Siegburger Stadtbibliothek Wiedereröffnung nach fünf Monaten

SIEGBURG · Die Zeiten, in denen allein der Bibliothekarin die Auswahl der Bücher oblag, sind vergangen. Längst stöbern die Leser selbst in den Regalen oder holen sich ihren Lesestoff via Onleihe direkt auf den E-Reader. Und zu den Büchern haben sich jede Menge digitale Medien gesellt.

 Bibliotheksleiterin Christiane Bonse bereitet alles für die Wiedereröffnung vor.

Bibliotheksleiterin Christiane Bonse bereitet alles für die Wiedereröffnung vor.

Foto: HOLGER ARNDT GENERAL-ANZEIG

"Wir sind kein Ausleihtempel mehr, sondern ein Aufenthalts- und Lernort", hält Christiane Bonse, seit 1984 Leiterin der Siegburger Stadtbibliothek, fest. Eine Entwicklung, die sich nun auch im äußeren Erscheinungsbild manifestiert. Nach fünfmonatigem Umbau wird das Haus an der Griesgasse am heutigen Samstag wiedereröffnet.

Nur wenige Tage vorher beherrscht noch emsige Geschäftigkeit die neugestalteten Räume. Der Staubsauger surrt, Packpapier raschelt, Sesselfüße scharren auf dem dunklen Parkettboden. Im Schacht der neuen Klimaanlage leuchtet eine Taschenlampe auf, ein Maler setzt letzte Pinselstriche, Monteure installieren die Lampen im neuen Literaturcafé, das in die Mitte der Bücherei gerückt ist.

Daran vorbei ebnet eine Rampe den neuen, direkten Weg von der Bibliothek ins Stadtmuseum. Das ist wohl eine der wesentlichen Veränderungen: Ein Durchbruch verbindet beide Häuser und macht eine Forderung der 1970er Jahre wahr: Sie wachsen zum Kulturzentrum zusammen.

"Auch im digitalen Medienzeitalter braucht es einen realen Ort, an dem die Menschen sich begegnen können", ist sich Christiane Bonse sicher. Einen Ort der Entschleunigung, an dem man zur Ruhe kommen und einfach nur ein gutes Buch bei einer Tasse Kaffee genießen kann. Einen eben solchen Ort hat die Stadt in ihrer Bibliothek geschaffen. Für rund 2,2 Millionen Euro hat sie ihre "Bücherstube", die bei der Stadtbetriebe Siegburg AöR angesiedelt ist, umgestaltet, auf den neusten Stand der Technik gebracht, heller, offener und barrierefrei gemacht. Die inklusiven Arbeiten hat der Landschaftsverband Rheinland mit 10.000 Euro bezuschusst.

"Viele Veränderungen und Ideen sind durch Anregungen unserer Kunden entstanden", sagt Christiane Bonse. So etwa die Sanierung der sanitären Anlagen, die Verbesserung der Lüftung und die Öffnung am Sonntag. Regelmäßig fragt das Team die Meinung seiner jährlich 200.000 Besucher ab, im Gespräch und in Fragebögen. Bei der seit Dezember vollzogenen Neugestaltung ebenso wie bei der Einführung neuer Medien oder der Onleihe, die digitalen Lesestoff auf das Tablet bringt. "Wir stimmen unser Angebot mit den Bedürfnissen unserer Kunden ab", sagt Bonse, die den Weg der Bücherei hin zum Multimedia-Haus begleitete.

Die Anfänge dieses Hauses, mit einer halben Million Ausleihen im Jahr, liegen im Zweiten Weltkrieg. Am 18. Oktober 1942 eröffnete die die Stadt ihre Bücherei im Geschäftshaus "Österreicher" an der Ecke Ringstraße/Bachstraße, als Ersatz für die von den Nationalsozialisten drangsalierten und schließlich verbotenen konfessionell gebundenen Bibliotheken. Das Gebäude, das heute der Evangelische Kirchenkreis und die Diakonie nutzen, wurde Weihnachten 1944 bei dem schweren Bombenangriff auf Siegburg so stark zerstört, dass die Bücherei schließen musste. Der Restbestand kam ins Rathaus. Als dieser nach dem Krieg von nationalsozialistischer Propaganda befreit wurde, blieben lediglich 2 000 Bücher übrig.

Entsprechend bescheiden war der Ausleihbetrieb, den die Stadt 1947 in einem Raum der Stadtkasse aufnahm. Nach zwei Umzügen innerhalb des Rathauses fand die Bücherei ab Januar 1951 für zehn Jahre ein Zuhause an der Bergstraße gegenüber des Spielplatzes. Der Bestand wuchs, die Ausleihen nahmen zu und die Räume wurden zu klein.

