Nach Randale im Zug in Siegburg Gewalttäter mit Psychose wird eingewiesen

Bonn · Ein 31-jähriger Mann muss in die geschlossene Psychiatrie. Er verletzte zwei Menschen schwer, als er bemerkte, dass er im falschen ICE saß.

Nachdem er zwei Menschen schwer verletzt hat, muss der 31-jährige Beschuldigte nun in die geschlossene Psychatrie.

Nachdem er zwei Menschen schwer verletzt hat, muss der 31-jährige Beschuldigte nun in die geschlossene Psychatrie.

Foto: Benjamin Westhoff

Der Stopp des ICE 728 im Frankfurter Hauptbahnhof konnte am 3. Juni vergangenen Jahres durchaus für Verwirrung sorgen: Der Haltepunkt sei so „gewählt gewesen, dass man eine Verwechslung nicht ausschließen konnte“, sagte der Vorsitzende Richter des Bonner Schwurgerichts am Montagmittag. Klaus Reinhoff und seine Richterkollegen hatten in einem Verfahren über die Unterbringung eines 31-Jährigen zu entscheiden, der in ebendiesen Zug eingestiegen war, obwohl er eigentlich in die Gegenrichtung fahren wollte. Nachdem das Zugpersonal ihn auf den Irrtum aufmerksam gemacht hatte, sah der unfreiwillige Falschfahrer rot. Noch während der Fahrt lieferte er sich einen wüsten Streit mit einer Zugbegleiterin.

Als der Zugführer schließlich entschied, den Mann am nächsten Halt in Siegburg aus dem Zug zu komplimentieren, wurde der 31-Jährige schließlich so gewalttätig, dass nach kurzer Zeit zwei Personen schwer verletzt auf dem Bahnsteig lagen. Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst Anklage wegen zweifachen Totschlags erhoben. Nachdem klar wurde, dass der Mann an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose leidet, beantragten die Strafverfolger aber die unbefristete Unterbringung des Mannes in der geschlossenen Psychiatrie. Diesem Antrag folgte die 4. Große Strafkammer mit ihrem Urteil am Montag; auch die Verteidigung hatte für die Unterbringung ihres Mandanten plädiert.

Bei den beiden Gewaltopfern handelte es sich um einen Bahnbediensteten, der nicht selber im Zug gesessen hatte und einen Passagier, der dem Mitarbeiter zu Hilfe geeilt war. Der Bahnmitarbeiter unterstützt normalerweise beeinträchtigte Menschen beim Ein- und Aussteigen. Er war von den Zugbegleitern zu Hilfe gerufen worden. Noch während er oberhalb des Bahnsteigniveaus auf dem Blechgitter der Zugtreppe stand, habe der Beschuldigte „wie ein Kraftsportler ausgeholt" und dem Mitarbeiter gegen den Kopf getreten, so Reinhoff. Der Mann ging sofort zu Boden, aber der 31-Jährige trat nach. Das wiederum beobachtete ein Passagier, der nicht zögerte, dem Opfer zu Hilfe zu eilen.

Passanten berichteten anschließend, dass der Helfer ebenfalls Opfer des völlig ausgerasteten 31-Jährigen wurde und mit „einem etwas merkwürdigen Gesichtsausdruck“ zu Boden ging. „Objektiv waren Sie tot!“, sagte der Vorsitzende Reinhoff und richtete seinen Blick auf den 38-jährigen Softwareentwickler, der als Nebenkläger persönlich zur Urteilsverkündung erschienen war. Das Herz des Münchners hatte nach dem Angriff aufgehört zu schlagen. Der 1,90 Meter große Mann konnte nur dank der beherzten Wiederbelebungsmaßnahmen einer zufällig anwesenden Kinderärztin wieder ins Leben zurückgeholt werden. „Volle acht Minuten stand Ihr Herz still“, fuhr der Vorsitzende Richter sichtlich beeindruckt fort.

Trotz der gravierenden Folgen trägt der Beschuldigte im juristischen Sinn keine Schuld. „Dieser Mann ist krank“, so der Richter weiter. Er lebe in einer völlig anderen Wirklichkeit. Dass er sich selber bedroht gefühlt habe, zeige sich insbesondere daran, dass der Beschuldigte im Zug lauthals und immer wieder nach der Polizei gerufen hätte. In seinem Wahn sei er aber eine große Gefahr für andere Menschen, insbesondere, da er kein Empfinden für deren Schmerzen habe und auch keinen Impuls verspüre, aufzuhören. Daher komme nur die unbefristete Unterbringung infrage. Eine Strafvollstreckungskammer prüft nun jährlich, ob die Gefährlichkeit fortbesteht.

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