Prozess vor dem Bonner Landgericht Quintett soll Nachbarn über Wochen gefangen gehalten haben

Siegburg/Bonn · Fünf Männer und Frauen aus Siegburg müssen sich derzeit unter anderem wegen Freiheitsberaubung vor dem Bonner Landgericht verantworten. Sie sollen ihren im Rollstuhl sitzenden Nachbarn über Wochen gefangen gehalten haben.

 Vor dem Bonner Landgericht müssen sich derzeit fünf Siegburger verantworten, die ihren Nachbarn gefangen gehalten haben sollen.

Vor dem Bonner Landgericht müssen sich derzeit fünf Siegburger verantworten, die ihren Nachbarn gefangen gehalten haben sollen.

Foto: dpa/Oliver Berg

Ein derartiges Gedränge auf der Anklagebank sieht man nicht jeden Tag: Insgesamt zehn Personen, fünf Angeklagte im Alter zwischen 29 und 45 Jahren sowie ihre fünf Anwälte nahmen am Dienstagmorgen in Saal 0.15 des Bonner Landgerichts Platz. Die Anklage lautete auf Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Computerbetrug, Raub und Diebstahl. Das Quintett soll einen Nachbarn über mehrere Wochen gefangen gehalten haben. Dem Hauptangeklagten wird von der Staatsanwaltschaft zudem vorgeworfen, das 54-jährige Opfer misshandelt zu haben. Außerdem soll das Konto des Festgehaltenen systematisch geplündert worden sein.

Der 54-jährige Rollstuhlfahrer war am 8. Februar vergangenen Jahres von einem Krankenhausaufenthalt zurückgekehrt. Nach der Behandlung an seinem Bein klingelte er bei einem Paar in der Nachbarschaft, dem er während des Klinikaufenthalts seinen Wohnungsschlüssel anvertraut hatte. In seine eigene Wohnung kam er allerdings so schnell nicht wieder zurück, denn das Paar und der Bruder der Nachbarin sollen den weitgehend hilflosen Mann laut Anklage nun bis zum 5. März in der offenbar zu dritt bewohnten Wohnung festgehalten haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es sich bei dem Bruder der Frau um den Haupttäter handelt. Er soll das Opfer während der rund vier Wochen seiner Gefangenschaft aufs Übelste misshandelt, beraubt und bestohlen haben.

Anklage wirft schwere Misshandlungen vor

Der schlanke 29-Jährige mit der schwarzen Hornbrille verfolgte die Verlesung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe mit weitgehend regungsloser Mine: Sollten die Vorwürfe so zutreffen, müsste der mehrfach wegen Kindesmissbrauchs vorbestrafte Angeklagte starke sadistische Tendenzen haben. Vielfach, so heißt es in der Anklage, soll der 29-Jährige sein Opfer gegen die ohnehin verletzten Beine getreten und den Wunsch geäußert haben, dass der Rollstuhlfahrer die Gliedmaßen verlieren möge. Außerdem soll er dem Wehrlosen den Kopf rasiert und den kahlen Schädel dann mit sexuell anzüglichen beziehungsweise rechtsradikalen Bildern bemalt haben. Sogar einen aus einer Deodose selbst gebauten Mini-Flammenwerfer soll er gegen das Opfer gerichtet haben.

Aber auch ums Geld scheint es gegangen zu sein: Systematisch soll der Hauptangeklagte, der offenbar über gute Programmier- und Computerkenntnisse verfügt, das Konto seines Gefangenen geplündert haben. Allein rund 22.000 Euro gingen an ein Versandhaus, rund 8.000 Euro dieser Summe wurden wegen Retouren im Anschluss auf das Konto des mutmaßlichen Peinigers überwiesen. Außerdem sollen sich die Täter Zugang zu einem Tresor mit 5.000 Euro Bargeld in der Wohnung ihres Opfers Zugang verschafft haben. An einem Tag soll sich auch ein weiteres mitangeklagtes Paar in der Wohnung aufgehalten haben: Dem Mann wirft die Anklage vor, das Opfer festgehalten zu haben, während der Haupttäter diesem eine Gürteltasche mit 800 Euro Bargeld raubte. Die Frau habe dabei seelenruhig zugesehen; sie muss sich nun wegen unterlassener Hilfe verantworten.

Ans Licht kamen die Taten schließlich dank eines aufmerksamen Bankangestellten: Weil dem Mann die plötzlich einsetzenden ungewöhnlichen Kontobewegungen merkwürdig erschienen waren, hatte er sich an die Polizei gewandt. Nachdem die Beamten den Kontoinhaber nicht an seiner Adresse antrafen, stellten sie Nachforschungen an und konnten den 54-Jährigen schließlich aus seiner misslichen Lage befreien.

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