Nach Tankstellenüberfall in Siegburg Bewährung für untypischen Straftäter

Siegburg/Bonn · Weil der Täter des Tankstellenüberfalls im Juli 2022 deutliche Reue zeigte und eine positive Sozialprognose hat, wird er nur zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Das hat Bonner Landgericht am Freitag entschieden.

 Ein 30-jähriger Mann aus Hennef wurde am Freitag zu einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt.

Ein 30-jähriger Mann aus Hennef wurde am Freitag zu einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt.

Foto: dpa/Oliver Berg

Dass ein beruflich durchaus erfolgreicher Akademiker eine Tankstelle wegen 345 Euro überfällt, ist eher ungewöhnlich. Und auch sonst gibt es wenig Alltägliches an dem Verbrechen, über das die 1. Große Strafkammer am Freitagnachmittag entschieden hat: Wegen schwerer räuberischer Erpressung wurde ein 30-jähriger Mann aus Hennef zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die Strafkammer ging bei ihrer Entscheidung von einem sogenannten minderschweren Fall aus. Normalerweise wird Straftatbestand der schweren räuberischen Erpressung mit einer Mindeststrafe von fünf Jahren bedacht, weil solche Taten oft mit Traumata für die Überfallenen enden.

Von einem minderschweren Fall gehen Gerichte hingegen immer dann aus, wenn die strafmildernden gegenüber den strafverschärfenden Faktoren bei weitem überwiegen. Folgendes war geschehen: In den frühen Morgenstunden des 29. Juli vergangenen Jahres betrat ein mit Sonnenbrille und Sturmhaube maskierter Mann gegen halb vier den Verkaufsraum der Autobahnraststätte Siegburg West. Er ging in Richtung der Kuchentheke, nahm ein mitgeführtes Küchenmesser und führte es bis auf etwa zehn Zentimeter an den Bauch eines Mitarbeiters, der gerade hinter dem Tresen arbeitete: Der Mann solle die Kasse öffnen und ihm das Geld aushändigen. Dem kam der Mitarbeiter widerstandslos nach; 345 Euro in kleinen Scheinen wanderten in einem von dem Räuber mitgebrachten violetten Jutesack.

Täter befand sich in einer Abwärtspirale

Da der Täter wohl mit der Höhe der Beute unzufrieden war, fragte er den Mitarbeiter, ob es noch weiter Kassen gebe. Der Mann verneinte. Auf den Filmaufnahmen der Überwachungskameras ist zu sehen, wie der Räuber sich nun etwas unschlüssig durch den Verkaufsraum bewegt, bevor er die Raststätte wieder verlässt. Das Überfallsopfer benachrichtigte die Polizei, die schon nach nur einer Minute am Tatort eintraf. Sofort wurde eine Nahbereichsfahndung eingeleitet und die Polizei griff den Räuber beim Umziehen vor seinem Wagen in einer nahe gelegenen Nebenstraße auf. Der Mann flüchtete sich noch kurz unter einen Busch in einem Garten, konnte dann aber verhaftet werden.

Sehr ungewöhnlich für einen Räuber sei der Lebensweg, den der Mann bis zu dem Überfall beschritten habe, sagte die Vorsitzende Richterin bei der Urteilsverkündung. Der 30-Jährige hatte sich bis dato nicht das Geringste zu Schulden kommen lassen und als Absolvent einer Hochschule bereits erste Schritte auf der Karriereleiter hinter sich gebracht. Allerdings kündigte der junge Mann aufgrund depressiver Phasen immer wieder seine Stellung, wenn er gerade befördert werden sollte. So beendete er beispielsweise eine Anstellung, nachdem sein Arbeitgeber ihm eine Führungsposition in Amsterdam angeboten hatte. „Wie kam es dann zu der Tat?“ Das habe sich die Kammer tatsächlich gefragt, so die Vorsitzende Richterin. Die Antwort sei wohl, dass er sich in einer Abwärtsspirale befunden habe. Er habe Schulden angehäuft, seine Freundin habe ihn verlassen und er habe in Folge einer frisch diagnostizierten Erkrankung 15 Kilogramm Gewicht verloren. Vor der Tat sei er ziellos durch die Gegend gefahren, weil er nicht schlafen konnte.

Für den minderschweren Fall spreche, dass er dem Mitarbeiter im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs 2150 Euro gezahlt habe, vor Gericht deutliche Reue gezeigt habe und man ihm eine klare positive Sozialprognose gebe. Allerdings dürfe man trotzdem nicht den Eindruck gewinnen, der Überfall sei „halb so wild“ gewesen. Mit dem Strafmaß war die Kammer dem Antrag der Staatsanwaltschaft gefolgt. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

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