Tödliche Attacke in Siegburg Angeklagte schweigen im Prozess um Angriff in der Klangfabrik

Siegburg/Bonn · Vor dem Bonner Landgericht müssen sich seit Montagmorgen zwei Männer wegen Totschlags beziehungsweise Beteiligung an einer Schlägerei verantworten. Bei einer Messerstecherei in der Diskothek Klangfabrik in Siegburg war im Juli vergangenen Jahres ein Mann getötet worden.

 Der ehemalige Eingang in die Klangfabrik. Das Gebäude ist inzwischen vollständig entkernt.

Der ehemalige Eingang in die Klangfabrik. Das Gebäude ist inzwischen vollständig entkernt.

Foto: Benjamin Westhoff

Gebügeltes weißes Oberhemd, sorgfältig zurückgegelte schwarze Haare und ein selbstbewusstes Dauerlächeln: Der 24-jährige Hauptangeklagte wirkte bestens gelaunt und signalisierte mit keiner Geste, dass er sich vor einer langen Haftstrafe fürchten könnte. Vor dem Bonner Schwurgericht hat am Montagmorgen der Prozess um eine Messerattacke begonnen, bei der in den frühen Morgenstunden des 30. Juli vergangenen Jahres ein Mann in der Diskothek Klangfabrik in Siegburg getötet und ein weiterer schwer verletzt wurde. Wegen Totschlags beziehungsweise versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung muss sich der 24-jährige Angeklagte verantworten, der aus Siegburg stammt.

Der ebenfalls angeklagte mutmaßliche Mittäter wirkte vor Gericht hingegen deutlich angefasster: Nervosität und Angst spiegelten sich in der Miene des ebenfalls 24-Jährigen, der zu dem Verfahren in einem lässigen Holzfällerhemd erschien. Anders als der Hauptangeklagte, der derzeit in Untersuchungshaft in Köln sitzt, befindet er sich auf freiem Fuß. Bei der Messerattacke soll der junge Mann laut Anklage nicht direkt involviert gewesen sein. Ihm wird von der Staatsanwaltschaft nur die Beteiligung an einer vorausgegangenen Schlägerei vorgeworfen.

Chaos beim Eintreffen der Polizei

Als ein einziges Chaos beschrieben mehrere Polizeibeamte als Zeugen die Situation, die sie vor der berühmt-berüchtigten Siegburger Diskothek bei ihrem Eintreffen vorfanden: Zirka 150 zu einem guten Teil alkoholisierte Gäste hätten sich gegen halb drei Uhr nachts noch in dem Tanzlokal aufgehalten. Sie habe bei ihrem Eintreffen gesehen, wie die beiden Opfer im Eingangsbereich von Notfallmedizinern erstversorgt worden seien, sagte die 47-jährige Einsatzleiterin dem Gericht. Nach einer schnellen Beurteilung der Lage habe sie die Entscheidung getroffen, alle in der Nähe befindlichen Einsatzkräfte anzufordern und die Kollegen die Personalien sämtlicher Gäste aufnehmen zu lassen.

Wie genau es zu der Gewalttat kam, bleibt zunächst noch offen: Beide Angeklagte wollen sich schweigend verteidigen lassen und machten zum Prozessauftakt nur Angaben zu ihrer Person. Die Freunde stammen beide aus dem rechtsrheinischen Siegkreis und arbeiteten nach ihren Schulabschlüssen in diversen Hilfsjobs. Der Hauptangeklagte war zuletzt im Bauunternehmen seines Vaters angestellt. Er stand zum Tatzeitpunkt auch wegen eines ähnlich gearteten Vorfalls unter laufender Bewährung.

Die einzige Schilderung des Vorgeschehens, die zum Prozessauftakt zu hören war, stammte denn auch aus zweiter Hand: Ein Polizeibeamter schilderte, was ihm die mutmaßlich angetrunkene Freundin jenes Opfers geschildert hatte, das den Vorfall schwer verletzt überlebte. Demnach hätten zwei südländisch wirkende Männer die junge Frau „angetanzt“, seien aber nach einer Ansage ihres Freundes und dessen Schwagers, der schließlich seinen späteren Verletzungen erlag, zunächst wieder von dannen gezogen. Erst, als sie nach einer Zigarettenpause wieder in die Diskothek zurückgekehrt sei, habe sie von der Bluttat erfahren.

Bruchstückartige Erinnerung

Wie belastbar diese erste Aussage ist, muss sich nun erweisen: Jedenfalls habe die junge Frau auf ihn „sehr hysterisch“ gewirkt und ihre Erinnerungen seien eher bruchstückhaft gewesen, so der Beamte. In die Auseinandersetzung scheinen dem Vernehmen nach noch weitere Personen involviert gewesen zu sein und der Auslöser könnte tatsächlich eine ungewollte Anmache auf der Tanzfläche gewesen sein: Der Hauptverdächtige soll jedenfalls laut Anklage beiden Opfern nacheinander mit einem Messer in den linken Oberbauch gestochen haben. Bei dem 24-Jährigen wurde durch die Verletzung die Milzarterie durchtrennt. Trotz medizinischer Notversorgung erlag er im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Sein 28-jähriger Bruder erlitt ebenfalls schwere Verletzungen, konnte aber nach drei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Von der Tatwaffe fehlt bislang jede Spur; ein von der Polizei an der Kasse sichergestelltes Messer hatte mit der Tat nichts zu tun. Im Außenbereich des Lokals gibt es drei Überwachungskameras, mit Hilfe deren Bilder die Ermittler schnell auf die Spur der beiden Angeklagten kamen: Der Hauptangeklagte soll „fluchtartig“ die Disko verlassen haben, nachdem um 2:38 Uhr eine junge Frau per Handy die Polizei gerufen hatte. So drückte es der für die Auswertung der Bilder zuständige Polizeibeamte als Zeuge aus. Der Mitangeklagte sei daraufhin mehrfach vor die Tür getreten, wo er offenbar vergeblich nach seinem Bekannten Ausschau gehalten habe.

Die Klangfabrik auf dem Phrix-Gelände, eine ehemalige Fabrik für Zellwolle, ist in den zehn Jahren ihres Bestehens immer wieder in die Schlagzeilen geraten: Insbesondere die Anwohner hatten wohl immer wieder unter dem Vandalismus angetrunkener Heimkehrer zu leiden. Aber auch wegen zahlreicher Körperverletzungsdelikte und weiterer Straftaten musste immer wieder die Polizei anrücken. Nach der Messerattacke vom vergangenen Sommer entschlossen sich die Inhaber, das Lokal für immer zu schließen.

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