Forschungsprojekt in Siegburg Forscher untersuchen im Kaldauer Wald die Bäume der Zukunft

Siegburg · In einem Waldstück in Siegburg-Kaldauen haben Forscher der Technischen Universität München 12.000 Tannen und Eichen gesetzt. Anhand des Mischwaldes soll festgestellt werden, welche Bäume mit dem Klimawandel am besten zurechtkommen.

 Freuen sich über den „Zukunftswald“ (v.l.): Hans Pretzsch, Hans-Jürgen Weck, Ludgera Decking, Catharina Friedrich und Stefan Rosemann.

Freuen sich über den „Zukunftswald“ (v.l.): Hans Pretzsch, Hans-Jürgen Weck, Ludgera Decking, Catharina Friedrich und Stefan Rosemann.

Foto: Rosanna Großmann

Noch sind die Bäume eher Bäumchen. Im Oktober erst haben Mitarbeiter der Rhenag Rheinische Energie die etwa 20 Zentimeter hohen Setzlinge in die Erde gepflanzt. Doch die Weißtannen haben bereits hellgrüne Spitzen. Gemeinsam mit Traubeneichen stehen sie auf einem knapp sechs Fußballfelder großen Abschnitt im Kaldauer Wald: Dort sollen die 12.000 Bäume Antworten auf die Fragen der Zukunft liefern. Die Rhenag arbeitet für dieses Forschungsprojekt mit dem Wahnbachtalsperrenverband (WTV) zusammen, dem das Waldstück gehört. Für die Forschung im sogenannten „Zukunftswald“ ist die Technische Universität München (TUM) zuständig – zumindest in den nächsten 100 Jahren. Für diesen Zeitraum ist das Projekt angelegt.

„Das sieht noch nicht so ganz nach Wald aus“, sagt Hans-Jürgen Weck, Vorstand der Rhenag, mit Blick auf die 4,1 Hektar große Lücke mitten im Wald. „Aber zu unserem 300. Firmenjubiläum werden hier viele große Bäume stehen.“ Vom Energieversorger, der in diesem Jahr erst 150 Jahre Bestehen feiert, kam die Idee für das spezielle Wiederaufforstungsprojekt. „Der Abschnitt musste wegen des Borkenkäfers gerodet werden“, erklärt Ludgera Decking, Geschäftsführerin des WTV. Die Schädlinge vernichten ganze Wälder, da die Vermehrung der Insekten durch den vom Klimawandel verursachten Temperaturanstieg begünstigt wird. Auch sind die in Deutschland verbreiteten Fichten durch zunehmende Trockenheit geschwächt. Anstatt den Wald einfach wie bisher wieder aufzuforsten, entschieden sich Rhenag und WTV in Siegburg für eine wirklich nachhaltige Variante.

Das Ende der Fichte

In 15 Parzellen wurden die beiden Baumarten in unterschiedlichen Mischverhältnissen angepflanzt. Wie der so entstehende Mischwald unter den lokalen Klimaverhältnissen gedeiht, werden die Wissenschaftler der TU München regelmäßig untersuchen. Am Dienstagmorgen weihten die Kooperationspartner eine Infotafel am Rand des Waldstücks ein, die auch Passanten über die stattfindende Forschung aufklärt. „Wir sehen schon heute, welche Auswirkungen der Klimawandel auf unser eigenes Leben und unser näheres Umfeld hat“, so Bürgermeister Stefan Rosemann. „Wenn wir jetzt nicht Erkenntnisse sammeln, um in Zukunft die richtigen Entscheidungen zu treffen, dann werden wir es nicht mehr schaffen.“ Die Eichen und Tannen werden nun auf ihre Resilienz geprüft – und es wird sich herausstellen, wie gut die Arten miteinander auskommen. Womöglich werden sie sich sogar gegenseitig unterstützen.

 Eine Reihe von Weißtännchen im Kaldauer Wald.

Eine Reihe von Weißtännchen im Kaldauer Wald.

Foto: Rosanna Großmann

„Diversität kann durchaus positiv sein“, bestätigt Professor Hans Pretzsch, Leiter des Lehrstuhls für Waldwachstumskunde an der TUM. Der Forstwissenschaftler weiß, welche Rolle die Fichte gerade für den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit in Deutschland einnahm. „Doch es ist wichtig, dass man jetzt Wald begründet, der nicht mehr Fichte ist“, so der Münchener. Der so typische Nadelbaum sei den klimatischen Veränderungen nicht mehr gewachsen. „Die Eiche und die Weißtanne wurzeln tief“, erklärt Pretzsch, so kämen sie auch besser an tiefer liegendes Wasser im Erdboden. „Beide Arten sind stabil, da geht der Borkenkäfer nicht so dran“, fährt der Wissenschaftler fort, „außerdem ist die Eiche der Baum, der am meisten verschiedene Vögel und andere Tierarten anzieht.“

Offen für Zusammenarbeit

Das Ziel sei es, einen Mischwald heranzuziehen, der auch ein Mischwald bleibe, so Pretzsch: „Wie kriegt man das hin, dass nicht eine Art irgendwann wegfällt, wenn die andere sich besser durchsetzt?“ Die Forstwirtschaft habe sich bisher überwiegend mit Reinbeständen beschäftigt, also jeweils nur eine allein wachsende Art beobachtet. In der Mischkultur könne es sein, dass die eine Baumart der anderen dabei helfe, das Wasser aus dem Boden hochzutransportieren. Und: „Die Tanne hat gern wenig Licht“, erklärt Pretzsch, „die könnte dann von der Krone der Eiche im Sommer geschützt werden.“ In insgesamt 2000 Parzellen, die auf der ganzen Welt und in verschiedenen klimatischen Zonen verteilt sind, betreiben die Münchener Forscher bereits ähnliche Projekte. Das Mischverhältnis von Weißtanne und Traubeneiche wird in Siegburg jedoch zum ersten Mal getestet.

Am Anfang will das Forscherteam noch häufiger nach den Bäumen schauen: „Gerade in den ersten Jahren baut so ein Baum sich einen kleinen Vorteil gegenüber dem anderen schnell immer weiter aus“, erzählt Pretzsch. „Da werden wir dann mindestens zweimal im Jahr kontrollieren.“ Etwa 30 Zentimeter wachsen die Eichen und die Tannen im Schnitt pro Jahr. Geprüft werden auch die Bodenqualität sowie die Pflanzen- und die Käfervielfalt. Die Projektleiter wollen gern mit anderen Forscherinnen und Forschern zusammenarbeiten, die weitere Ideen haben, unter welchen Parametern der Wald beobachtet werden könnte. Antworten auf die brennenden Fragen des zukünftigen Anbaus wird der Wald wohl erst in ein paar Jahren liefern. Einen Ratschlag zur Wiederaufforstung hat Hans Pretzsch jedoch schon jetzt: „Es wäre sehr unvernünftig, hier wieder Fichte zu pflanzen.“

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