Zukunft des Erzbistums Siegburger Pfarrgemeinde will Erzbischof Woelki zum Gespräch einladen

Siegburg · Und jetzt? Das fragen sich viele Gläubige nach der Auszeit von Erzbischof Rainer Maria Woelki. Mitglieder der Siegburger Pfarrgemeinde Sankt Servatius haben sich angesichts der Missbrauchsaufarbeitung und der Rolle des Kardinals ausgetauscht und sich positioniert – auch mit Blick auf ihre Gemeinde.

 In der Siegburger Pfarrkirche Sankt Anno haben sich Gemeindemitglieder der Pfarrgemeinde Sankt Servatius ausgetauscht.

In der Siegburger Pfarrkirche Sankt Anno haben sich Gemeindemitglieder der Pfarrgemeinde Sankt Servatius ausgetauscht.

Foto: Nadine Quadt

Das Glockengeläut der Siegburger Annokirche galt den Menschen in der Ukraine. Zusammen mit anderen Kirchenglocken im Erzbistum Köln klingen sie während der Fastenzeit an jedem Abend ab 19 Uhr als Mahnung für den Frieden. Von einem Moment des Innehaltens sprach Pfarrer Karl-Heinz Wahlen am Mittwochabend, als das Geläut verstummte. Um innezuhalten, vor allem aber, um sich auszutauschen, war ein kleiner Kreis an Gläubigen  in der Pfarrkirche im Siegburger Norden zusammengekommen. Auf Einladung des Pfarrgemeinderats der Pfarrgemeinde Sankt Servatius wollten sie sich Gedanken darüber machen, wie es angesichts der Missbrauchsaufarbeitung, der Kirchenaustritte und der beendeten Auszeit von Erzbischof Rainer Maria Woelki im Erzbistum, aber auch konkret in ihrer Gemeinde weitergehen kann – und sich positionieren.

„Wir haben den Erzbischof auch eingeladen“, sagte Wahlen mit Blick auf dessen Fastenhirtenbrief. Darin hatte Woelki dazu eingeladen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Der Einladung in die Kreisstadt konnte er an diesem Abend indes nicht folgen, da er auf der Bischofskonferenz weilte. „Er hat aber sein Interesse an einem Treffen bekundet“, so Wahlen. Man könne ja nun gemeinsam überlegen, ob die Gemeinde ein solches Treffen wolle. Johannes Sabel, der das Katholische Bildungswerk im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis leitet, benannte mit Missbrauch, pastoralem Zukunftsweg, großem synodalem Weg und der Auszeit des Erzbischofs die großen Themen, die die katholische Kirche bewegen. „Wir wollen wissen: Was geht Ihnen durch den Kopf, was durchs Herz?“, fragte er die Anwesenden, nachdem er die Inhalte von Woelkis aktuellem Hirtenbrief noch einmal zusammengefasst hatte.

Menschen sind irritiert, enttäuscht und wütend

Die Gefühle der Menschen in der Annokirche bewegten sich an diesem Abend zwischen Irritation, Wut, Enttäuschung, Entsetzen, Hilflosigkeit und auch Verständnis. „Mir fehlt die Vision“, bezog ein Gemeindemitglied etwa sofort Stellung zu Woelkis Worten. „Sie sind ein Zeichen der Stagnation“, fügte ein anderer hinzu. Einen Neuanfang mit dem Erzbischof konnten sich einige nicht vorstellen. „Ich habe ihn in den letzten Monaten nicht vermisst“, bekannte eine Siegburgerin. „Entweder er geht oder ich gehe“, eine andere. „Warum eiert er so rum?“, fragte ein Mann. Die Sachlage sei doch klar: Wer sich des Missbrauchs schuldig gemacht habe, müsse sich der Justiz stellen. Dazu müsse der Erzbischof die Schuldigen auffordern.

Aber es gab auch versöhnliche Töne in Richtung des Kardinals. „Eine demütige Haltung“ las etwa eine junge Frau aus seinen Worten und plädierte dafür, ihm gegenüber nicht zu hart zu sein. „Wir sollten ihm eine Chance geben“, sprang ihr jemand zur Seite. Sie empfinde ihn als angstbelasteten Menschen, der in seinem Glauben unerwachsen geblieben sei, sagte eine Gläubige. Breite Zustimmung gab es für den Einwand: „Wenn Frauen eine verantwortungsvolle Rolle in der katholischen Kirche hätten, wäre vieles anderes gelaufen.“

Einig waren sich am Ende des Abends alle darin, dass sie das Gespräch mit dem Erzbischof suchen wollen. Dazu formulieren sie nun zunächst gemeinsam mit dem Pfarrgemeinderat einen Einladungsbrief an Woelki, der die verschiedenen Gedanken des Gesprächsabends aufgreift. Abschließend hielt ein Gemeindemitglied indes fest: „Entscheidend ist für mich unsere Positionierung als Gemeinde und die Frage, was wir vor Ort ändern wollen.“ Eben diese Frage treibe die Gemeinde schon länger um, sagte Pfarrer Wahlen. Und die solle bei den in Kürze wieder stattfindenden Pfarrversammlungen nach den Messen gemeinsam erörtert werden.

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