Schneller Sport auf zwei Rädern Spieler des Siegburger Radpolos spielen in Hessen

Siegburg · Die Sport befindet sich in Nordrhein-Westfalen in der Krise. Eine Liga gibt es schon lange nicht mehr, weshalb die Spieler des Siegburger RV außer Konkurrenz in der Radpolo-Hochburg Hessen mitspielen dürfen.

Der Ball auf dem Weg ins Tor: Radpolo erfordert großes Geschick und koordinative Fähigkeiten.

Der Ball auf dem Weg ins Tor: Radpolo erfordert großes Geschick und koordinative Fähigkeiten.

Foto: Nicolas Ottersbach

Kurz vor der Toraus-Linie kommen sich die beiden Fahrräder immer näher. Für Pedro Cuelho wird es jetzt eng. Links die umgekippte Bank als Bande, rechts Gegenspielerin Rebecca Schapke. Soll er abbrechen und damit den Punkt aufgeben? Oder den gefährlichen Zweikampf riskieren? „Komm, du Mädchen!“, provoziert Schapke. Cuelho springt darauf an. Es kommt, wie es kommen muss: Mit voller Wucht krachen die beiden Räder ineinander.

Auch wenn es nur ein Training ist, die Radpolo-Spieler vom Siegburger Radfahrer-Verein schenken sich nichts. Diesmal ist es gut gegangen. Cuelho ist zwar mit dem Schienbein zwischen Lenker und Querstange hängen geblieben. Mehr als einen blauen Fleck trägt er aber nicht davon. „Das geht schon irgendwie immer gut“, erzählt er. Seit drei Jahren ist er dabei und der einzige Junge im Team. „Radpolo ist ursprünglich ein Frauensport, die Männer spielen eher Radball.“ Doch auch die Spielerinnen werden immer weniger.

Sport in der Krise

Der Sport befindet sich in Nordrhein-Westfalen in der Krise. Eine Liga gibt es schon lange nicht mehr, weshalb die Siegburger außer Konkurrenz in der Radpolo-Hochburg Hessen mitspielen dürfen. „Wir finden hier einfach keine Gegner“, sagt Miriam Maubach, die mit ihrer Schwester Susanne Hildebrandt – früher selbst mal Deutsche Meisterin – die knapp zehn Spieler trainiert. Seit 2012 dürfen auch Männer beim Radpolo antreten, es gibt sogar gemischte Teams.

Gespielt wird, wie beim Radball, auf einem elf mal 14 Meter großen Feld. Ziel ist, den kleinen Ball innerhalb der sechsminütigen Halbzeiten mit den etwa ein Meter langen Polostöcken in das gegnerische Tor zu schlagen. Dabei stehen sich zwei Spieler auf ihren Rädern gegenüber. Denn wer mit dem Fuß oder einem anderen Körperteil den Boden berührt, muss zur Strafe die Torauslinie überfahren. Beide Spieler dürfen sowohl Feldspieler, als auch Torhüter sein. Im Tor darf der Ball mit dem ganzen Körper abgewehrt werden.

Bis zu 90 Stundenkilometer Geschwindigkeit

„Der Ball kann bis zu 90 Stundenkilometer schnell werden“, sagt Spielerin Eva Schapke, die mit Cuelho in eine Klasse geht. Einen Helm trägt sie trotzdem nicht. „Der schränkt das Sichtfeld zu sehr ein.“ Die Gefahr, dadurch den Ball aus den Augen zu verlieren, sei größer, als den Kopf zu schützen und sich möglicherweise einem unkontrollierten Treffer auszusetzen. Was zeigt: Radpolo ist ein schneller Sport, der jede Menge Koordination und Geschicklichkeit fordert. „Genau das reizt mich daran“, erzählt der 15-jährige Cuelho.

Die Räder haben keine Gänge und Bremsen, fahren vorwärts und rückwärts. Der Rahmen ist komplett steif, der Sattel etwas nach hinten versetzt. So liegt der Schwerpunkt auf dem Hinterrad und die Spieler können sich um die eigene Achse drehen. Kostenpunkt so eines Sportgerätes: rund 1500 Euro. Damit die Reifen optimalen Grip haben, wird vor jedem Training der Hallenboden gewischt. Das kleinste Steinchen würde die Spezialgummierung kaputt machen. Um die Kosten für die Spieler gering zu halten, stellt der Verein alle Sportgeräte.

Ein Jahr bis zum ersten Spiel

Von außen sieht Radpolo aus wie eine Mischung aus Kunstradfahren und taktischem Fußballspiel. Aus der stehenden Balance im Tor preschen die Spieler mit festen Tritten nach vorne und stemmen sich kurz danach wieder in die Pedalen, um anzuhalten. Alles mit einer Hand am Lenkrad und dem Schläger im Griff. „Früher haben wir erst die Schlagtechnik zu Fuß trainiert, mittlerweile machen wir das spielerischer und direkt auf dem Rad“, sagt Maubach.

Dennoch dauert es ein gutes Jahr, bis man gut genug ist, um sein erstes richtiges Spiel bestreiten zu können. Das Alter spielt keine Rolle. Die beiden Profi-Schwestern Maubauch und Hildebrandt, beide über 50, tricksen den Nachwuchs ohne Probleme aus, der dann noch verbissener trainiert. Der größte Erfolg für die Siegburger war zuletzt der vierte Platz bei den Deutschen Meisterschaften. „Gegen diese erfahrenen Teams haben wir eigentlich keine Chance, weil die viel öfter üben“, sagt Maubach. Trotzdem bleiben die Siegburger Radpolo-Spieler dran. Schließlich hat es Susanne Hildebrandt auch schon geschafft.

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