Lesung von Jan Weiler in Siegburg Spieleabendhasser im Clinch mit dem Pubertier

SIEGBURG · Seine Frau darf er nicht mehr küssen. "Weil Du alt bist", so die vernichtende Erklärung der Tochter. Deren Wohlwollen ist schneller zerronnen als gewonnen, ein unbedachter Kommentar entzweit die mühsam errungene Vater-Tochter-Facebook-Freundschaft, und ein vernichtendes "Ja, Papa, der war's jetzt" erstickt jeden Kommunikationsversuch im Keim.

 Groteske Gedanken: Bestsellerautor Jan Weiler im Forum.

Groteske Gedanken: Bestsellerautor Jan Weiler im Forum.

Foto: Holger Arndt

Das Leben mit einem zum Pubertier mutierten, einst so liebenswürdigen Töchterlein hat es in sich. Das erfährt Jan Weiler tagaus tagein - wie wohl alle Eltern pubertierender Kinder.

Aber nicht nur die hatte der Autor schnell für sich vereinnahmt, als er am Freitag nach auf den Tag genau sechs Jahren auf die Bühne der Siegburger Literaturwochen zurückgekehrt ist. Nein, neben Eltern Prä-, Post- oder akut Pubertierender saßen auch echte Pubertiere im ausverkauften Forum des Stadtmuseums. Und die amüsierten sich nicht weniger über Weilers mit amüsanten Familienanekdoten, sarkastischen Seitenhieben und grotesken Gedanken gespickten Einblick in sein Leben mit dem Pubertier. Das heißt Carla, ist 15 Jahre alt und braucht allen Abnabelungsversuchen zum Trotz oft und gerne Papas Hilfe. Und die bekommt sie. Egal ob sie den im Zug reisenden Vater via Notfallanruf um Assistenz beim Belgien-Referat bittet, Unterstützung beim Hüten der binnen kürzester Zeit in "Chucky, die Mörderpuppe" verwandelten Cheyenne-Shakira einfordert oder am 13. Geburtstag den Wunsch nach "richtig coolen Eltern" formuliert. Papa ist zur Stelle - obwohl er doch nur Augenrollen, ein müdes Lächeln oder Spott erntet: "Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist blöd." Bruder Nick landet mit "Papa" den Volltreffer, Carla beendet das Spiel und zieht sich zurück in das nicht enden wollende Leid ihrer Adoleszenz.

All das erzählt Jan Weiler in seiner gewinnenden, Charme und Humor vereinenden Art mit ausladenden Handbewegungen, großen Gesten und effektvollen Pausen. Die Lesung avanciert so zum Schauspiel, der Literaturabend zur Comedy. Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität scheinen zu fließen. Man wähnt sich mittendrin in der Familie des Mannes, der einst Werbetexter, Journalist und Chefredakteur des "Süddeutsche Magazins" war und sich nach dem Erfolg seines Debüts "Maria, ihm schmeckt's nicht" den Traum vom Schriftstellerleben erfüllte. Und so nickt die Mutter einer 15-Jährigen in der Pause: "Genau wie meine Tochter." Wie viel echt, wie viel erfunden ist, bleibt Weilers Geheimnis. Ist aber ohnehin egal.

Es geht vielmehr ums Mitfühlen, Mitleiden und ums Mitlachen. Mit dem Nichtschwimmer und Spaßbadmuffel, der sich Sohn Nick zuliebe dennoch in die "fungizide Fliesenwelt" wagt. Dem Spieleabendhasser, der aus Liebe zu Gattin Sarah in die unsagbare "Siedlerwelt" des Schwagers Jürgen abtaucht. Dem "Vollhorst", der es wagt, das Lieblings-T-Shirt der Tochter zu waschen. Und einem leidgeprüften Vater, dessen Hoffnung auf ein wenig Licht am Ende des Pubertätstunnels jäh zerstört wird: "Wir haben auch noch einen Sohn."

Jan Weiler, "Das Pubertier", Kindler, 122 Seiten; 12 Euro.

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