Maikundgebung in Siegburg Familienfest und düstere Zukunftsprognosen zum 1. Mai

Siegburg · „GeMAInsam Zukunft gestalten“ war das Motto der Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds und der IG Metall im Rhein-Sieg-Kreis. Trotz deutlich geäußerter Sorgen vor den Folgen der Pandemie und des Ukraine-Kriegs herrschte auf dem Marktplatz in Siegburg auch Feststimmung.

 Gesa Steinseifer und Linus Bentzinger von der IG Metall Jugend Bonn/Rhein-Sieg griffen in ihrer Mairede die realen Zukunftsängste der jüngeren Generation auf.

Gesa Steinseifer und Linus Bentzinger von der IG Metall Jugend Bonn/Rhein-Sieg griffen in ihrer Mairede die realen Zukunftsängste der jüngeren Generation auf.

Foto: Thomas Heinemann

Die Folgen der Coronapandemie, absehbare Folgen des Ukrainekriegs, steigende Energie- und Wohnkosten, sinkende Konjunkturprognosen, dazu die NRW-Wahl in zwei Wochen – nach dreijähriger Pause hatte es der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) leicht, drängende und bewegende Themen für seine Kundgebung zum 1. Mai zu finden. Da die Kundgebung erstmals seit Jahrzehnten auf dem Marktplatz stattfinden durfte und auch das Wetter mitspielte, wurde es zur Kundgebung und dem anschließenden Familienfest auf dem Markt voller als in den Vorjahren. Dazu trug auch der bekannte Kabarettist Wilfried Schmickler bei: ab dem Mittag sorgte er für einen gewohnt bissigen Rückblick auf die Corona-Pandemie und deren Stilblüten in Politik und Gesellschaft.

Den Blick in die Zukunft hatte zuvor DGB-Gewerkschaftssekretär Omer Semmo getreu dem Veranstaltungsmotto „GeMAInsam Zukunft gestalten“ aufgegriffen und für „Mehrheiten für eine neue Politik“ geworben: „Für eine Politik, die gute Arbeits- und Lebensbedingungen in den Mittelpunkt rückt, für mehr Verteilungsgerechtigkeit sorgt und den ökologischen Wandel sozial gestaltet.“ Appelle, die in Siegburg nicht ungehört blieben, da die Parteien die Kundgebung mit Wahlkampfständen als Bühne nutzen. „NRW war einmal das Land der guten Arbeitsbedingungen. Dazu hat vor allem eine hohe Tarifbindung beitragen“, so Semmo und warnte: „Immer weniger Menschen fallen unter den Schutz von Tarifverträgen, in Nordrhein-Westfalen nur noch 57 Prozent.“

Delegierte der Jugend legten den Finger in die Wunden

Mehr Chancengleichheit in der Schulbildung, keine Lockerungen im Arbeitszeitgesetz, die Einführung einer Ausbildungsgarantie sowie den Aufbau landeseigener Wohnungsbaugesellschaften zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums stehen auf der Agenda des Gewerkschaftssekretärs. Gemessen am Zwischenapplaus legte nicht nur Omer Semmo den Finger in die richtigen gesellschaftlichen Wunden, sondern insbesondere Gesa Steinseifer und Linus Bentzinger, die als Delegierte und Mitglieder des Ortsjugendausschusses der IG Metall Jugend Bonn-Rhein-Sieg noch deutlichere Worte für ihre Zukunftssorgen fanden.

„Besonders die Weiterbildung hat zu lange ein Schattendasein geführt“, so Steinseifer, denn wer sich mitten im Berufsleben mit Weiterbildung auf die Transformation der Arbeitswelten einlassen wolle oder müssen, dürfe nicht an der Frage nach der Finanzierung des Lebensunterhalts während der Weiterbildungszeit scheitern. „Weiterbildung wird zur Zukunftsfrage“, zeigte sich Gesa Steinseifer überzeugt, setzte aber noch früher beim Thema Ausbildungsgarantie an: Wenn nur 20 Prozent der deutschen Unternehmen die 100 Prozent an Ausbildungsplätzen bieten, „dann hört da unser Verständnis auf“. Empört zeigten sich Linus Bentzinger über die Entwicklungen in der Leiharbeit und beim Mindestlohn, der nur als „die letzte Haltelinie vor sittenwidrigen Löhnen“ verstanden werden dürfe, aber kaum ausreiche, um auskömmlich zu leben.

Wunsch nach Stärkung der Tarifverträge

Gemeinsamer Wunsch der Rednerinnen und Redner von DGB und IG Metall Jugend: die Stärkung der Tarifverträge. Nur diese sicherten eine planbare Zukunft und eine auskömmliche Finanzierung, so der Tenor, daher brauche es eine Tariftreueklausel. Gesa Steinseifer erklärte es so: Die öffentliche Hand solle ihre Vielzahl an Aufträgen nur noch an jene Dienstleister vergeben, die eine tariftreue Entlohnung ihrer Beschäftigten garantierten. Dies und steigende Löhne sicherten am Ende den Wohlstand der Allgemeinheit, unterstrich Linus Bentzinger: „Wer mehr verdient, zahlt mehr Sozialabgaben und Rente“, und gerade bei der Rente sei alles, was man derzeit aus den Medien erfahre, „ein Horrorszenario für jeden Jugendlichen“.

Nicht jede Forderung und jedes Thema waren neu, aber so aktuell wie nie zuvor. Das wusste auch Bürgermeister Stefan Rosemann (SPD) der vor dem Hintergrund der bekannten Pandemie-Folgen auf die noch kommenden Folgen des Ukraine-Krieges mit Sorgen blickte. Steigende Energiekosten und Preise, dazu die bekannten Herausforderungen bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz oder Familie und Beruf, seien Probleme, die eine Kommune nicht allein werde lösen könne.

Es war das erste Grußwort eines Bürgermeisters seit vielen Jahren auf der Siegburger Maikundgebung, erinnerte Michael Korsmeier, Geschäftsführer der IG Metall Bonn-Rhein-Sieg, als Moderator des Tages, der nach der drängenden Forderungen an die Politik und beklemmenden Zukunftssorgen von DGB und IG Metall Jugend den Gästen auf dem Marktplatz auch Gutes und Schönes angekündigten konnte: Mehr als 20 Aussteller, darunter das THW, die AWO und die Verbraucherzentrale, bereicherten das Fest, das auf der Bühne ein buntes Rahmenprogramm für die ganze Familie mit Sportvorführungen und Musik bot.

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