GA-Serie Siegburger Köpfe Sonja Boddenberg leitet das Kinderheim Pauline von Mallinckrodt

Siegburg · Die Siegburgerin Sonja Boddenberg ist für 129 Heimbewohner in 17 Gruppen und einen Stab von rund 140 Pädagogen in Teil- und Vollzeit verantwortlich. Die enge Zusammenarbeit mit den Eltern ist im Kinderheim oberstes Gebot.

 Sonja Boddenberg ist für jeden Spaß zu haben. Mit Marcello und Sandy dreht sie eine Runde auf dem Dreirad.

Sonja Boddenberg ist für jeden Spaß zu haben. Mit Marcello und Sandy dreht sie eine Runde auf dem Dreirad.

Foto: Paul Kieras

„Essen, Trinken, klare Strukturen und Sicherheit geben“, lautet die Antwort von Sonja Boddenberg (42) auf die Frage, was das kurzfristige Ziel bei der Betreuung der Kinder und Jugendlichen sei, die ins Siegburger Kinderheim Pauline von Mallinckrodt kommen und dort für längere Zeit oder nur vorübergehend leben. Als langfristiges Ziel nennt sie „ihre Rückführung in die Familien“. Die 42-Jährige trat 2001 nach einem Psychologiestudium in Bonn und einer verhaltenstherapeutischen Zusatzausbildung in den psychologischen Dienst der Einrichtung ein, seit 2008 ist sie deren Leiterin sowie Geschäftsführerin und in gleicher Position zuständig für die Kita Pauline mit 66 Plätzen.

Es sei immer ihr Wunsch gewesen, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, sagt die gebürtige Siegburgerin. Obwohl die täglichen Herausforderungen nicht gerade einfach seien. „Man muss das aushalten können, denn alle, die hier sind, haben heftige Krisen in der Familie hinter sich“, erklärt sie und fügt hinzu: „Ich erlebe täglich alle Emotionsstufen, die es gibt.“ Die Kinder und Jugendlichen sind teils freiwillig im Heim untergebracht, weil ihre Eltern um Hilfe gebeten haben, teils auf Anordnung des Jugendamts, um „das Kindeswohl zu schützen“, wie es in Amtssprache heißt.

In diesem Zusammenhang erinnert Boddenberg sich an zwei dreijährige Jungen, Zwillinge, die völlig verwahrlost und auf dem Entwicklungsstand von Einjährigen waren, sich nur auf allen Vieren fortbewegten. Oder an ein Mädchen, das mit nur sechs Jahren schon keinen einzigen Zahn mehr im Mund hatte. Kinder wie die exemplarischen Fälle stammen meist aus Familien mit Drogen- und Alkoholproblemen oder aus solchen, in denen die Eltern psychisch überfordert und nicht einmal in der Lage sind, die Basisversorgung ihrer Kinder zu gewährleisten. Darüber hinaus finden beispielsweise Kinder im Heim ein zeitlich begrenztes Zuhause, die zu massiven Gewaltausbrüchen neigen. Individuelle und intensive Betreuung der oftmals traumatisierten Kinder durch die Erzieher und eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern sind im Kinderheim oberstes Gebot.

Keine leichte Aufgabe. „Ich kann keine Familie ersetzen“, macht Boddenberg klar. Auch die anderen Erzieher seien dazu nicht in der Lage. Das liege schon daran, dass die Pädagogen im Schichtdienst arbeiteten. Hinzu komme, dass die Kinder in den verschiedenen Gruppen, in denen sie untergebracht sind, die Bezugsperson teilen müssen und „um Aufmerksamkeit buhlen“, so die Leiterin. Daher sei man immer bestrebt, die Familien „mit ins Boot zu holen, damit sie Hauptbezugspersonen für die Kinder bleiben“. Für 129 Heimbewohner in 17 Gruppen und einen Stab von rund 140 Pädagogen in Teil- und Vollzeit ist Sonja Boddenberg verantwortlich. Sie hält engen Kontakt, will „nah dran“ sein, „nicht abgehoben auf Geschäftsführerebene“. Nach eigenen Worten kennt sie jedes Kind mit Namen, isst jeden Mittwoch mit einer anderen Gruppe zu Abend, nimmt selbstverständlich an allen Festen und Aktivitäten teil, und ihre Tür steht für alle offen.

Gruppenerlebnis als wichtiger Teil der Arbeit

Die pädagogische Tätigkeit belastet sie nicht. Allerdings geht es ihr nahe, wenn Kinder entgegen allen Empfehlungen in ihre Familie zurück müssen. „Was mürbe macht, sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und begrenzten Möglichkeiten“, sagt sie und präsentiert Zahlen. Zehn Euro hat sie für jedes Kind zur Verfügung, um ihm ein Geburtstagsgeschenk zu machen, 30 Euro als Weihnachtspauschale. 279 Euro pro Person kann Boddenberg für den Jahresurlaub inklusive Anfahrt, Unterbringung und Verpflegung einplanen und 35 Euro pro Monat als Bekleidungsgeld. „Das reicht nicht für hochwertige Markenartikel, sondern lediglich für den Einkauf beim Billigdiscounter“, stellt sie nüchtern fest. Für alle Extras ist die Einrichtung auf Spenden angewiesen.

Es ist wahrlich keine heile Welt im Heim, aber auch nicht alles schlecht. Besonders freut sich Boddenberg, wenn Kinder „ganz viel schaffen“. So wie bei einem sportlichen Wettkampf, der zwischen Kinderheimen deutschlandweit ausgetragen wird und den die Wolsdorfer 2003 gewinnen konnten.

„Das hat natürlich viel zur Steigerung des Selbstwertgefühls beigetragen, aber auch dazu, die eigenen Grenzen zu erkennen“, zeigt sich die Leiterin heute noch stolz. Das Gruppenerlebnis ist überhaupt ein wichtiger Teil der pädagogischen Arbeit. Unter anderem werden Kreativ- und Tanzprojekte angeboten, aber auch Kinderzirkus oder Aktionsprogramme im Kulturbereich.

Sonja Boddenberg ist nunmehr seit 17 Jahren mit Herz und Seele für „ihr“ Kinderheim tätig, hat nie daran gedacht, aufzuhören. Ihr Motto ist gleichzeitig ihr Lieblingszitat der Gründerin des Kinderheims, Pauline von Mallinckrodt: „Nur mutig voran, auch auf holprigen Wegen“.

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