Serie "Kennzeichen SU" Weltrekordversuch soll Kunstverein die Wende bringen

RHEIN-SIEG-KREIS · Der Kunstverein für den Rhein-Sieg-Kreis hat seinen festen Platz in der regionalen Kulturlandschaft. Und doch kämpft er mit finanziellen und personellen Problemen. Ein außergewöhnliches Projekt soll für einen Befreiungsschlag sorgen.

 Im Einsatz für die Freiheit der Kunst: Reinhard Lättgen

Im Einsatz für die Freiheit der Kunst: Reinhard Lättgen

Foto: Nadine Quadt

Das „Ping“ aus der Tiefe wirkt beruhigend. Es mischt sich in das leise Rauschen, das den Raum füllt. Beides ist da, aber nicht bestimmend. Es passt zur Atmosphäre, die alte Funktion des Siegburger Pumpwerks nahe der Sieg ist zu erahnen. Seit 16 Jahren ist es das Ausstellungshaus des Kunstvereins für den Rhein-Sieg-Kreis. Ein Haus mit Tiefgang – in jeder Hinsicht. Über drei Ebenen geht es bis zu zehn Meter in die Tiefe und wieder hinauf. Vom tiefsten Punkt ist der Blick nach oben frei und umgekehrt. „Viele Künstler suchen die Korrespondenz zwischen ihrer Kunst und dem Raum“, sagt Reinhard Lättgen, der dem Verein seit 2003 vorsitzt.

Die neben den Eingang gesprühte Banane ist ein Indiz für das Renommee des Pumpwerks. Der Kölner Künstler Thomas Baumgärtel hat sie zurückgelassen, als er 2002 zur Ausstellung in Gedenken an Reinhold Mißelbeck, lange Kurator am Kölner Museum Ludwig, nach Siegburg kam. Seit 1986 setzt der Bananensprayer damit ein Zeichen für die Freiheit der Kunst und zeichnet so weltweit die besten Kunstorte aus. Die Mißelbeck-Ausstellung ist einer der Momente, für die sich die Arbeit im Kunstverein lohnt, sagt Lättgen. Zeit fürs eigene künstlerische Schaffen bleibt dem Bildhauer kaum.

Treues Stammpublikum

Große Namen haben in Siegburg ausgestellt. Auch Kunstschaffende aus der Region. Vereinsmitglieder zeigen ihre Arbeiten in der alljährlichen Mitgliederausstellung. „Wir bieten regionalen Künstlern Raum, blicken aber auch weit über den Tellerrand“, sagt Lättgen. Abgesehen von einem treuen Stammpublikum wüssten das allerdings nicht viele zu schätzen, beklagt er. „So ein Haus in Köln wäre immer voll, die Region zeigt sich nicht sehr kunstaffin.“

Gleichwohl sind Lättgen und seine Mitstreiter Überzeugungstäter. „Das muss man auch sein“, sagt der 58-Jährige. Seit Jahren kämpfe der Verein mit einer prekären finanziellen Situation. „Wir stehen ganz entspannt mit dem Rücken an der Wand.“ Auf dem Pumpwerk lastet ein Defizit. Neben den Mitgliedsbeiträgen gibt es Zuwendungen vom Rhein-Sieg-Kreis. Sie fließen zum Großteil in Tilgung, Zinsen und in die hohen Fixkosten des Pumpwerks. Das gehört den Siegburger Stadtbetrieben, der Kunstverein ließ es 2001 zum Ausstellungshaus umbauen.

Es fehlt an jungen Mitstreitern

Laut Kreisverwaltung zahlt der Kreis jährlich 17 000 Euro an den Kunstverein, weitere 16 000 Euro pro Jahr flossen in die Tilgung. „Wegen des aktuell günstigen Zinssatzes wurde der Betrag zu Jahresbeginn auf 14 500 Euro reduziert“, so Kreissprecherin Anja Roth auf Nachfrage. „Die Zuschüsse des Kreises sind seit 15 Jahren nicht an die Inflation angepasst worden“, beklagt Lättgen. Zudem habe ein Sponsor seine Gelder reduziert. „Es bleibt einfach zu wenig übrig.“ Das sei auf Dauer sehr zermürbend. Und wirkt sich zunehmend auf die Arbeit des Vereins aus. „Wir werden 2018 nur noch vier statt wie bisher acht Ausstellungen machen können“, sagt Lättgen. Zwar würden Transport- und Unterbringungskosten über privates Engagement so gering wie möglich gehalten, es fehle aber an tatkräftigen Unterstützern. „Wir sind ein kleiner Kreis von acht Personen, die hier alles ehrenamtlich stemmen“, sagt Lättgen. Er wünscht sich vor allem neue, junge Mitstreiter.

Viel Herzblut im Siegburger Pumpwerk

Eigentlich wollte Reinhard Lättgen im Herbst den Vereinsvorsitz niederlegen und in zweiter Reihe weitermachen. „Nach so vielen Jahren ist es an der Zeit für frischen Wind“, findet er. Ein Nachfolger ist indes nicht in Sicht. „Ich hatte die Wahl, entweder ich mache weiter oder wir machen den Laden dicht.“ An Aufgeben mag der Neunkirchen-Seelscheider indes nicht denken. „Das Pumpwerk ist wie mein drittes Kind, das lässt man nicht einfach untergehen“, gibt er sich kämpferisch. Mit einer ungewöhnlichen Idee: „Wir versenken das Pumpwerk im Atlantik.“ Die Meeresforscher Kirsten und Joachim Jakobsen wollen Ende September eine Pumpwerk-Skulptur des Künstlers Tom Koesel mit ihrem Tauchboot „Lula 100“ vor den Azoren auf dem Meeresgrund absetzen. Der Verein erhofft sich dadurch einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde – als tiefste Ausstellung der Welt.

Skulptur wird im Atlantik versenkt

Wieder das „Ping“ im realen Pumpwerk. Es passt, erinnert an die Geräuschkulisse in einem U-Boot. Rührt aber nur von einem Rauchmelder, der nach einer neuen Batterie verlangt, klärt Lättgen auf. Neben der erhofften Aufmerksamkeit soll die U-Boot-Aktion Geld in die Vereinskasse bringen. Denn im Vorfeld kann sich, wer mag, mit der Pumpwerk-Skulptur fotografieren lassen – gegen eine Spende von 50 Euro. „Bei Interesse kann sich jeder an uns wenden“, sagt Lättgen. Die Fotos sind im Oktober Teil der Mitgliederausstellung und versinken zudem auf Mikrofilm gebannt mit der Skulptur im Atlantik.

„Das ist noch einmal ein Versuch, unseren Kopf aus der Schlinge zu ziehen“, sagt Lättgen. Ideen hat der Vorsitzende noch viele. Das sei das Faszinierende am Kunstverein: „Man kann erleben, wie aus verrückten Ideen Wirklichkeit wird, ein Urerlebnis.“ Für die Zukunft wünscht sich der Absolvent der Düsseldorfer Kunstakademie, abgesehen von einem Nachfolger, vor allem eines: „Mehr Rückendeckung durch die Politik.“ Im Rheinland gebe es die dichteste Konzentration zeitgenössischer Kunst in Deutschland. „Das sollte besser gefördert werden.“

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