Urteil in Bonn Lange Haftstrafe nach Überfall auf Siegburger Uhrenhändler

Siegburg/Bonn · Nach einem brutalen Überfall auf einen Uhrenhändler in Siegburg waren zwei Männer ins Visier der Fahnder geraten. Einer ist nun wegen Raubes verurteilt worden, der zweite wurde vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen.

 Im Verlauf der Gerichtsverhandlung kam manche Überraschung ans Licht. Anwalt Sebastian Holbeck und einer der beiden Angeklagten, rechts davon die Dolmetscherin. Hier bei einem früheren Verhandlungstag.

Im Verlauf der Gerichtsverhandlung kam manche Überraschung ans Licht. Anwalt Sebastian Holbeck und einer der beiden Angeklagten, rechts davon die Dolmetscherin. Hier bei einem früheren Verhandlungstag.

Foto: Leif Kubik

Am Abend des 14. Juli 2021 klingelte gegen neun Uhr das Telefon des Angeklagten: „Da kommt was im Fernsehen, guck dir XY an!“, sagte der aufgeregte Bekannte des 43-Jährigen. In dem Beitrag der Sendung, auf den der Anrufer abzielte, ging es um einen Überfall auf einen Siegburger Uhrenladen, der sich knapp zwei Jahre zuvor ereignet hatte. Der Inhaber, ein 48-jähriger Kfz-Sachverständiger, war am 6. Oktober 2020 von drei Männern und einer Frau in seinen Geschäftsräumen überfallen worden. Trotz der Aufnahmen von zwei Überwachungskameras, die das Verbrechen nahtlos dokumentierten, tappten die Ermittler zum Zeitpunkt der Ausstrahlung der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY ungelöst aber noch immer im Dunklen. Nun wurde am Freitagnachmittag einer der Haupttäter wegen besonders schweren Raubes zu einer Haftstrafe von neun Jahren verurteilt.

Der Mitangeklagte, der den Anruf während der Ausstrahlung angenommen hatte, wurde hingegen vom Vorwurf der Beihilfe zu der Tat freigesprochen. Er muss aber dennoch für neun Monate ins Gefängnis, weil die Ermittler bei der Durchsuchung seiner Wohnung einen Zufallsfund sichergestellt hatten: Ein sogenannter „Schießkugelschreiber“ war in einem leicht zugänglichen Schrank in der Wohnung des Familienvaters gefunden worden.

Der Überfall, um den es in dem Verfahren ging, galt einem Ladenlokal, das von außen gar nicht als solches zu erkennen ist: Der hauptberufliche Sachverständige betrieb in einem Hinterzimmer einen Handel mit hochwertigen Uhren und anderen Luxusgegenständen. Gegen Viertel nach neun klingelt ein Paar an der Tür zu dem Sachverständigenbüro. Nachdem der Inhaber den beiden geöffnet hat, wird er unvermittelt angegriffen und schnell kommen zwei weitere Männer hinzu, einer ist mit einer Pistole, der nun Verurteilte mit einer automatischen Schnellfeuerwaffe ausgestattet. Gemeinsam traktieren die Eindringlinge den Ladeninhaber mit weiteren Schlägen und Tritten, bevor sie seine Füße mit Kabelbindern fesseln. Sodann zwingen sie das Opfer dazu, den Safe zu öffnen. Zur Beute gehören neben zahlreichen hochpreisigen Uhren auch Bargeld und weitere Luxusgegenstände.

Überfall auf Siegburger Uhrenhändler: Ein Puzzle war zusammenzufügen

Zwei Jahre tappten die Ermittler dann im Dunklen: Die Täter hatten nämlich keinerlei Spuren wie Fingerabdrücke oder DNA-Spuren am Tatort hinterlassen und auch die Suche nach den genutzten Fluchtwagen blieb zunächst erfolglos. Der Anruf nach der Aktenzeichensendung brachte dann endlich Bewegung in den Fall: Sowohl das Telefon des Anrufers als auch das des Angerufenen wurden nämlich bereits von der Polizei überwacht. Und zwar nicht wegen des Siegburger Falles, sondern wegen der mutmaßlichen Beteiligung an einem Überfall auf ein Kölner Tabakgeschäft.

Für das Gericht galt es nun, ein Puzzle zusammenzufügen: Der Haupttäter gab nämlich an, die Tat nicht begangen zu haben, er habe sich im Ausland befunden, so der Georgier. „Wir sind davon überzeugt, dass er es war – auch wenn er sagt, er sei es nicht gewesen“, sagte hingegen die Vorsitzende Richterin Claudia Gelber in der Urteilsbegründung. Zweifelsfrei zu erkennen war der Mann auf den Bildern der Überwachungskamera tatsächlich zumindest für Laien nicht. Die Kammer hatte aber einen Gutachter beauftragt, der mit einer relativ neuen Methode nicht nur das Äußere bewertete, sondern auch Bewegungsmuster des Angeklagten mit jenen des Mannes auf den Bildern abglich. Das Ergebnis spricht mit hoher Wahrscheinlichkeit, aber nicht mit absoluter Sicherheit für den Verurteilten als Täter.

Nach sieben Personen wird noch gesucht

Nach Auswertung aller Indizien ist sich die Kammer aber sicher, dass es sich bei dem Angeklagten um den Mann mit der automatischen Waffe handelt. Bei dem Mitangeklagten gab es zwar durchaus auch einige Punkte, die den 43-Jährigen belasteten. Letztlich konnte das Gericht ihm aber keine Tatbeteiligung nachweisen. Insgesamt sollen sogar sieben Personen an der Vorbereitung und Durchführung der Tat beteiligt gewesen sein, nach sechs Tätern wird weiter gesucht. Der Anwalt des Georgiers Sebastian Holbeck hat jedenfalls schon angekündigt, in Revision zu gehen: Sein Mandant betrachte sich nach wie vor als nicht schuldig.

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