Waldpolitik im Rhein-Sieg-Kreis „Wald braucht ein sorgfältiges Management“

Rhein-Sieg-Kreis · Viele Jahre hat der Forstwissenschaftler Jörg Pape das Bundesforstamt Wahner Heide geleitet und ehrenamtlich den Rhein-Sieg-Kreis beraten. Im Interview spricht er über die Auswirkungen des Klimawandels auf die heimischen Wälder.

 Portrait Jörg Pape, Forstwissenschaftler, Wahner Heide, Waldzustand, Forstdirektor a.D.

Portrait Jörg Pape, Forstwissenschaftler, Wahner Heide, Waldzustand, Forstdirektor a.D.

Foto: Hanjo Wimmeroth

Herr Pape, wie steht es denn nun um den deutschen Wald, ist die Buche gut und die Fichte tatsächlich böse?

Jörg Pape: Das kann man so pauschal nicht sagen. Zwar gilt die Buche in Deutschland als „Mutter des Waldes“ und man sieht sie gerne als Mischwald mit der Eiche, aber die Fichte ist unverzichtbar und – wo sie standortgerecht ist – nicht wegzudenken. Sie liefert immer noch alles Bauholz, denken Sie nur an die derzeitige Hochkonjunktur im Baugewerbe. Buchenholz kann da keinen Ersatz bieten. Das geht überwiegend in die Möbelindustrie. Allerdings: Im Rheinland und insbesondere in der Kölner Bucht wird die Fichte auch infolge der Klimaänderung ihre Bestände nicht dauerhaft sichern können.

Wie ist die Fichte denn überhaupt ins Rheinland gekommen?

Pape: Beim Wiener Kongress 1816 wurde die sogenannte Rheinprovinz Preußen zugeschlagen. Die Preußen brachten dann auch die Fichte mit ins Rheinland, errichteten 1817 den Truppenübungsplatz in der Wahner Heide und forsteten die Heide mit den schnellwüchsigen Nadelbäumen Kiefer und Fichte auch wieder auf. Viele Wälder waren zu der Zeit durch Waldweide, Streunutzung und intensive Holznutzung devastiert – also regelrecht verwüstet – und je nach Standort brachten die Preußen dort Kiefer und Fichte ein. Das hätte auf den armen Böden mit Laubbäumen gar nicht funktioniert, mal abgesehen davon, dass Laubholzsamen in diesem Umfang gar nicht zur Verfügung standen.

Weshalb waren denn die Heideflächen derart abgeholzt?

Pape: Das lag an der historischen Nutzungsentwicklung. Holz wurde in großen Mengen verheizt und später in der aufblühenden Stahl- und Kohleindustrie gebraucht. Da lag es nahe, die schnellwüchsige Fichte anzubauen, um auch schnell wieder an Holz zu kommen. Erst als die Steinkohle Holz als Brennstoff ablöste, sank der nicht industrielle Holzverbrauch. So kann man durchaus sagen, die Kohle hat Mitte des 19. Jahrhunderts den Wald gerettet und Mitte des 21. Jahrhunderts durch den sauren Regen um ein Haar wieder vernichtet.

Woher kommt dann der schlechte Ruf der Fichten?

Pape: Das liegt an den sogenannten Reinbeständen, die im schlagweisen Hochwald (Kahlschlagwirtschaft) angelegt wurden, unter den Bäumen wächst wegen des mangelnden Lichteinfalls nichts anderes. Die Buche ist allerdings ökonomisch gesehen kein Ersatz.

Nun soll also der Wald wieder in Laubwälder umgebaut werden, so zumindest die Forderung von Naturschutzverbänden und ihnen nahestehenden Politikern. Macht das Sinn?

Pape: Der Klimawandel beschert uns große Probleme in Reinbeständen. Denken Sie nur an die gewaltigen Stürme der vergangenen 30 Jahre, bei denen Fichtenbestände gleich hektarweise umgefallen sind. Wir müssen Waldbestände heute mit dem Blick auf die Zukunft stabiler aufbauen. Dabei entfernen wir uns notgedrungen von der Fichte, die hohe Ansprüche an den Wasserhaushalt stellt. Die Buche wandert dann in diese sich zum Teil auflösenden Bestände ein und entwickelt dabei eine derartige Dynamik, dass die Fichte keine Chance hat, sie wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ohne menschlichen Einfluss aus der Wahner Heide verschwinden.

Wenn wir eine rein wirtschaftliche Betrachtung außen vorlassen, wie wirkt sich denn der Klimawandel auf Laub- und Nadelwälder aus?

Pape: Bessere Standorte für die Fichte wären etwa die Eifel oder das Sauerland. Aber – und das darf man fachlich nicht vergessen – auch die Buche ist mit Blick auf den Klimawandel eine Problembaumart. Auch sie wird bei einer Temperaturerhöhung um zwei Grad Celsius große Probleme bekommen. Da wird es an Wasser fehlen, und mehr Schadinsekten werden auftauchen.

Normalerweise dauert es unglaublich lange, bis sich die Natur an veränderte Klimabedingungen anpasst – aus Richtung des Naturschutzes ist aber zu hören, man müsse den Wald nur sich selbst überlassen, dann werde es schon besser.

Pape: Wenn Sie überlegen, wie viele Tausend Jahre der Wald gebraucht hat, sich so zu entwickeln, wie wir ihn heute kennen, ist dieser Lösungsansatz zu kurz gegriffen. Schauen Sie nur auf die Unmengen von Eicheln und Bucheckern, die wir seit Jahren im Herbst auf dem Waldboden finden. Das ist eine Reaktion der Bäume auf das Klima des Vorjahres, die Bäume bilden aus Not so viele Samen. Das ist aber auch für die Bäume Stress und ein enormer Energieverbrauch, der sie frühzeitig zum Absterben bringen kann.

Also dann doch weiter wie bisher?

Pape: Es gibt keine guten und bösen Bäume, man muss gewissermaßen alles im Angebot haben. Und wir müssen im Hinblick auf den Klimawandel, aber auch mit Blick auf zukünftige Generationen, Wälder mit hoher Biodiversität entwickeln können, sonst laufen wir in eine ökologische Falle. Wir müssen uns sorgfältig vorbereiten, damit wir auch in Zukunft noch Wälder haben, und das bedarf eines sorgfältigen Managements.

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