Hochexplosives zum Jahreswechsel Silvester-Party in Windeck verzichtet auf Feuerwerk

Rhein-Sieg-Kreis · Während Tausende beim alljährlich Weco-Werksverkauf in Eitorf Schlange stehen, verzichtet in der Nachbargemeinde Windeck der Veranstalter einer Silvesterparty bewusst auf Pyrotechnik.

 Andrang um 6 Uhr morgens beim Weco-Werksverkauf in Eitorf. FOTO: INGO EISNER

Andrang um 6 Uhr morgens beim Weco-Werksverkauf in Eitorf. FOTO: INGO EISNER

Foto: Ingo Eisner

Es ist eine Tradition, an der sich die Geister scheiden. Während die einen es kaum erwarten können, das neue Jahr mit fulminanten Farbenspielen am dunklen Nachthimmel und lauter Knallerei zu begrüßen, lehnen die anderen Feuerwerk grundsätzlich ab: Es sei Geldverschwendung, Umweltverschmutzung und eine extreme Belastung für Tiere. In den Nachbargemeinden Eitorf und Windeck prallen die beiden Welten in der Silvesternacht gleichsam aufeinander. Während Eitorf mit dem Hauptsitz des Pyrotechnikherstellers Weco zu einer Art „Böller“-Hauptstadt avanciert ist, verzichtet die Kulturhalle Kabelmetall in Windeck-Schladern bewusst auf die Silvesterknallerei.

Anhaltender Feinstaubdiskussion und klirrender Kälte zum Trotz harrten am frühen Freitagmorgen gegen 5.30 Uhr wieder einmal rund 2000 Feuerwerkfans vor den Firmentoren der Weco aus, um beim alljährlichen Werksverkauf die begehrten Kartons mit Pyrotechnik zu ergattern. „Ich habe mir vor ein paar Tagen einen Euro-6-Diesel bestellt, jetzt passt es wieder“, flachste Benjamin Budak. Er war gemeinsam mit Ehefrau Gülbeyaz extra aus München angereist. „Das Silvesterfeuerwerk ist nur einmal im Jahr. Die sollen sich lieber um die Dieselfahrverbote und um Atommüll kümmern“, sagte Budak. Chekri Omeirat war mit elf Freunden aus Gelsenkirchen nach Eitorf gekommen, um sich mit Pyrotechnik im Gesamtwert von mehr als 1000 Euro einzudecken. Auch er vertrat eine klare Meinung: „Ich bin gegen ein Feuerwerksverbot. Den Menschen wird mittlerweile alles verboten, was Spaß macht.“

20 Millionen Raketen im Jahr

„Feuerwerk am Jahresende hat Tradition und ist in vielen Ländern sogar Kulturgut“, sagt Weco-Unternehmenssprecher Oliver Gerstmeier. Das 1948 von Hermann Weber unter dem Namen „Pyro-Chemie, Hermann Weber & Co“ in Eitorf gegründete Unternehmen war zunächst auf die Herstellung von Wunderkerzen spezialisiert. Ab 1954 konzentrierte es sich auf die Fertigung von Klein-, Groß- und Bühnenfeuerwerk. Mittlerweile ist Weco Marktführer in Sachen Feuerwerk und verfügt mit Eitorf, Kiel und Freiberg über insgesamt drei Standorte und 500 Mitarbeiter (230 allein in Eitorf). Es ist das einzige Unternehmen in Deutschland, das Feuerwerkskörper selbst herstellt, rund 20 Millionen Raketen pro Jahr. 123 Millionen Euro beträgt laut Gerstmeier der Jahresumsatz des Konzerns.

Das Unternehmen weiß um die zunehmende Kritik am Feuerwerk, die sich laut Oliver Gerstmeier aber noch nicht auf den Umsatz auswirkt. Tierschutzverbände beklagen die Lautstärke der Silvesterknaller, unter der Hunde und Katzen leiden. Zudem sorgte kürzlich der Bürgerantrag eines Kölners für Aufsehen, der wegen der möglichen Feinstaubbelastung ein Verbot von privaten Feuerwerken in Köln gefordert hatte. Der städtische Beschwerdeausschuss lehnte den Antrag zwar ab, dennoch ist das Thema präsent. „Wir setzen uns seit drei Jahren mit dieser Kritik auseinander“, so Gerstmeier. Feinstaub sei aber nicht gleich Feinstaub.

