Ex-Landrat Kühn Umstrittene 600.000 Euro sollen an Hilfsorganisationen gehen

RHEIN-SIEG-KREIS · In die Diskussion um den Umgang mit den RWE-Aufsichtsratsvergütungen, die Landrat a.D. Frithjof Kühn verdient hat, kommt wieder Bewegung. Kühn selbst hat Landrat Sebastian Schuster jetzt in einem Schreiben angeboten, dass er auf das Geld - es geht um eine Summe von rund 600 000 Euro - verzichte. Aber nur unter einer Voraussetzung: Der Kreis soll das Geld an das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und andere Hilfsorganisationen auszahlen, die in der Flüchtlingshilfe tätig sind.

Der Kreis prüft, ob diese Initiative aus juristischer Sicht umsetzbar ist. "Die Entscheidung liegt beim Kreistag", sagte Kühn gestern dem GA. "Es würde mich wundern, wenn man meinen Vorschlag ablehnt."

Zuletzt war die Situation beim Thema RWE-Geld ziemlich verfahren. Kühn hatte die Aufsichtsratsvergütungen, die er parallel zu seiner Amtszeit als Landrat (bis Juni 2014) verdient hat, an die Kreiskasse abgeführt - aber unter Vorbehalt. Es ist juristisch unklar, ob diese 600 000 Euro der Öffentlichkeit oder Kühn als Aufsichtsratsmitglied zustehen. In den letzten Tagen von Kühns Amtszeit als Landrat fertigte dazu das Rechtsamt des Kreises selbst ein Gutachten an.

Ergebnis des Innenministeriums in Düsseldorf soll im Herbst kommen

Mit dem Ergebnis, dass der Kreis Kühn das Geld auszahlen muss. Die endgültige Entscheidung überließ das Kreis-Gutachten aber dem Land NRW, das eigentlich zuständig ist. Das Innenministerium in Düsseldorf prüft die Angelegenheit zwar nach eigenen Angaben, hat aber bis heute kein Ergebnis vorgelegt. Ob und wann dieses kommt, gilt als ungewiss. "Im Herbst", hieß es am Freitag aus dem Ministerium. Solche Prognosen gab es schon öfter, ohne dass diese eingehalten wurden.

Weil der neue Landrat Sebastian Schuster Klarheit über die Verwendung der 600 000 Euro im Kreishaushalt haben will, überprüfte er im Februar noch einmal die juristische Haltung des Kreises. Er kam zu dem Schluss, dass der Kreis das Geld genauso gut für sich behalten könnte. So spielte er den Ball an Kühn zurück: Wenn der das Geld beanspruche, müsse er den Kreis verklagen. Kühn jedoch hat bislang nie Ansprüche erhoben. Er wollte nach eigenen Angaben juristische Klarheit. Dazu habe er auch vorgeschlagen, einen unabhängigen Gutachter einzuschalten, sagte er am Freitag. "Leider war das nicht gewollt."

Kreisverwaltung untersucht, ob das Geld an Dritte ausgezahlt werden darf

Mit seinem Schreiben an Schuster, das dem GA vorliegt, wagt er nun einen neuen Vorstoß: Er sei bereit, seinen Rechtsvorbehalt zurückzunehmen, "unter der Voraussetzung, dass die von mir an den Kreis abgeführten Beträge dem Deutschen Roten Kreuz und anderen Hilfsorganisationen zur humanitären Betreuung von Kriegsflüchtlingen im Rhein-Sieg-Kreis zur Verfügung gestellt werden", heißt es in dem Brief. "Ich halte dies angesichts der aktuellen Entwicklung des Flüchtlingszustroms und des damit verbundenen Bedarfs zur Linderung menschlicher Schicksale für eine angemessene Verwendung."

Ob der Kreis die strittige Summe aus seinem Haushalt überhaupt an Dritte auszahlen darf - das untersucht die Kreisverwaltung jetzt. "So einfach, wie es sich liest, ist es leider nicht. Wir müssen das haushaltsrechtlich prüfen", sagte Schuster gestern auf Anfrage. Das Geld stehe den Bürgern zu, und die Politik habe ein Mitspracherecht. "Grundsätzlich würde es mich aber freuen, wenn wir die Sache einvernehmlich regeln könnten."

"Wir reden hier über Geld, von dem wir nicht nicht einmal wissen, ob wir es bekommen"

Der DRK-Präsident im Kreis, Hennefs Bürgermeister Klaus Pipke, reagierte zurückhaltend. Er findet die Verquickung der Themen "RWE-Geld" und "Flüchtlingshilfe" unglücklich: "Das sehe ich auch mit Sorge." Allein die öffentliche Diskussion über die 600 000 Euro könne sich negativ auf die Spendenbereitschaft der Bürger auswirken. "Wir reden hier über Geld, von dem wir nicht nicht einmal wissen, ob wir es bekommen", so der DRK-Präsident.

Thorsten Bieber, CDU-Fraktionschef im Kreistag, will die rechtliche Bewertung abwarten. Die CDU werde sich danach positionieren. Aber: "Wenn es am Ende keine Hindernisse gibt, dann sollte das Geld einem breiten Kreis der in der Flüchtlingshilfe Aktiven zur Verfügung gestellt werden", sagte Bieber. Ingo Steiner (Grüne) findet den Vorschlag Kühns "persönlich in Ordnung". "Das hätte er auch früher haben können", sagt er. "Wir haben ihn schon letztes Jahr aufgefordert, das Geld zugunsten der Bürger im Kreis zu spenden." Das sei inzwischen aber nicht mehr so einfach, da der Kreis eigene Ansprüche angemeldet habe.

Michael Otter (Linke) warnte davor, dass der Kreis seine Rechtsposition aufgebe. Es könne nicht sein, dass Kühn über Geld bestimme, das ihm nicht zustehe. Jedoch begrüßte er die Idee, die Flüchtlingsarbeit zu unterstützen. Dietmar Tendler (SPD) nannte Kühns Vorschlag "angemessen". "Wenn man sieht, wie angespannt die Lage in den Kommunen ist, sollte man das wohlwollend prüfen."

Wem steht das RWE-Geld zu?

Kern des Konflikts um die Aufsichtsratsvergütungen ist die Frage, ob Hauptverwaltungsbeamte privat im RWE-Aufsichtsrat sitzen oder im Zusammenhang mit ihrem Amt. Frithjof Kühn wurde nicht vom Kreistag in den RWE-Aufsichtsrat entsandt. Er ist nach Aktienrecht von der Hauptversammlung bis 2016 in das Gremium gewählt worden. Kritiker halten CDU-Mann Kühn vor, dass er ohne das Amt des Landrats nie in den Aufsichtsrat gekommen wäre; zumal der Kreis selbst RWE-Aktien halte. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) erklärte im Sommer 2014, dass die Aufsichtsratsvergütungen der Öffentlichkeit zustünden. Eine Grundsatzentscheidung hat das Ministerium bislang nicht vorgelegt. Die Prüfung dauere an, so eine Sprecherin gestern auf Anfrage. "Wir hoffen, im Herbst ein Ergebnis vorlegen zu können." Im Landtag haken in erster Linie die Piraten nach.

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