Interview mit Claudia Böttcher Wie die Siegburger Studiobühne Märchen inszeniert

Interview | Siegburg · Mit Peter Pan, Sterntaler und Hänsel und Gretel hat die Siegburger Studiobühne hat gleich drei Märchen auf ihrem Spielplan. Im Interview spricht Geschäftsführerin Claudia Böttcher über die vielfältigen Aufgaben des Theaters zwischen Märchen-Inszenierungen, Ferienwochen und dem Traum von einem künstlerisch offenen Ort.

 Seit Mai zeigt die Studiobühne Siegburg auch das Märchen vom Sterntaler.

Seit Mai zeigt die Studiobühne Siegburg auch das Märchen vom Sterntaler.

Foto: Studiobühne Siegburg

Man könnte meinen, dass sie ein Genre „von gestern“ wären. Denn mit „Es war einmal“ beginnen die meisten Märchen. Sie spielen in Wäldern, bieten furchterregende und verzaubernde Begegnungen und schicken die Fantasie von Machern und Genießern gänzlich ohne Handys oder sonstige digitale Nachhilfeleistung auf die Reise. Warum Märchen dennoch den Stoff für die Zukunft besitzen, wie es kleinen Theatern in den Zeiten nach dem Corona-Lockdown geht und was man in der Zukunft noch von ihnen erwarten darf, verriet Claudia Böttcher, Geschäftsführerin des Siegburger Vereins Theaterschatz im Gespräch mit Susanne Haase-Mühlbauer.

Was ist Ihr Aufgabenfeld in der Studiobühne Siegburg?

Claudia Böttcher: Ich bin zuständig im Theaterschatz, das heißt in Studiobühne, Tollhaus und Schauspielschule Siegburg, für Kommunikation, Organisation, Projektmanagement – alles außer Finanzen. Während mein Mann René zusammen mit Maike Mielewski die künstlerische Leitung des Theaterschatz innehat, schaue ich, dass die verrückten Ideen umgesetzt werden können – organisatorisch, juristisch und brandschutztechnisch.

Nach dem Corona-Lockdown und der zweijährigen Zwangspause seit März 2020 drehen die Theater nun landesweit wieder auf. Wie fühlt es sich an?

Böttcher: Einfach nur großartig. Es boomt wieder richtig. Zwar erleben wir noch eine Zurückhaltung der Besucher, aber gerade in den letzten Wochen geht es stark aufwärts. Die Osterferienkurse waren so schnell wie nie ausgebucht. Wir freuen uns über jede Menge Anfragen von Kindern nach den wöchentlichen Theater Tollhaus-Kursen. Das ist die größte Nachfrage überhaupt unter den sieben bis 15 Jahre alten Theaterinteressenten – nicht erst nach Corona.

„Peter Pan“ im März, „Sterntaler“ im Mai, „Hänsel und Gretel“ im August“? Warum plötzlich so viele Märchen?

Böttcher: Zum einen, weil wir für Kinder schon lange nichts mehr machen konnten und weil die „Hänsel und Gretel“-Inszenierung im letzten Jahr unter freiem Himmel im Kaldauer Waldkindergarten ein so großer Erfolg war. Dieses Märchen war allerdings ziemlich speziell inszeniert, live begleitet von einem Bläserquintett der Kölner Musikhochschule. Im Zuge des Humperdinck-Jahres 2021 war das ein echtes Highlight. Das hat uns gezeigt, dass wir in diesem Jahr noch mehr Märchen auflegen und für Familien und Schulklassen anbieten sollten.

Worin liegt der besondere Reiz, ein Märchen im Theater anzuschauen?

Böttcher: Märchen geben so viel mehr her als nur eine einfache Geschichte. Sie fördern auch die Kreativität und Fantasie der Theaterbesucher. Das sehe ich selber an unserer fünfjährigen Tochter. Sie liebt „Max und Moritz“, „Peter Pan“ und die ganzen alten Märchen. Zuhörer können Märchen auf mehreren Ebenen verstehen. Sie haben so etwas Inspirierendes, was klein dargestellt ist. Wenn man es sacken lässt, steckt oft etwas ganz Großes dahinter.

Und wenn man die andere Seite betrachtet: Was macht Märchen für Theatermacher so attraktiv?

Böttcher: „Sterntaler“ ist eigentlich eine sehr kurze Geschichte. Sie bietet nur wenig Textfläche für ein Theaterskript. Aber die Grundidee – „Wenn Du anderen gibst, wird auch zu Dir irgendwann das Glück kommen“ – bietet viel Raum für eine Inszenierung. Nicht nur durch Sprache, sondern auch durch die Bilder auf der Bühne wird das Märchen dann für die Theaterbesucher aller Altersgruppen verständlich. Es spiegelt sich auch im Tanz und im Bühnenbild.

Wer spielt denn die Märchen in der Studiobühne – erwachsene Profis oder Kinder und Laien?

Böttcher: Märchen lassen wir immer vom ersten Jahrgang der Schauspielschule spielen. Wenn noch nicht soviel Sprache auf der Bühne gefordert wird, gilt es mehr, den Text mit der Sprache des Körpers zu spielen. Bei „Hänsel und Gretel“ ist es anders, da haben wir Profis im Boot.

Hänsel und Gretel wird im Waldkindergarten aufgeführt. Sind Kinder die Zielgruppe?

Böttcher: Zielgruppe ist immer die ganze Familie, hier sollen Kinder und Erwachsene das Theater gemeinsam erleben oder mitgestalten. Gleiches gilt für die Gemeinsamkeit in der Preisgestaltung. Erwachsene zahlen dann das gleiche wie Kinder, weil sie sich beim gemeinsamen Theater-Erlebnis gleichberechtigt fühlen sollen.

„Hänsel und Gretel“ waren in Ihrer letztjährigen Inszenierung Klima-Flüchtlinge. Wurde die mahnende Aussage von den Kindern überhaupt begriffen?

Böttcher: Von den Kleineren sicherlich nicht. Die größeren Kinder und Eltern verstanden es aber sehr gut. Jeder kann bei uns das, was in seiner Auffassungsgabe liegt, für sich mitnehmen. Im Übrigen waren Märchen früher gar nicht für Kinder gedacht, sondern richteten sich an Erwachsene. Deshalb ist einiges bei den Brüdern Grimm hart und brutal und so gar nicht für Kinderohren geeignet.

Das Projekt „Talentschule“ sieht Theaterarbeit mit den Schülern der Gesamtschule vor. Wie läuft das dann ab?

Böttcher: Christoph Wolff und Erika Rifinius bieten einen Kunst-Theater-Workshop, der sich besonders an die Themen von Jugendlichen hält, die aufgrund von Corona benachteiligt wurden. Und Jule Fees übernimmt dort die Theater-Kurse für die fünfte bis siebte Klasse. Sie arbeitet eng mit den Kindern zusammen im Rahmen des Unterrichtsfachs „Darstellen und Gestalten“. Es geht um das Heranführen an darstellende Kunst, Theater lesen, anschauen, selber machen... in vielen kleinen Schritten führt sie die jungen Menschen in das Thema ein. Es wird dort sehr gut angenommen, ist aber auch sehr herausfordernd, denn für die meisten bedeutet es den Einstieg in die „Basics“. Da zeigt sich schnell die harte Realität, dass es ein weiter Weg bis zu einem gemeinsam gespielten Theaterstück ist. Es zeigt sich aber auch, dass die Arbeit im normalen, sozialen Miteinander bereits Früchte trägt.

Und wie ist es bei Ihren Ferienworkshops für Schüler – muss man da Theatererfahrung haben?

Böttcher: Nein – ganz im Gegenteil. Gedacht sind die Workshops für diejenigen, die es sich erst mal anschauen wollen. Vier Tage stehen zur Verfügung, der Workshop-Leiter arbeitet individuell auf die Gruppe abgestimmt. Am Ende gibt es eine Präsentation und dann sollte sich jeder in den Kursen wiederfinden können.

Was bedeutet die Studiobühne Ihnen persönlich?

Böttcher: Sie gibt mir Sinnhaftigkeit in meinem Tun, jeden Tag aufs Neue. Sie ist künstlerisches Zuhause für Kinder und Jugendliche, Menschen können sich bei uns mit leichteren und auch schweren Themen unterhalten lassen, wir bieten gut 40 Schauspiel-Schülern eine Ausbildung und die Möglichkeit, ihre Themen weiterzuentwickeln und ihren Traum zu verwirklichen. Das gibt mir eine eigene Sinnhaftigkeit.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Böttcher: (lacht) Dass unser Theaterhaus am Neuenhof klappt. Das eigene Haus des „Theaterschatz e.V. am Bildungscampus Neuenhof“ soll ein künstlerisch offener Ort für ganz Siegburg und die Region werden. Für Gesamt- und Realschule, aber auch für die Bürgerschaft, als Theaterbesucher oder als Mitwirkende, wie etwa aktuell im Stück „Zeitzeugen der Liebe“. Ich wünsche mir ein noch stärkeres Verzahnen von Kunst, Sport, Schule, Bürgerschaft, Karneval und Chören. Dazu gibt es viel Potenzial. Es soll eine Bereicherung für alle sein. Das mitzugestalten, zu verantworten und zu führen ist tatsächlich eine Art Lebenstraum. Mehr Sinnhaftigkeit geht da nicht, abgesehen von meiner Tochter.

À propos... was macht die Kleine Danaé denn schon mit?

Böttcher: Oh, das ist einiges... Kartenverkauf, Möbelrücken, Blümchen kaufen und fegen.

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