Kritik am Feinstaub

„Feinstaubpartikel, die durch den Verkehr erzeugt werden, sind aufgrund ihrer chemischen Natur wesentlich giftiger und bleiben viel länger in der Luft als die durch Feuerwerk“, so Gerstmeier. Verglichen mit anderen Feinstaubverursachern würde die Umwelt durch ein Silvesterfeuerwerk nicht ganzjährig, sondern nur ein paar Stunden belastet. Laut Bundesumweltamt sind in Deutschland zum Jahreswechsel 2017/2018 rund 5000 Tonnen Feinstaub durch Feuerwerkskörper freigesetzt worden. Das entspräche 17 Prozent der Feinstaubmenge, die der Straßenverkehr jährlich in Deutschland verursache. „Das muss man schon in der Relation sehen“, so Gerstmeier.

Feinstaubfreies Feuerwerk gebe es nicht, da durch das Hauptbestandteil Schwarzpulver immer eine Verbrennung stattfinde. Die Rezepturen ließen sich allein aus sicherheitsrelevanten Gründen nicht einfach verändern. „Bei minimaler Änderung würden wir die Zulassung für den jeweiligen Artikel verlieren“, sagt Gerstmeier und betont, dass sich die Firma an sämtliche Vorgaben des Gesetzgebers hält. Wer sich um die Feinstaubbelastung sorgt, müsse entweder auf Feuerwerk verzichten oder reduzieren. Zum Thema Lautstärke hat Gerstmeier übrigens einen Tipp: So genanntes Barockfeuerwerk, das eine Effekthöhe von sechs Metern hat, sei nicht laut, dafür aber optisch richtig schön. Gerstmeier rät zudem, nur geprüftes Feuerwerk mit CE-Zeichen und Registrierungsnummer sowie deutscher Gebrauchsanweisung zu kaufen.

Party ohne Feuerwerk

Während sich bei Weco schon in der Nacht zum 28. Dezember lange Schlangen vor den Werkstoren bilden, um eines der beliebten Überraschungs-Böller-Pakete zu ergattern, steigen andernorts öffentliche Veranstalter ganz aus der Silvester-Knallerei aus. Dazu gehört etwa die Kulturhalle Kabelmetal in Windeck-Schladern. Zum dritten Mal organisiert Joachim Dettenberg das Musikkonzept der großen Silvester-Party. Er gab den Anstoß, dieses Mal auf ein Feuerwerk zu verzichten.

„Ich habe schon vor zwei, drei Jahren Umfragen dazu gemacht. Etwa 75 bis 80 Prozent finden den Verzicht auf Feuerwerk richtig und gut“, sagt Dettenberg. Die Umfragen hätten letztendlich auch den Veranstalter bewogen, auf Böller zu verzichten. Laut Dettenberg gibt es eine Menge guter Gründe für den Verzicht, der Hauptgrund ist jedoch, dass die ehemalige Industriehalle inmitten eines sensiblen und schützenswerten Naturschutzgebietes, nämlich den Siegauen, liegt. Gerade im Umfeld von Gewässern und Feuchtgebieten gibt es im Winter häufig Ansammlungen von Vögeln.

Sie sitzen am 31. Dezember um Mitternacht ahnungslos an ihren Schlafplätzen. Wenn dann die Knallerei losgeht, steigen die Tiere laut dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) voller Panik innerhalb von Minuten von ihren Schlafplätzen auf und erreichen dabei sogar Höhen von über tausend Metern, während sie normalerweise im Winter nur wenig hundert Meter weit fliegen. Das hat verheerende Folgen, da sie dabei die Energie verbrauchen, die sie normalerweise im Winter zum Überleben brauchen. Im schlimmsten Fall werden sie in dem dicken Qualm orientierungslos und fliegen gegen Hindernisse. Und auch Tiere im Winterschlaf wie Igel und Eichhörnchen könnten durch den Lärm massiv gestört werden.

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