Gastärztin im Ausland Seit 13 Jahren operiert Dr. Schulz ehrenamtlich in Vietnam

HENNEF · "Anders muss nicht falsch sein", sagt Dr. Birgit Schulz. Die Hennefer Orthopädin weiß, wovon sie spricht. 2001 reiste sie erstmalig nach Vietnam, um dort ehrenamtlich Operationen durchzuführen. Bereits damals bemerkte sie, dass es dem dortigen Gesundheitssystem an Geld und somit auch an wichtigem Instrumentarium fehlt.

 Mit vietnamesischen Kollegen und Suppentopf im OP: Birgit Schulz (5.v.l.) bei der Arbeit. Archivfoto: Eisner

Mit vietnamesischen Kollegen und Suppentopf im OP: Birgit Schulz (5.v.l.) bei der Arbeit. Archivfoto: Eisner

Trotzdem ist Schulz, die zehn Jahre am Sankt Josef-Krankenhaus als Orthopädin tätig war und mittlerweile Oberärztin am Diakonie-Klinikum Bethesda in Freudenberg bei Siegen ist, vom Erfindungsreichtum der Vietnamesen begeistert. "Es läuft halt vieles anders als in Deutschland, was aber nicht unbedingt schlechter sein muss", so Schulz.

Seit 2001 nimmt die Ärztin regelmäßig die Reise auf sich, um dort täglich Patienten zu operieren. "Das mache ich natürlich während meines Urlaubs und selbstverständlich auf eigene Kosten", sagt Schulz. Das Land und die Menschen begeisterten die 48-jährige Spezialistin für Kreuzband band- und Schulteroperationen von Anfang an. "Das kommunistische Regime merkt man im Alltag kaum", sagt Schulz. Es fehle allerdings an allen Ecken und Enden an Geld. Das würde vor allem im täglichen Betrieb des Universitätsklinikums in Ho-Chi-Minh-Stadt (früher Saigon) deutlich, wo Schulz ein Mal pro Jahr Gastärztin ist und wichtige Operationen durchführt. Ob Instrumente oder Bücher, es fehlt an allem.

Es gebe zwar Fachärzte, die aber von den neuesten Techniken nur bedingt Ahnung haben. Das bis vor ein paar Jahren geltende Embargo gegenüber Vietnam hat laut Schulz auch den Wissensaustausch verhindert. Ihre vietnamesischen Kollegen sind dankbar, die wichtigen Operationstechniken von Schulz lernen zu können. 2013 organisierte sie gemeinsam mit Professor Dr. Do Phuoc Hung, der die Arthroskopische Chirurgie der Abteilung für Orthopädie an der Uniklinik in Ho-Chi-Minh-Stadt leitet, den ersten Schulterkongress des Landes mit Vorträgen, Live-Operationen und Workshops.

Ho-Chi-Minh-Stadt zählt zwar zwölf Millionen Einwohner, aber laut Schulz beherrschen gerade mal drei Mediziner, darunter Do Phuoc Hung, Schulteroperationen. Die Uni-Klinik verfügt über 1300 Betten, davon alleine 150 Betten für die Orthopädie. "Diese 150 Betten sind aber auf drei Zimmer verteilt", sagt Schulz. Selbst die Balkone würden als "Krankenzimmer" genutzt. Krankenschwestern seien aber nur für die medizinische Versorgung zuständig, "die Pflege übernehmen die Verwandten, die unter den Betten der Patienten schlafen."

Als angenehm empfindet Schulz den unkomplizierten Umgang mit den Patienten. "Sie sind daran gewöhnt, dass sie lange auf Behandlungen warten müssen und gedulden sich." Um dort arbeiten zu können, besteht die Hälfte ihres Reisegepäcks aus Instrumenten, OP-Abdeckungen, Kitteln und Schläuchen. Statt eines speziellen OP-Bohrers verwenden die vietnamesischen Ärzte oftmals einen handelsüblichen Bohrer aus dem Baumarkt. In einem Operationssaal befinden sich zwei Tische, an denen parallel operiert wird. "Bei manchen Operationen muss ich das Gelenk mit Flüssigkeit durchspülen.

Allerdings gibt es dort dafür keine spezielle Vorrichtung", sagt Schulz. Stattdessen benutzte sie dann einen sterilisierten Hühnersuppentopf und Plastikschläuche. Begleitet wird Schulz bei ihren Vietnam-Reisen meistens von der OP-Schwester Erika Reiner.

"Die Hygienevorschriften, die wir kennen, sind dort kaum einhaltbar", sagt Erika Reiner. "Trotzdem kam es nie zu Infektionen", ergänzt Schulz.

Der Wissensaustausch ist Schulz, die im Dezember erneut nach Vietnam reist, sehr wichtig. Mit Professor Hung und Ngyuen Trung Hieu besuchten kürzlich zwei ihrer vietnamesischen Kollegen das Krankenhaus in Freudenberg, um ihr Wissen über die Schulterchirurgie zu erweitern. Genau wie in Deutschland müssen die Ärzte in Vietnam mit positiven Beispielen von den Behandlungsmethoden überzeugen, denn nur dann würde laut Schulz Geld für die notwendige medizinische Ausstattung genehmigt. Einen ersten Erfolg konnten die vietnamesischen Ärzte nach dem Schulterkongress schon vorweisen: Sie benötigen für eine Gelenkspiegelung nicht mehr vier, sondern nur noch eineinhalb Stunden.

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