Gedenken an NS-Opfer Stolpersteine in Siegburg erzählen die Geschichte verfolgter Juden

Siegburg · Es ist die achte Stolpersteinverlegung in Siegburg, damit erinnern nun mehr als 90 Steine an die Judenverfolgung im Nationalsozialismus. Der Enkel einer der Jüdinnen erzählt aus dem Leben seiner Großmutter und warum es so wichtig ist, über Antisemitismus zu sprechen.

 Ein Mitarbeiter des Bauhofs verlegt die Stolpersteine der Familie Linz in der Holzgasse.

Ein Mitarbeiter des Bauhofs verlegt die Stolpersteine der Familie Linz in der Holzgasse.

Foto: Anna Ingerberg

1899 als Jüdin geboren, scheint ihr Schicksal für die Zeit der Herrschaft der Nationalsozialisten schon vorbestimmt. Anna „Anny“ Remmel schafft es aber, nachdem sie im Lager Müngersdorf interniert und nach Theresienstadt deportiert wurde, wieder zurück in ihre Heimatstadt Siegburg, wo sie bis 1981 gelebt hat. Obwohl sie die Zeit des Dritten Reichs überlebt hat, steht ihre Geschichte stellvertretend für die der vielen durch das NS-Regime verfolgten Jüdinnen, Juden und anderen Opfer. Seit Dienstag erinnert in Siegburg je ein Stolperstein an das Schicksal von Anna Remmel sowie an das vier weiterer jüdischer Opfer des Nationalsozialismus.

Die zunächst eher unauffälligen Stolpersteine sind, wenn man weiß, dass es sie gibt, unübersehbar. Die gold-glänzenden Steine sind überall in Europa in den Boden eingelassen, um die Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes wach zu halten. Allein in Siegburg gibt es mehr als 90 Stolpersteine. Vor 20 Jahren legte der Künstler Günter Demnig die ersten Erinnerungssteine in der Kreisstadt und kam immer wieder, um weitere in Pflaster und Bordsteine einzulassen. Am Dienstag überließ er das Verlegen anderen, da er persönlich verhindert war.

Erinnerungen an Anna Remmel

Anna Remmels Enkel Paul holt ein Bild aus seiner Tasche: Darauf ist seine Großmutter inmitten einer vom Krieg zerstörten Straße zu sehen, wie sie Blumen pflanzt. Das Bild zeigt ihren letzten Wohnsitz in der Mühlenstraße. Auf die Einstellung komme es an, sagt Remmel. Ihrer Familie, besonders ihren Enkeln gegenüber sei Anna Remmel immer ein sehr froher und lustiger Mensch gewesen. „Der Stolperstein mit ihrem Namen darauf ist so etwas wie ein Abschluss“, sagt ihr Enkel.

Doch betont er, dass die Steine nicht nur für die einzelne Person stehen, sondern als Aufruf für die Gesellschaft dienen. „Wenn nur ein Mensch stehen bleibt und ins Nachdenken kommt, haben die Steine ihre Berechtigung“, sagt Paul Remmel, der am Anno-Gymnasium Abitur gemacht hat. Umso mehr freut er sich, dass auch eine Gruppe junger Schüler des Gymnasiums bei der Legung der Stolpersteine anwesend war. Es müsse über die Geschehnisse der vergangenen Zeit gesprochen werden, sagt Paul Remmel. Besonders junge Menschen müssen aufgeklärt werden, findet er. Die hätten zwar nicht die Verantwortung für das, was damals passiert ist, aber dafür, dass es nicht wieder passiert.

Stolpersteine in ganz Europa

Neben dem Stein für Anna Remmel an der Mühlenstraße erinnern auch in der Holzgasse weitere Steine an Opfer des NS-Regimes. Die Namen von Henriette „Jette“, Bernhard und Anneliese Rosa Linz sowie Ernst Baum sind etwa vor den Häusern mit der Nummer 21 und 39 auf den Plaketten zu lesen. Die Familie Linz floh in die USA, Ernst Baum kam in Dachau in Schutzhaft, floh nach Belgien, wurde anschließend in Mechelen interniert und 1942 in Auschwitz umgebracht.

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Günter Demnig und erinnern an die Geschichte der vielen Verfolgten, Deportierten und Getöteten während der Zeit der Nationalsozialisten. Sie werden in das Pflaster vor dem letzten frei gewählten Wohnsitz der Opfer des NS-Regimes eingelassen. Das größte dezentrale Mahnmal der Welt umfasst mittlerweile mehr als 100.000 Steine in 24 Ländern. Der reinen Zahl der Menschen, die durch die Nationalsozialisten vertrieben und getötet wurden, soll dadurch ein Schicksal verliehen werden, so Elisabeth Winkelmeier-Becker, Vorsitzende des Fördervereins Gedenkstätte Landjuden an der Sieg.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Theater ohne Bühne
Studiobühne Siegburg Theater ohne Bühne