Exkursion in die Vergangenheit im Kaldauer Jubiläumsjahr Vorkeltische Hügelgräber am Kaldauer "Hufwal"

Siegburg · Der 4. Oktober 1071 gilt als der offizielle Geburtstag des Siegburger Stadtteils Kaldauen. Aber Menschen haben dort schon viel früher gelebt, das bezeugen unter anderem die in vorchristlicher Zeit zwischen dem heutigen Waldfriedhof und Stallberg oberflächlich noch erkennbaren Grabstätten. Im Jubiläumsjahr gab es eine Exkursion zu den Hügelgräbern.

 Das "Hügelgrab" ist nur für Fachleute zu erkennen. Experte Ulrich Hofmann erklärt die vorkeltische Bestattungsform.

Das "Hügelgrab" ist nur für Fachleute zu erkennen. Experte Ulrich Hofmann erklärt die vorkeltische Bestattungsform.

Foto: Susanne Haase-Mühlbauer

Wald-Spaziergängern und Pilzsammlern ist der „Hufwal“ bestens bekannt. In diesem Naturschutzgebiet östlich vom Siegburger Stadtteil Stallberg und südlich der Kaldauer Straße lässt sich die saubere Waldluft genießen und man gelangt auf den Trampelpfaden bis zum Hintereingang des Kaldauer Waldfriedhofs. Anlass zum Rätseln geben dort immer wieder zwei Betonquader, die trotz ihrer etwa 17 Tonnen wie achtlos weggeworfene, überdimensionierte Bauklötze erscheinen. Die beiden Beton-Giganten sind indes nicht das einzige Rätsel, das der Hufwal zu bieten hat.

Dass sich in diesem Waldgebiet auch ein vorgeschichtliches Grabhügelfeld befindet, ist wohl den meisten Spaziergängern nicht bekannt. Nur der Kennerblick eines Archäologen sieht sofort, dass die Erhebung des Erdreichs, die über Hunderte von Jahren von Bäumen und Sträuchern zugewuchert wurde, ein Hinweis auf ein wertvolles, archäologisches Bodendenkmal ist. Sie verweist auf das Vorhandensein eines Hügelgrabes aus vorkeltischer Zeit (zwischen 800 und 550 vor Christus). Dessen Herkunft und Einordnung ist jedoch wissenschaftllich wesentlich besser erforscht, als es die Beton-Riesen sind.

Bei einer Führung zu zwei dort befindlichen Hügelgräbern verriet der Archäologe Ulrich Hofmann Spannendes zur Bestattungsform der Kaldauer Vorgeschichte. Die Exkursion war eines der besonderen „Highlights“ innerhalb der Festivitäten zur (erst wesentlich später datierten) 950-Jahr-Feier des größten Siegburger Stadtteils.

Rita Schubert, Vorsitzende der Bürgergemeinschaft Kaldauen, freute sich über das rege Interesse an der Führung, die auf dem Kaldauer Waldfriedhof mit den Ausführungen des Heimatforschers Ulrich Tondar zur Kaldauer Friedhofsgeschichte startete. Dieser liegt rein zufällig nur wenige Meter von den im Wald befindlichen Hügelgräbern entfernt.

 Schmuck- und Keramik-Funde mit Leichenbrand aus den Kaldauer Hügelgräben kann man im Siegburger Stadtmuseum besichtigen.

Schmuck- und Keramik-Funde mit Leichenbrand aus den Kaldauer Hügelgräben kann man im Siegburger Stadtmuseum besichtigen.

Foto: Susanne Haase-Mühlbauer

Tondar klärte auf, dass Kaldauen bis 1960 noch keinen eigenen Friedhof hatte. Die zuständige Pfarrkirche war bis 1854 die Michaeliskirche in Hennef-Geistingen. Zur Bestattung genutzt wurde jedoch der Friedhof an der Seligenthaler Klosterkirche. Ab 1871 gab es auch Aufbahrungen in der Kapelle an der Kapellenstraße in Kaldauen. Während der Planung einer eigenen Pfarrkirche am Antoniusweg im Jahr 1955 wurde auch ein eigener Friedhof gewünscht. Für den mussten sich die Kaldauer sogar mit Unterschriftensammlungen gegen Widerstände einsetzen. 1960 wurde der Friedhof schließlich auf einer dem „Haus zur Mühlen“ gehörenden Waldparzelle, dem heutigen Standort des Waldfriedhofs, umgesetzt.

Tondar bezeichnete den Friedhof als „eine Kulturstätte der besonderen Art, die der bleibenden Würde eines Menschen auch nach seinem Tod gerecht wird“ und gedachte der Kaldauer Toten mit einer Gedenkminute. Dann übergab er die Führung an Ulrich Hofmann, der das Kaldauer Bestattungswesen der Vorgeschichte anhand der Hügelgräber-Funde unweit des Waldfriedhofs beleuchtete.

Hügelgräberfunde auch in Franzhäuschen und Hangelar

Der Zeitensprung von mehr als zweieinhalbtausend Jahren zurück in die Kultur vorkeltischer Zeit ist ein Sprung zur Hügelgräberkultur. In den Hügeln fanden sich Keramikpötte mit Leichenbrand, wie sie für die Bronzezeit typisch sind. Den Urnenfeldern der Bronzezeit folgte ein Wandel zur Körperbestattung bei den Kelten. Warum es diesen Wandel der Bestattungsform gab, ist unklar. Fest steht nur, dass die Verstorbenen unweit ihrer Siedlungen eingegraben wurden. Die Toten ruhten unweit der Lebenden, in Grabhügeln für Einzelpersonen und auch in Nebengräber von Nachbestatteten. Die Toten erhielten Grabbeigaben, die vielfach bereits im 19. Jahrhundert geplündert wurden.

Hofmann benannte ähnliche Hügelgräber-Funde bei Franzhäuschen und auch in Hangelar. Beigaben, wie Schmuck, Waffen oder Tongefäße, verraten den Glauben an eine irgendwie geartete Wanderschaft beziehungsweise an ein Leben nach dem Tod. Hügelgräber-Funde sind laut Hofmann keine Seltenheit, die Grabbeigaben seien jedoch vielfach geraubt und auch die sterblichen Überreste verloren. Über die Jahrhunderte ist der einstige Aufwurf der Hügelgräber flacher geworden und das Maß von etwa 18 Metern Durchmesser und bis zu einem Meter Höhe ist heute aus geologischen Gründen kaum mehr erkennbar.

Frühes Zeugnis lokaler Siedlungsgeschichte

Der gebürtige Frankfurter Ulrich Hofmann hat in Bonn Archäologie studiert und Grabungen im Mittleren und Nahen Osten gemacht. Er ist Kenner vorgeschichtlicher Bestattungsriten und -formen aus der Vorgeschichte Europas und des Mittelmeerraums. Seit 1995 lebt der Ägyptologe und Archäologe in Kaldauen. Hofmann plant eine Neubearbeitung der vorgeschichtlichen Abteilung anhand der Kaldauer Hügelgrab-Funde im Siegburger Stadtmuseum.

„Hügelgräber gibt es auf den gesamten Dünenterrassen von Sieg und Rhein“, sagt er. Sie befänden sich dort alle auf derselben Höhe von etwa siebzig Metern, während die Bauernhöfe über zweihundert Metern lägen. So gibt die vorkeltische Bestattungsform der Hügelgräber auch für Kaldauen ein frühes Zeugnis lokaler Siedlungsgeschichte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort