Wandel in der Innenstadt Siegburger Händler beklagen sinkenden Umsatz

Siegburg · Die Geschäftsinhaber in Siegburg kämpfen mit Rabatten um ihre Kundschaft. Im Gespräch berichten sie von den Herausforderungen während der Pandemie. Die Stadt will ihr neues Einzelhandelskonzept im August präsentieren.

 Seit 1994 betreibt Norbert Kamp in der Siegburger Innenstadt seine Schusterei.

Seit 1994 betreibt Norbert Kamp in der Siegburger Innenstadt seine Schusterei.

Foto: Michael Lehnberg

Leer und wie ausgestorben wirkte die Stadt Siegburg nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Seit die strengen Vorschriften wieder gelockert wurden, laufen die Geschäfte in der Innenstadt nur langsam wieder an. Die Außengastronomie füllt sich bei schönem Wetter mit Leben, die Tische auf dem Markt sind gut besetzt, und die Siegburger genießen ein Stück wiedergewonnene Lebensqualität.

Gleichwohl verzeichnen die Läden Umsatzeinbußen, die nicht leicht aufzufangen sind. „Abgesagt“ ist daher auch ein viel gebrauchtes Wort auf der Homepage des Verkehrsvereins Siegburg für dessen Aktionen. So konnte auch das Holzgassenfest am 12. Juli nicht stattfinden. Die Einzelhändler versuchen indes, die Kunden, die in vergangenen Monaten vermutlich verstärkt im Internet eingekauft haben, mit reichlich Rabatten und Sonderangeboten wieder in die Stadt zu locken. Wer jedoch aufmerksam durch die Innenstadt spaziert, muss feststellen, dass schon eine Reihe Ladenlokale leer stehen und einige bald schließen werden. Aber es wird auch umgebaut wie am oberen Markt. Auch der T-Punkt präsentiert sich den Kunden im neuen, modernen Gewand.

„Ich habe schon so um die 50 Prozent Umsatzeinbußen“

Und es gibt sie noch, die kleinen inhaberbetriebenen Läden und Perlen, die eine Innenstadt so anziehend machen, seien es der Bastelladen, der kleine Plattenladen „beats’n melodie“, die Bäckerei Bauer, die schon seit 1882 ihre Backstube in der Innenstadt hat, oder die Schuhmacherei Kamp. „Wobei, Schuhe mache ich nicht mehr. Mein letztes Paar habe ich in der Meisterschule gefertigt“, sagt Norbert Kamp, der sein Geschäft mit Schlüsseldienst am Ende der Holzgasse hat. Seit 1994 bringt er in seinem Laden mit zum Teil 70 bis 80 Jahre alten Maschinen Schuhe wieder in Schuss und freut sich, wenn seine Stammkunden auf einen kleinen Plausch vorbeikommen.

Corona hat auch ihn ziemlich getroffen. „Ich habe schon so um die 50 Prozent Umsatzeinbußen.“ Da­runter leidet auch Fabian Böttner mit seiner Vinothek, der im zweiten Jahr in der Holzgasse ist und schon auf das Weihnachtsgeschäft blickt und auf den mittelalterlichen Markt hofft. „Siegburg hat in den letzten Jahren schon ein wenig an Attraktivität eingebüßt“, meint er. Gut gestartet dagegen ist das Geschäft „Siegburg unverpackt“ neben Kamps Schusterei. Seit anderthalb Wochen hat Stella Gaintantzi ihr Geschäft geöffnet.

„Ich bin sehr zufrieden, wie es angelaufen ist, trotz Corona. Die Leute sind begeistert und ich hoffe sehr, dass das auch so bleibt.“ Zu ihrer Produktpalette gehören Lebensmittel, Getränke, Süßwaren, Seifen, wiederverwertbare Spülschwämme und Kaffeefilter, Zahnpasta und -bürsten.

Wenig Leerstand in der Holzgasse

Rund 300 Artikel hat sie im Angebot, die zu 95 Prozent biologisch angebaut, vegan und natürlich unverpackt sind. Verpackungen werden entweder selbst mitgebracht oder es werden jene benutzt, die im Laden leer geworden sind. Die Holzgasse präsentiert sich allgemein mit recht wenig Leerstand, demgegenüber warten viele Geschäftslokale an der Kaiserstraße auf neue Mieter, unter anderem auch das Esprit-Geschäft, das am 14. August schließen wird.

Der Räumungsverkauf läuft seit einiger Zeit auch im Modegeschäft Daniels, das eigentlich schon Ende 2019 geschlossen werden sollte, aber noch immer Kleidung zu reduzierten Preisen anbietet. „Wann hier Schluss ist, wissen wir nicht. Es gibt noch keinen Nachmieter“, sagt eine Verkäuferin. Am Markt steht immer noch die alte Apotheke leer und wartet auf ihren Nachfolger. „Mein Traum ist, dass da eine traditionelle Kölschkneipe à la Lommerzheim reinkommt“, sagt Bürgermeister Franz Huhn.

„Siegburg ist in einer fantastischen Form“

Gegenüber wollte Brandos Coffee schon im Frühjahr wieder öffnen, ist aber noch geschlossen. Die geschlossene Salatbar am oberen Markt wird derzeit noch umgebaut. Dort soll das Burger-Restaurant „Be Real“, derzeit noch am Ende der Holzgasse, mit einem besonderen Konzept einziehen. „Die Frequenzen zeigen, dass Nachmieter da sind“, sagt Huhn. Mario Parisi, Betreiber des Casbah-Restaurants, freut sich über das derzeit schöne Wetter. „Wir haben das Glück, am Markt einen guten Standort zu haben und sind gut ausgelastet“, sagt der Gastronom.

Können die Gäste allerdings nur im Restaurant sitzen, weil das Wetter schlecht ist, verzeichnet er wegen der Corona-Regeln schon Umsatzverluste von 50 bis 60 Prozent. „Andere Kollegen am Rande der Stadt haben aber noch stärkere Einbußen.“ Die Gastronomie sei durch die Abstandsgebote nach wie vor gehandicapt, meint Sissis Vassiliades, Vorsitzender des Verkehrsvereins Siegburg. Er sieht aber die Siegburger City insgesamt gut aufgestellt, trotz aller Sorgen und Nöte. „Ich wünsche mir mehr Angebote für die jüngere Generation.“

Den Leerständen begegnet er mit Gelassenheit. „Und zwar deshalb, weil Siegburg ein attraktiver Standort ist und bleiben wird.“ Nach dem Corona-Lockdown gehe es insgesamt auch wieder aufwärts. Er verspreche sich neue Impulse, wenn 2021 die Bebauung des Goldberg-Areals an der Kaiserstraße und des Allianz-Parkplatzes erfolge. „Hier werden neben Gewerbeflächen auch zahlreiche neue Wohnungen entstehen. Damit kommt weitere Kaufkraft nach Siegburg.“

So schätzt auch Huhn die Situation ein. „Siegburg ist in einer fantastischen Form“, fasst er das Ergebnis des fortgeschriebenen Einzelhandelskonzeptes, das demnächst vorgestellt wird, zusammen (siehe Infobox). „Das allerwichtigste aber ist für mich, dass der Kaufhof Siegburg erhalten bleibt.“ Das sei der zentrale Anker in der Innenstadt.

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