Überfall auf Uhrenhändler in Siegburg Angeklagte im Prozess um Überfall wollten Mithäftling befreien

Siegburg/Bonn · Die beiden Angeklagten im Prozess um den Überfall auf einen Uhrenhändler in Siegburg sollen geplant haben, einen Mithäftling zu befreien. Doch das war nicht die einzige Überraschung bei der Verhandlung vor dem Bonner Landgericht.

Der Hauptangeklagte (Mitte, gepixelt) mit seinem Anwalt Sebastian Holbeck (links daneben) am Mittwoch bei der Verhandlung am Bonner Landgericht.

Der Hauptangeklagte (Mitte, gepixelt) mit seinem Anwalt Sebastian Holbeck (links daneben) am Mittwoch bei der Verhandlung am Bonner Landgericht.

Foto: Leif Kubik

Zum Verfahrensauftakt Ende April ging es noch relativ leger zu. Am zweiten Verhandlungstag an diesem Dienstag ließ die Vorsitzende Richterin der 3. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht Claudia Gelber dann aber die Sicherheitsvorkehrungen sichtbar hochfahren: Im Verfahren um den durch die Fernsehsendung „Aktenzeichen XY . . . ungelöst“ bekannt gewordenen Überfall auf einen Siegburger Juwelier hat die Kammer eine sitzungspolizeiliche Anordnung getroffen: Ab sofort wird vor jedem Termin eine Einlasskontrolle durchgeführt.

Der Grund dafür lässt aufhorchen: Die Kontrollen seien erforderlich, weil es während der Verhandlung zu Befreiungsversuchen kommen könne. Es sei im Zuge der Ermittlungen bekannt geworden, dass eine Tätergruppierung um die beiden Angeklagten geplant haben soll, einen Mitgefangenen mit Waffengewalt aus der Justizvollzugsanstalt Aachen zu befreien.

Der Verhandlungstag begann dann mit der Fortsetzung der Beweisaufnahme: Das Opfer selber stand dem Gericht als Zeuge Rede und Antwort. Parallel zu den gemeinsam gesichteten Bildern der beiden Überwachungskameras aus seinen Geschäftsräumen skizzierte der 48-jährige Kfz-Sachverständige noch einmal den Tathergang aus seiner Sicht. Er erinnere sich schon alleine deshalb so gut an den Tag, weil er später ins Büro gekommen sei. Er habe seine kleine Tochter zuvor an der Grundschule angemeldet und als erstes mit seiner Familie telefoniert, die zu einem Urlaub in der Türkei war. Noch während des Telefonats habe es geklingelt und er habe das Gespräch beendet und einem Paar, das vor dem Eingang wartete, die Tür geöffnet. Die Besucher schlugen ihm ohne Vorwarnung mit der Faust so stark ins Gesicht, dass er zu Boden gegangen sei.

Mit Gewalt ins Büro eingedrungen

Unmittelbar danach seien drei weitere Männer in sein Büro eingedrungen, zwei von ihnen hätten ihn gezwungen zwei Safes in einem Hinterzimmer zu öffnen. Deren Inhalt - überwiegend hochpreisige Uhren - sowie weitere Luxusgegenstände wie Schmuck oder teure Taschen und Schuhe hätten die Räuber dann in einen großen karierten Bettbezug gestopft und in ihren Fluchtwagen geschleift. Er selber blieb nach dem Überfall mit Kabelbindern an Händen und Füßen gefesselt in seinen Räumen zurück. Dort habe er sich aber schnell befreien und die Polizei rufen können.

Dass das Gericht jeden Zeugen vor Beginn der Vernehmung auf seine Rechte und Pflichten hinweist, gehört zur selbstverständlichen Routine. Der von Richterin Gelber vor Beginn der Befragung mit besonderer Deutlichkeit vorgetragene Hinweis auf den Paragrafen 55 der Strafprozessordnung konnte aber schon stutzig machen. Dort ist das Aussageverweigerungsrecht für den Fall geregelt, dass man sich selber belasten könnte.

Ein ungewöhnliches Juweliergeschäft

Wer nämlich von außen vor den Geschäftsräumen des 48-Jährigen stand, konnte von einem Juweliergeschäft nichts sehen. Er sei im Hauptberuf Kfz-Sachverständiger und den Uhren- und Schmuckhandel habe er nur als Nebengewerbe von dem Hinterzimmer aus betrieben, so der Zeuge. Dabei habe es sich aber eher um eine Liebhaberei gehandelt. Wenn dies denn zutrifft, war es zumindest eine teure Liebhaberei: Auf immerhin 532.000 Euro hatte das Überfallopfer den Wert der geraubten Luxusgegenstände taxiert. Als es dann um die Frage nach der Höhe der Gewinne ging, schwieg der vorgebliche Nebenerwerbsjuwelier. Es liefen Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung gegen seine Ehefrau, so Nebenklagevertreter Heinz Petersohn.

Nach den mutmaßlichen Tätern hatte die Polizei lange gesucht und erst, als in der ZDF-Fernsehsendung „Aktenzeichen XY . . . ungelöst“ über den Fall berichtet worden war, kam Bewegung in die Sache: Offenbar waren die Telefone mehrerer Verdächtiger überwacht worden und nach der Ausstrahlung wurde intensiv über die Sendung diskutiert. Für den Hauptangeklagten hatte dessen Anwalt Sebastian Holbeck am ersten Verhandlungstag gesagt, dass sein Mandant nicht an dem Überfall beteiligt gewesen sei. Mit einem Urteil wird frühestens Anfang Juni gerechnet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort