos in der portugiesischen Hauptstadt.

 Spezialisten der Lissabonner Feuerwehr üben eine Rettung mit der Seilwinde. Für Drehleitern sind die Gassen oft zu eng.

Spezialisten der Lissabonner Feuerwehr üben eine Rettung mit der Seilwinde. Für Drehleitern sind die Gassen oft zu eng.

Foto: Gerhard Voosen

Angefangen habe alles im vergangenen Jahr, erzählt der 43-Jährige im Schulungsraum seines eigentlichen Arbeitsplatzes, der Feuerwache 2 in Bonn-Beuel. Ein Kollege habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass die Wache am EU-Programm "Nice to work with you!" teilnehme und die Feuerwehrleute einen Aufenthalt in einer Partnerstadt verbringen könnten. "Da wir beide portugiesische Wurzeln haben, kam uns schnell der Gedanke, nach Lissabon zu gehen", erinnert sich Voosen.

Kurzerhand informierte er sich und bewarb sich. Nach einem Vorstellungsgespräch, das er mit Vertretern der Stadt Bonn führte, war es im Frühjahr soweit: Voosen stieg in den Flieger nach Portugal, wo er bei Verwandten seiner verstorbenen Mutter, einer gebürtigen Lissabonnerin, unterkam. "Ich habe deshalb zwar schon als Kind oft die Ferien und später den einen oder anderen Urlaub dort verbracht. Aber sich längere Zeit und ohne Hilfe in einem fremden System zu behaupten, das ist etwas anderes und hat mich gereizt", sagt der Niederkasseler. Nach eigener Aussage spricht er kaum portugiesisch.

Montags stand dann der erste Praktikumstag an: Auf der Hauptwache "Don Carlos" der "Bombeiros Sapadores de Lisboa" - so der portugiesische Name der Lissabonner Feuerwehr - begrüßte ein Vorgesetzter Voosen zum Vorstellungsgespräch. Dabei trug der Portugiese - wie in Portugal üblich - eine Militär-Uniform: "Dazu muss man wissen, dass vor mehr als 600 Jahren der damalige König die Feuerwehr nach einem Großbrand aus Kräften des Heeres errichtet hat", erklärt Voosen.

Bis heute sei das militärische Konstrukt bestehen geblieben. Bemerkbar mache sich dies noch bei den Bezeichnungen der Einheiten sowie in der Tatsache, dass die Feuerwehrleute regelmäßig zum Appell antreten müssten. Militärmusik leite zudem die tägliche Mittagspause ein. "Das alles gefällt den Feuerwehrleuten nicht so sehr, denn sie halten es für nicht mehr zeitgemäß", sagt er.

Die ersten drei Tage seines Praktikums verbrachte der 43-Jährige auf der Hauptwache, ehe er nacheinander die weiteren neun Feuerwachen der rund 545 000 Einwohner großen Stadt besuchte. Das Angebot der Kollegen, auch an Einsätzen teilzunehmen, lehnte er ab: "Das wäre mit der Verständigung zu schwierig geworden", sagt Voosen. Gerne hätte er als Besatzungsmitglied des Bonner Löschboots Näheres über Wasserrettungen auf dem Fluss Tejo erfahren, "aber das ging nicht, weil er der Marine unterstellt ist", sagt Voosen etwas enttäuscht.

Eine Spezialität der Portugiesen konnte er bei einer Übung dennoch aus nächster Nähe beobachten: Weil die Gassen Lissabons für Drehleitern oft zu eng sind, kommen dort bei Hausbränden Spezialisten zum Einsatz, die gefährdete Personen aus den Fenstern abseilen. "Die Jungs trainieren das jeden Tag, das geht bei ihnen 'ratzfatz'", erzählt er beeindruckt.

Begeistert haben Voosen, der in seiner Freizeit als Pressesprecher für die Niederkasseler Feuerwehr aktiv ist, aber auch die Herzlichkeit sowie die alten Fahrzeuge der Lissabonner Wehrleute: "Die erste Frage überhaupt, die sie mir gestellt haben, war: 'Was willst du zu Mittag essen?'", erzählt er und erläutert: "Die Mittagspause ist für die Portugiesen ein regelrechtes Heiligtum. Da wird nicht nur gegessen, sondern auch erzählt und schon mal ein Glas Wein getrunken." Umso mehr habe er sich über die Gastfreundschaft der Feuerwehrleute gefreut.

Ein weiterer Höhepunkt für ihn war auch der Fuhrpark der Lissabonner: "Da stehen alte deutsche Drehleitern aus den 30er- und 40er-Jahren. Wenn die Firma Metz (ein früherer Hersteller für Feuerwehrtechnik, der heute Rosenbauer heißt, Anm. d. Red.) das wüsste, sie würde Millionen dafür bezahlen", glaubt Voosen. "Leider ist alles in einem sehr schlechten Zustand, weil die Feuerwehr für die Stadt nicht an erster Stelle steht." Eine neue Wache und ein Museum seien geschlossen und die Feuerwehr umgesiedelt worden, um das Gelände an eine private Klinikgesellschaft zu verkaufen. Geldmittel versickerten in dunklen Kanälen. "Umso beachtlicher ist es, mit wie viel Herzblut die Wehrleute ihrer Aufgabe nachgehen", so Voosen. Neben neuen Eindrücken, Sprachkenntnissen und Freundschaften nimmt er vor allem die Erkenntnis mit, "dass es uns in Deutschland schon verdammt gut geht. Das muss man einfach mal so sagen."

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