Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit Stolpersteine gegen das Vergessen in Siegburg

Siegburg · Das Andenken an den von Nazis ermordeten Aron Dunajewsky wahrt nun ein Stolperstein am Siegburger Kaiser-Wilhelm-Platz. Es ist einer von sieben neuen Erinnerungssteinen.

Ihr Leben lang wussten Evamaria Bräuer und ihr Bruder Florian Tully nichts über das Schicksal ihres Adoptivgroßvaters. „Meine Mutter hat nie darüber gesprochen“, sagt Bräuer. Deswegen habe sie selbst begonnen, ihre Familiengeschichte zu erforschen – und dabei herausgefunden, dass Aron Dunajewsky von Siegburg über ein Bonner Zwischenlager ins Transitghetto Izbica deportiert und später ermordet wurde. Einen Grabstein hat er nie bekommen. Sein Andenken wahrt seit Donnerstag ein Stolperstein am Kaiser-Wilhelm-Platz vor dem Haus mit der Nummer 11 – dem letzten Zuhause von Aron Dunajewsky.

„Das bedeutet uns viel“, sagt Florian Tully. Es sei ein bewegender Moment, wenn jahrelange Recherchearbeit in etwas Greifbares münde, ergänzt seine Schwester, die Patin ist über einen der insgesamt sieben Stolpersteine, die der Kölner Künstler Gunter Demnig am Donnerstag in Siegburg verlegt hat. Damit wächst die Zahl der glänzenden Erinnerungssteine in der Siegburger Innenstadt laut Kreisarchivarin Claudia Arndt auf fast 90 an. Seit 16 Jahren setzt Demnig in der Kreisstadt mit seinen Stolpersteinen ein Zeichen gegen das Vergessen. „Die Namen im Pflaster sollen den Opfern des Nationalsozialismus ein Gesicht geben“, erklärt der 71-Jährige. 1992 hat er sein Projekt in Köln gestartet. „Anfangs habe ich gedacht, dass ich ein paar 100 verlegen werde“, sagt er. Inzwischen seien es aber 73 000 Stolpersteine in 26 Ländern. „Überall dort, wo die Deutschen ihr Unwesen getrieben haben“, so Demnig. Europaweit erfahre er überwiegend Zustimmung für seine Aktion. Tendenz steigend. 2018 habe er an 270 Tagen Stolpersteine verlegt.

„Die heutige Zeit ist besonders angetan, sich des Themas anzunehmen“, sagt Siegburgs Bürgermeister Franz Huhn. Alle Menschen müssten miteinander für den Erhalt der Wertegemeinschaft einstehen. „Ich bin dankbar dafür, dass wir in Siegburg wieder über neue Stolpersteine stolpern“, dankt Huhn denjenigen, die über ihre Patenschaften die Zeichen gegen das Vergessen ermöglicht haben. Überwiegend tragen Mitglieder des Fördervereins der Gedenkstätte Landjuden die Kosten. Die Jusos Siegburg und Lohmar übernahmen zudem die Patenschaft für einen Stolperstein für Karoline Cahn an der Luisenstraße 50.

„Es kann nicht sein, dass ein Mensch einfach so verschwindet“, beschreibt Evamaria Bräuer, was sie bei ihren Recherchen angetrieben hat. 1877 in Slotopol nahe Kiew geboren, studierte der Jude Aron Dunajewsky in Berlin Ingenieurswissenschaften, heiratete die protestantische Gertrud Zürbig und arbeitete in der Schamott-Fabrik seines Schwagers in Spich. 1921 adoptierte das Paar die fünfjährige Elsebeate, Bräuers Mutter. 1930 konvertierte Aron zum evangelischen Glauben. Ab 1934 wohnte die Familie in Siegburg am Kaiser-Wilhelm-Platz. „Meine Mutter heiratete 1940 und zog nach Gerolzhofen“, so Bräuer, die in dem Ort nahe Würzburg lebt. Dass ihre Großeltern innerhalb von Siegburg an die Brandstraße 30, dann ins „Judenhaus“ an der Brandstraße 42/44 umziehen mussten, fand die 71-Jährige in den Unterlagen ihrer Mutter heraus. Die letzte Postkarte des Großvaters aus dem Zwischenlager an der Bonner Kapellenstraße brachte sie schließlich weiter. „Er schrieb 'es geht weiter, wohin, wissen wir nicht'“, sagt Bräuer. Und er grüßte von Henriette Vorreuter. Über deren Namen gelangte Bräuer ans Siegburger Stadtarchiv und recherchierte über Internetlisten den weiteren Weg ihres Großvaters. Den hält nun sein Stolperstein fest. Ähnliche Geschichten erzählen die Gedenksteine, die nun in Holzgasse, Zeith-, Kaiser- und Luisenstraße an Paul Nachmann, Paula Schweitzer, Erich Albert Schweizer, Meta Rothenberg, Wilhelmine Walter und Karoline Cahn erinnern.

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