Das Fabrikanten-Ehepaar Alfred und Eleonore Keller vom Siegwerk ebnete mit einer Spende von einer Viertelmillion Mark den Weg hin zu einem Neubau. Der wurde am 18. Oktober 1962 neben dem Heimatmuseum an der Grimmelsgasse eröffnet - mit einer damals revolutionären Neuerung: Die Leser durften selbst in den Regalen stöbern. Zuvor endete ihr Besuch vor dem Tresen der Bibliothekare, die die Literatur ausgaben. "Wie weit sich der Leser die Führung gefallen ließ, ohne sie als Gängelei zu empfinden, hing vom Temperament des jeweiligen Lesers, aber auch vom Taktgefühl des Bibliothekars ab", schreibt die damalige Büchereileiterin Ingeborg Hilke.

Nur zehn Jahre später musste das Gebäude dem für die wirtschaftliche Entwicklung Siegburgs wichtigen Bau des Kaufhofs weichen. Das Wachbataillon half beim Umzug der 30.000 Bücher in die neue Unterkunft: in eine ehemalige Diskothek an der Breite Straße. Das war am 21. August 1972. Schon damals plante die Stadt, in der Innenstadt ein Kulturzentrum zu schaffen. Am 10. Juni 1989 eröffnete die heutige, 2001 erweiterte Bücherei an der Griesgasse mit 65.000 Medien. Das Stadtmuseum kam im Jahr 1990 dazu - und nach einem Vierteljahrhundert sind beide Häuser nun zu einem Kulturzentrum verbunden.

"Wir haben das Informationsmonopol verloren", beschreibt Christiane Bonse die wesentliche Veränderung im Bibliothekswesen. Nicht aber die Informationskompetenz. Diese gebe ihr Team weiter, etwa durch Schulungen zur Recherchekompetenz in den neuen Lern- und Schulungsräumen. Mit dem Umbau ist die Bibliotheksleiterin zufrieden, besonders freut sie sich über die neue Literaturbühne. Und ihrer Liebe zum Buch haben die fünf arbeitsreichen, lauten Monate auf der Baustelle nichts anhaben können. Ob zum Frühstück, in der Badewanne oder im Bett: "Ein gutes Buch, ein Kaffee, das ist für mich Glück."

Das Programm zur Wiedereröffnung der Stadtbücherei

Die neue Verbindung zum Stadtmuseum kommt bei der offiziellen Wiedereröffnung der Stadtbibliothek am heutigen Samstag zum Tragen: Bürgermeister Franz Huhn schreitet um 11 Uhr im Forum des Museums, Markt 46, zur Tat - und geleitet die Gäste dann hinüber in die Bücherei, deren Eingang an der Griesgasse 11 liegt.

Dort entern im Anschluss Piraten die Kinderbibliothek, Peter Helten verzaubert zwischen 14 und 17 Uhr die Besucher an den unterschiedlichsten Orten in der Bibliothek. Der Eintritt ist frei. Der Freundeskreis der Stadtbibliothek Siegburg veranstaltet zudem von 11 bis 18 Uhr einen großen Bücherflohmarkt vor dem Eingang an der Griesgasse. Der Erlös kommt Projekten der Bibliothek, insbesondere im Kinder- und Jugendbereich, zugute.

Das Künstlerpaar Peggy O. & Michael Sorg weihen mit ihrem Programm "Die Rückkehr des Bücherwurms" die Literaturbühne ab 20 Uhr ein und präsentieren Lyrik, Chanson und Jazz. Peggy O. singt, spielt, tanzt, spricht, schlägt Purzelbäume und macht Luftsprünge, während der amerikanische Jazzpianist Michael Sorg musiziert. Der Eintritt kostet 10 Euro.

Einen Krimiabend veranstaltet die Stadtbibliothek am Freitag, 16. Mai um 20 Uhr. Präsentiert wird "Das Geheimnis der bärtigen Nonne". Vier Schauspieler in acht verschiedenen Rollen präsentieren einen Abend voll turbulenter Verwicklungen, Musik, Tanz und menschlichen Abgründen. Eintrittskarten gibt es für 18 Euro inklusive kriminalkulinarischer Köstlichkeiten vom Literaturcafé.

Das Stück "Die kleine Hexe" nach Otfried Preußler für Vier- bis Zehnjährige wird am Dienstag, 31. Mai, ab 16 Uhr, gezeigt. Präsentiert wird ein Schauspiel rund um die kleine Hexe, den Raben Abraxas und die giftige Muhme Rumpumpel. Der Eintritt kostet fünf, ermäßigt vier Euro.

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